Leserbrief zum Artikel Ostdeutschland: DDR, postfaktisch
vom 25.03.2019:
»Her mit dem schönen Leben!«
Nein, die Überschrift ist keinesfalls der Titel des vorgestellten Buches, das einem interessierten Publikum in der bis zum letzten Platz besetzten Ladengalerie der jungen Welt nahegebracht wurde. Im Gespräch mit Arnold Schölzel benannte Matthias Krauß Anliegen und inhaltliche Schwerpunkte seines Sachbuches »Die große Freiheit ist es nicht geworden«. Kurze Passagen wurden vorgelesen. Den Lesern der jungen Welt war das Buch durch die ausgezeichnete Rezension von Arnold Schlözel in der Ausgabe vom 25. März 2019 bereits bekannt.
Der Vorstellung des Buches schloss sich eine lebhafte Diskussion, ja ein Erfahrungsaustausch mit dem Publikum an. Es war an diesem Dienstag abend spürbar: Die im Buch aufgeworfenen Probleme und Fragen trafen den Nerv der Zuhörer. Im Untertitel heißt es: Was sich für die Ostdeutschen seit der Wende verschlechtert hat. Viele Zuhörer fühlten sich angesprochen, bestätigten aus eigenem Erleben die geschilderten Sachverhalte. Sie betrafen viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, ob Bildungspolitik, Arbeitswelt oder Lebensqualität. Zum letzteren gestand der Autor natürlich ein, dass sich auch vieles für die Ostdeutschen nach 1990 verbessert hat. In Prora hat er den im Titel zitierten Ausspruch in großen Lettern an einer Hauswand lesen können.
Aber steckt in diesem Ausspruch nicht eine gehörige Portion Egoismus? Oder hatte man nur den Zusatz »für alle« vergessen? Das wäre dann aber wohl sehr blauäugig oder gar verlogen gewesen. Ich bin der Meinung, dass man nicht nur das eigene Leben, die eigenen Chancen sehen darf, sondern das Umfeld, das Leben der anderen im Blick haben muss. Nicht übersehen werden darf, dass mit der deutschen Einheit eine gravierende Entsolidarisierung einherging. Die eigenen Ellenbogen ausfahren und nur das eigene Leben, mein Ich, sehen, ist das erstrebenswert? In der DDR war ein Zusammenhalt spürbar, es war weniger von Wichtigkeit, ob der Nachbar das größere Auto fuhr. Und ich füge jetzt hinzu: Ich kannte nicht die Scham, des Abends vor allen in größeren Städten wie Berlin Obdachlosen in herbstlicher und winterlicher Kälte auf den Bürgersteigen zu begegnen. Ist es nicht tausendmal wichtiger, dass jeder ein Dach überm Kopf hat, sich – wenn auch bescheiden – ernähren kann aus eigenem Aufkommen als nur an den eigenen Vorteil zu denken?
Der Vorstellung des Buches schloss sich eine lebhafte Diskussion, ja ein Erfahrungsaustausch mit dem Publikum an. Es war an diesem Dienstag abend spürbar: Die im Buch aufgeworfenen Probleme und Fragen trafen den Nerv der Zuhörer. Im Untertitel heißt es: Was sich für die Ostdeutschen seit der Wende verschlechtert hat. Viele Zuhörer fühlten sich angesprochen, bestätigten aus eigenem Erleben die geschilderten Sachverhalte. Sie betrafen viele Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, ob Bildungspolitik, Arbeitswelt oder Lebensqualität. Zum letzteren gestand der Autor natürlich ein, dass sich auch vieles für die Ostdeutschen nach 1990 verbessert hat. In Prora hat er den im Titel zitierten Ausspruch in großen Lettern an einer Hauswand lesen können.
Aber steckt in diesem Ausspruch nicht eine gehörige Portion Egoismus? Oder hatte man nur den Zusatz »für alle« vergessen? Das wäre dann aber wohl sehr blauäugig oder gar verlogen gewesen. Ich bin der Meinung, dass man nicht nur das eigene Leben, die eigenen Chancen sehen darf, sondern das Umfeld, das Leben der anderen im Blick haben muss. Nicht übersehen werden darf, dass mit der deutschen Einheit eine gravierende Entsolidarisierung einherging. Die eigenen Ellenbogen ausfahren und nur das eigene Leben, mein Ich, sehen, ist das erstrebenswert? In der DDR war ein Zusammenhalt spürbar, es war weniger von Wichtigkeit, ob der Nachbar das größere Auto fuhr. Und ich füge jetzt hinzu: Ich kannte nicht die Scham, des Abends vor allen in größeren Städten wie Berlin Obdachlosen in herbstlicher und winterlicher Kälte auf den Bürgersteigen zu begegnen. Ist es nicht tausendmal wichtiger, dass jeder ein Dach überm Kopf hat, sich – wenn auch bescheiden – ernähren kann aus eigenem Aufkommen als nur an den eigenen Vorteil zu denken?
Veröffentlicht in der jungen Welt am 28.03.2019.