Leserbrief zum Artikel Repression in der DDR: Vertraute Melodien
vom 22.03.2019:
Wie schlimm ist Kapitalismus?
An Beschreibungen und Kommentaren, wie schlimm die DDR, das Leben da, gewesen sein soll, ist kein Mangel. Seit Jahrzehnten ist mit Schilderungen, Berichten von »Zeitzeugen« politisch und medial breite Wahrnehmung und Anerkennung sicher. Dabei gilt: Schlimmer und dümmer geht immer. Es ist fast voraussagbar, wie auf Skandale, Verbrechen und Enthüllungen im »freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat« unmittelbar Schlimmstes aus der DDR entdeckt bzw. eher nur aufgewärmt wird, täglich die Sendezeiten füllen in Endloswiederholungen. Es trieft vor Hass, Hetze, Lügen.
Auf der Buchmesse hat Jean Ziegler, der bekannte Kapitalismuskritiker, ein kleines Büchlein plaziert mit dem Titel »Was ist so schlimm am Kapitalismus?« Beeindruckend belegt er die »kannibalische Weltordnung«, wie er Kapitalismus nennt. Jedes der 5.000 Kinder, die täglich an Hunger sterben, sind ermordet, sagt er. Bei M. Lanz in der Sendung zeigt er, wie im Kongo Kinder unter grausamen unmenschlichen Bedingungen nach Coltan in tödlichen Schächten schürfen, um ihre Familie am Leben zu erhalten. Er weiß um viel mehr dieser Zustände in der besten aller Gesellschaften, die in der Runde niemand alle wissen will. Die Politikerin Malu Dreyer gibt sich entsetzt und meint, es gehöre solches verboten. Ist es das nicht längst, gibt es nicht universelle Menschenrechte, und wer könnte das Verbot durchsetzen, wenn er wollte?
Dort sind alle am Ende mit dem Latein. Über eine DDR lässt sich freilich viel besser, klüger und vermeintlich von hoher moralischer Ebene reden.
Wenn jetzt über schlimme DDR-Verhältnisse schon aus Ecken zu hören ist, wo zu fragen ist, was sie dazu veranlasst, sind wir bereits an dem Punkt, wo die Staatsgewalt im hier und heute bereits repressiv vorschreibt, was sie an Meinungsfreiheit zulässt bzw. unter Strafe stellt?
Was am Kapitalismus schlimm ist, das darf nicht mehr ausgesprochen werden?
Auf der Buchmesse hat Jean Ziegler, der bekannte Kapitalismuskritiker, ein kleines Büchlein plaziert mit dem Titel »Was ist so schlimm am Kapitalismus?« Beeindruckend belegt er die »kannibalische Weltordnung«, wie er Kapitalismus nennt. Jedes der 5.000 Kinder, die täglich an Hunger sterben, sind ermordet, sagt er. Bei M. Lanz in der Sendung zeigt er, wie im Kongo Kinder unter grausamen unmenschlichen Bedingungen nach Coltan in tödlichen Schächten schürfen, um ihre Familie am Leben zu erhalten. Er weiß um viel mehr dieser Zustände in der besten aller Gesellschaften, die in der Runde niemand alle wissen will. Die Politikerin Malu Dreyer gibt sich entsetzt und meint, es gehöre solches verboten. Ist es das nicht längst, gibt es nicht universelle Menschenrechte, und wer könnte das Verbot durchsetzen, wenn er wollte?
Dort sind alle am Ende mit dem Latein. Über eine DDR lässt sich freilich viel besser, klüger und vermeintlich von hoher moralischer Ebene reden.
Wenn jetzt über schlimme DDR-Verhältnisse schon aus Ecken zu hören ist, wo zu fragen ist, was sie dazu veranlasst, sind wir bereits an dem Punkt, wo die Staatsgewalt im hier und heute bereits repressiv vorschreibt, was sie an Meinungsfreiheit zulässt bzw. unter Strafe stellt?
Was am Kapitalismus schlimm ist, das darf nicht mehr ausgesprochen werden?
Veröffentlicht in der jungen Welt am 26.03.2019.