Leserbrief zum Artikel Klimastreik: Kein Rot ohne Grün
vom 15.03.2019:
Linke Naturzerstörer
Die unmittelbare und bereits fern in der Geschichte begonnene Wirkungskette, die zur Überschreitung der Naturgrenzen führte – Ackerbau, Bevölkerungswachstum, Handel, aggressive Völker und laufende Ausdehnungskriege – und aktuell führt, beruht auf einer durchgehenden Ignoranz sowohl der Idealisten wie der Materialisten gegenüber den Reproduktionsbedürfnissen belebter Natursysteme als höheren und zur Selbstregulation fähigen Formen von Materie, wozu normalerweise auch der Mensch gehört, zugunsten linearer und eindimensionaler Eingriffslogiken, die sich weder um die mittelbaren noch langfristigen Folgen kümmern.
Am Ende steht eine Geschichte, in der die Natur und damit auch die fruchtbaren Flächen auf Reste zurückgedrängt und das Klima in chaotische Fahrwasser gebracht sind, in denen eine Landwirtschaft auch bei uns nur noch sehr schwer möglich sein wird. Und die Gesellschaften stehen vor diesem Problem wie der Ochs vor dem Berg, weil ihre ganze Kultur darauf ausgerichtet war und ist, die Natur, die biosphärischen Systeme, wie ein totes Inventar des Erdballs, den menschlichen Zugriffen unterzuordnen und damit als eigenständige, eigenproduktive und selbstreproduktive Systeme zu zerstören.
Die entstandene Klima- und Natursituation samt Anforderungen ist neu, auch für Marxisten, die bisher auf entfesselte Produktivkraftentwicklung und sozialistische Planung gesetzt haben. Beides ist als Utopie passé, auch weil der Realsozialismus tiefere ökologische Fußabdrücke hatte als der Westen.
Solange die Linken den Kapitalismus nur als Wohlstandsförderungsmaschine begreifen, bei der es nur darum geht, den Output gerecht zu verteilen, sind sie Nutznießer und mithin Apologeten des Kapitalismus und substantiell unfähig, einen wirklichen Beitrag zu leisten zur Bewahrung der gesamten Bevölkerung und der Menschheit vor den katastrophalen Folgen des Klimawandels, des Artensterbens, der Umweltvergiftung und -verschmutzung.
Verlangt ist, den Naturgrenzen absolute Anerkennung zu verschaffen z. B. in Form der drastischen Eindämmung des fossilen Energieverbrauches z. B. in der industriellen Landwirtschaft und Massentierhaltung, durch Pestizidverbote, Ersatz des Kunstdüngers durch regenerative Methoden, Beschränkung der Tierzahlen auf das was die Fläche verträgt, Beendigung des Sojaimports aus Südamerika, dadurch Rettung des Amazonasurwaldes durch Einschränkung des Konsums tierischer Lebensmittel.
Der Agrarsektor ist ein Schlüsselsektor, weil er weltweit über 50 Prozent der Treibhausgase produziert und weil der Ökolandbau bereits als Alternative auf dem Markt ist und bewiesen hat, dass eine klimaneutrale und naturfreundliche Landwirtschaft möglich ist.
Kommentar jW:
Dieser Brief wurde auch gedruckt, allerdings gekürzt. Anlässlich der Kürzungen schrieb Autor Hans Wöcherl:
Die sinnentstellenden Kürzungen meiner Leserbriefe, wie auch des jüngsten zur Klimaschutzpolitik der Linken, finde ich einer kritischen linken Zeitung nicht würdig! So was leistet sich nicht mal die PNP in ihren Tageszeitungen! Tatsächlich hat die Linke bisher nicht geringsten Ansatzpunkt, um bei dem Zukunftsthema Klima- und Artenkrise wirklich mitdiskutieren zu können. Überall liest man nur, dass man den Kapitalismus zuerst, die Kriege zuerst beendigen muss, ehe der Umwelt gedacht werden kann! Geht’s noch? Haben die Linken das dialektische Denken völlig verlernt, wonach mit dem Kampf um wirkliche Verbesserungen auch die Verhältnisse verändert werden können und müssen? Und warum nicht beides zugleich angehen? Dem Klimawandel kann nur wirklich begegnet werden, wenn die fossile Energienutzung massiv zurückgefahren und die Ressourcen an Urwald, Wasser usf. absolut geschützt werden, was natürlich nur durch die Entmachtung bis hin zur Enteignung der entsprechenden Konzerne, eine drastische Reduktion der weltweiten Transporte und Handelsverträge zugunsten der ärmsten Länder möglich ist. Was die Landwirtschaft anbelangt, scheint die junge Welt eine große Vorliebe für die chemieintensive Großflächenlandwirtschaft zu haben, also für die konventionelle Massenproduktion und insbesondere auch Massentierhaltung. Daher werden die Linken wohl nach den Oberen des Bauernverbandes die letzten sein, die akzeptieren können, dass eine ökologische und regional orientierte Ernährungsproduktion vielleicht doch ein direkter Weg zu mehr Klima-, Arten- , Wasser- und allgemein Ressourcenschutz eine neue regionale Gegenmacht gegen die Macht vor allem der Handelskonzerne sein könnte!
Ökolandbau und regionale Lebensmittelsouveränität sind in der Tat klima- und naturverträgliche Alternativen der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, die antikapitalistische Züge aufweisen und in der Grundstruktur der Vermittlung zwischen natürlicher Bodenfruchtbarkeit und wirtschaftlichen Zielen ein Vorbild sein könnte für anderen Branchen, auch weil es im Biobereich eine von Bauern freiwillig akzeptierte Zertifizierung gibt, die in ihrer Art einmalig ist und tatsächlich funktioniert!
Daher ist das gesamte Bio-System ein massiver Dorn im Auge des Agrobusiness, des Bauernverbandes, von Frau Merkel und der EU-Komission, das sie versuchen mit allen legalen und ilegalen Methoden zur Strecke zu bringen!
Stärkste Bedrohung derzeit:
– von den flächendeckenden Spritzmittel-Abdriften und Vergiftungen aller Böden, Pflanzen und Tieren durch zahlreiche Pestizide, wie eine von Bioland in Auftrag gegebene Untersuchung zeigt (für Südtirol ein Beispiel im Anhang) https://tirolischtoll.wordpress.com/2018/11/03/suedtirol-giftspritzende-apfelbarone-bedrohen-innovativen-bio-bauern/
– von der EU bzw. den konservativen Staatsregierungen, die wollen, dass die Biobauern selbst sich um die Vermeidung von Kontaminationen kümmern sollen und dies so bei der neuen verschärften EU-Öko-Verordnung zu regeln trachten und eine Haftung der konventionellen Landwirtschaft für die Schäden praktisch flach fällt.
Daneben gibt es noch weitere typisch kapitalistische reelle-Subsumptions-Entwicklungen, die ein selbständiges, von Handelskonzernen unabhängiges und selbstversorgungsfähiges Ernährungssystem verhindern und den Ökolandbau bedrohen.
Hans Wöcherl, per E-Mail