Gegründet 1947 Freitag, 26. April 2024, Nr. 98
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Italien: Wahlkampf mit Mussolini vom 10.05.2019:

Anklage erheben

Matteo Salvinis Rede vom Balkon in der Stadt Forli, auf dem Mussolini 1944 im Angesicht von vier ermordeten Partisanen, deren Leichname gegenüber zur Schau gestellt wurden, gesprochen hatte, ist ein offenes Bekenntnis zu den in der sogenannten Salo-Republik mit Schützenhilfe der Mussolini-Faschisten unter dem Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht begangenen Verbrechen. Schon kurz nach seinem Amtsantritt als Vizepremier und Innenminister der Regierung hat sich Salvini am 29. Juli, dem 135. Geburtstag Mussolinis, zu dessen Diktatur bekannt, die Proteste gegen seinen Rassenhass mit dessen Slogan »Viel Feind, viel Ehr’« verhöhnt und damit ein klares Signal an die extreme Rechte gegeben, im Geist des »Duce« zu handeln, hieß es in La Repubblica von Rom. Jetzt heißt Salvini mit dieser Rede in Forli die Geiselerschießungen, das Niederbrennen von Dörfern, Mord und Folter gut, für die die in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom am 23./24. März 1944 durch Genickschuss ermordeten 335 Geiseln stehen. Ebenso dass in Marzabotto im September 1944 1.830 Zivilisten – Männer, Frauen und Kinder – und Hunderttausende weitere so umgebracht wurden. Der deutsche Militärhistoriker Gerhard Schreiber schrieb in seinem Buch »Deutsche Kriegsverbrechen in Italien« (München 1996), dass in der Salo-Republik im statistischen Mittel – ohne die gefallenen Partisanen und regulären Soldaten einzubeziehen – täglich 165 Kinder, Frauen und Männer jeden Alters ihr Leben verloren. Nie hat dieser Salvini auch nur mit einem Wort der Opfer gedacht, die in der Resistenza, dem bewaffneten Widerstand gegen die Herrschaft des Hitlerfaschismus und seiner Mussolini-Vasallen, ermordet, gefoltert, in Konzentrationslager geschickt wurden. Am vergangenen 25. April, dem Feiertag des Gedenkens an den bewaffneten Aufstand, mit dem 1945 der Sieg über den Faschismus eingeleitet wurde, weigerte er sich, an der Veranstaltung Staatspräsident Sergio Mattarellas in Rom oder an einer der zahlreichen anderen Kundgebungen teilzunehmen.
Wann wird dem Einhalt geboten, wann werden die Staatsanwälte ihrer Pflicht nachkommen, gemäß der in der Verfassung verankerten antifaschistischen Grundsätze gegen Salvini Anklage zu erheben?
Doris Prato
Veröffentlicht in der jungen Welt am 20.05.2019.