Leserbrief zum Artikel Künstliche Intelligenz: Plane mit, entscheide mit!
vom 03.04.2019:
Janusköpfige Technik
Digitalisierung bedeutet Herrschaft weniger Subjekte über viele »Subjekte«!
Dass Laura Meschede den Helmut-Schmidt-Preis, ihrer Unabhängigkeit wegen, abgelehnt hat, ehrt sie. Dennoch ist ihre digitale Euphorie grundlos, da jede Technik, die Subjekte durch Bilderkennung im freien öffentlichen Raum identifizierbar und im vollautomatisierten Betrieb überflüssig macht, nicht nur unter Profitbedingungen jegliche von unabhängigen Subjekten kommende Wirkmächtigkeit beseitigt – es sei denn, das Subjekt sitzt in der Schaltzentrale. Automatisierungstechnik verlangt Leittechnik, und diese beruht auf einem vollkommen autoritativen Regime an Zugriffsbefugnissen und Abstimmungen bei Eingriffen. »Mit-Planen und Mit-Entscheiden« kann hier nur Selbst-Entmachtung bedeuten – egal in welchem System. Dass dieser Hang zur Totalität digitaler Technik in einer linken Analyse übersehen wird, wundert nicht mehr in Anbetracht der vollkommenen Sprachlosigkeit der Linken in Sachen Klima- und Umweltkrise. Dass Digitalisierung einen enormen Energie-, Infrastruktur- und Sicherungsbedarf nach sich zieht, sei einmal dahingestellt. Die Frage aber, wer den Mehrwert erzeugt, wenn zigtausend Autos nur noch mit wenigen Steuermännern und Experten produziert werden, ist nicht zu übersehen. Woher kommen dann die Profite? Aus der gesamten Volkswirtschaft für die systemwichtigen Konzerne? Ökonomisch und subjektbezogen schwächelt die Einschätzung von Laura gewaltig! Ihren Ausflug in die griechische Sklavenhaltergesellschaft zur Unterstützung der Digitalisierungsoffensive finde ich bemerkenswert, jedoch scheint die aristotelisch inspirierte abendländische Vernunftkultur angesichts der Klima- und Umweltkrise viel grundsätzlicher gescheitert, als das Meschede wahrhaben will: Digitalisierung des standardisiert Wissbaren ist nur die Wiederholung des Bekannten auf der Grundlage eines kruden Materialismus, wie ihn Demokrit, ohne Rücksicht auf die lebhaften Folgen, predigte. Dass die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen wäre, widerlegt sich selbst durch die bis heute anhaltenden Kriege der Völker um fruchtbares Land und fossile Ressourcen. »Klassen« erlangten geschichtliche Wirkmächtigkeit nicht einmal in der russischen Oktoberrevolution, die maßgeblich von den Soldaten und Bauern zum Sieg gebracht wurde. Die entscheidende Hinterlassenschaft der Griechen, von Aristoteles einerseits und Demokrit andererseits, ist die Verdinglichung der Welt und ihre schließliche Rückführung auf kleinste (leblose) Teilchen, also eine im Ganzen schon tote Veranstaltung, ehe der Klimawandel uns beweisen wird, dass die Natur etwas Höheres, z. B. ein System ist, auf das man Rücksicht zu nehmen hat, auch wenn die menschliche Selbstgefälligkeit – die wir seit 2.000 Jahren gelehrt werden – dagegen spricht. Technik war immer eine janusköpfige Errungenschaft, und sie ist es heute ganz besonders: Dünger und Spritzmittel mittels Digitalisierung und Satelliten »gezielter« ausbringen – welch ein doppelter und dreifacher Irrsinn in Anbetracht der vergifteten Fische, Grundwässer und Orkane, die, wie in Mosambik, auf uns warten!
Dass Laura Meschede den Helmut-Schmidt-Preis, ihrer Unabhängigkeit wegen, abgelehnt hat, ehrt sie. Dennoch ist ihre digitale Euphorie grundlos, da jede Technik, die Subjekte durch Bilderkennung im freien öffentlichen Raum identifizierbar und im vollautomatisierten Betrieb überflüssig macht, nicht nur unter Profitbedingungen jegliche von unabhängigen Subjekten kommende Wirkmächtigkeit beseitigt – es sei denn, das Subjekt sitzt in der Schaltzentrale. Automatisierungstechnik verlangt Leittechnik, und diese beruht auf einem vollkommen autoritativen Regime an Zugriffsbefugnissen und Abstimmungen bei Eingriffen. »Mit-Planen und Mit-Entscheiden« kann hier nur Selbst-Entmachtung bedeuten – egal in welchem System. Dass dieser Hang zur Totalität digitaler Technik in einer linken Analyse übersehen wird, wundert nicht mehr in Anbetracht der vollkommenen Sprachlosigkeit der Linken in Sachen Klima- und Umweltkrise. Dass Digitalisierung einen enormen Energie-, Infrastruktur- und Sicherungsbedarf nach sich zieht, sei einmal dahingestellt. Die Frage aber, wer den Mehrwert erzeugt, wenn zigtausend Autos nur noch mit wenigen Steuermännern und Experten produziert werden, ist nicht zu übersehen. Woher kommen dann die Profite? Aus der gesamten Volkswirtschaft für die systemwichtigen Konzerne? Ökonomisch und subjektbezogen schwächelt die Einschätzung von Laura gewaltig! Ihren Ausflug in die griechische Sklavenhaltergesellschaft zur Unterstützung der Digitalisierungsoffensive finde ich bemerkenswert, jedoch scheint die aristotelisch inspirierte abendländische Vernunftkultur angesichts der Klima- und Umweltkrise viel grundsätzlicher gescheitert, als das Meschede wahrhaben will: Digitalisierung des standardisiert Wissbaren ist nur die Wiederholung des Bekannten auf der Grundlage eines kruden Materialismus, wie ihn Demokrit, ohne Rücksicht auf die lebhaften Folgen, predigte. Dass die Geschichte eine Geschichte von Klassenkämpfen wäre, widerlegt sich selbst durch die bis heute anhaltenden Kriege der Völker um fruchtbares Land und fossile Ressourcen. »Klassen« erlangten geschichtliche Wirkmächtigkeit nicht einmal in der russischen Oktoberrevolution, die maßgeblich von den Soldaten und Bauern zum Sieg gebracht wurde. Die entscheidende Hinterlassenschaft der Griechen, von Aristoteles einerseits und Demokrit andererseits, ist die Verdinglichung der Welt und ihre schließliche Rückführung auf kleinste (leblose) Teilchen, also eine im Ganzen schon tote Veranstaltung, ehe der Klimawandel uns beweisen wird, dass die Natur etwas Höheres, z. B. ein System ist, auf das man Rücksicht zu nehmen hat, auch wenn die menschliche Selbstgefälligkeit – die wir seit 2.000 Jahren gelehrt werden – dagegen spricht. Technik war immer eine janusköpfige Errungenschaft, und sie ist es heute ganz besonders: Dünger und Spritzmittel mittels Digitalisierung und Satelliten »gezielter« ausbringen – welch ein doppelter und dreifacher Irrsinn in Anbetracht der vergifteten Fische, Grundwässer und Orkane, die, wie in Mosambik, auf uns warten!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 08.04.2019.