Leserbrief zum Artikel Die Krim und das Völkerrecht: In der Grauzone
vom 16.03.2019:
Gewichtsausgleich
Sapperlot, bei Hochachtung fundierter Kenntnisse in Artikeln von Reinhard Lauterbach bedarf es hier eines Gewichtsausgleichs. Die Annexion der Krim durch Russland gilt für ZDF und ARD als völkerrechtswidrig. Dies ist lediglich eine Meinung, die wertlos ist. Eine rechtskräftige Entscheidung kann nur im Sicherheitsrat getroffen werden, und dies wird nicht erfolgen. Pflegen wir eher einen sorgsameren Umgang mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Die Universalität des Selbstbestimmungsrechtes lässt sich ableiten aus der dem Artikel 1 Ziffer 2 und Artikel 55 der UN-Charta, bestätigt durch den Artikel 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) sowie den Artikel 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPWSKR). Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung. Hier genießen alle Völker das Recht auf Selbstbestimmung und können frei über ihren politischen Status entscheiden.
Verbunden mit dem Souveränitätsprinzip konkurriert die territoriale Integrität mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Insofern können rechtlich unlösbare innerstaatliche und außenpolitische Fragestellungen auftreten. Denken wir an die Kolonialstaaten, die noch vor 1945 eine Eigenstaatlichkeit anstrebten ohne Beachtung der reinen ethnischen, kulturellen und religiösen Zugehörigkeit. Zu beachten ist die Loslösung von Teilgebieten aus einem Staat (Sezession). Das Ausscheiden von Gebieten aus dem Mutterland ist in der Geschichte vielfach vorzufinden, so in der Unabhängigkeit der nordamerikanischen Staaten von England (1776).
Es drängt sich die Frage auf, was ist ein Volk im Sinne des Völkerrechts? Eine klare, eindeutige Bestimmung lässt sich nicht finden, da jeweilige politische Ausrichtungen diese fragmentieren. Hinweis gibt die Drei-Elemente-Theorie des Staates. Unter den drei Merkmalen des Staates versteht man das Staatsvolk, das Staatsgebiet und die Staatsgewalt. Fällt eines der drei Merkmale weg, so ist der Staat untergegangen. In der Ukraine fand 2014 ein von außen gesteuerter Putsch statt, der tiefe nationalistische, undemokratische und gewalttätige Züge in sich trug. Die neue selbsternannte Staatsgewalt fand in weiten Teilen der Ukraine keine Anerkennung. Ihre Legitimation war perdu. Zudem war von einem kulturellen, politischen und historisch verbundenen Volk nichts mehr zu verspüren. Die Gebietshoheiten standen zur Disposition. Hervorgerufen wurde dies durch eine politische und wirtschaftlich koloniale Annexion der Ukraine durch den Westen mit halbherzigen Versprechungen.
Der Nachsprech im Hinblick einer Annexion der Krim verfehlt eine tiefgreifende rechtliche und politische Bewertung. Der Beitritt zu Russland erfolgte mit eigenständigen Referenden der Krim hinsichtlich der staatlichen Unabhängigkeit und dem Beitritt zu Russland. Hingegen ist eine Annexion ein einseitiger gewaltsamer Gebietsanspruch. Das Auftauchen von »grünen Männchen« auf der Krim ist eine Behelfsdarlegung, da ein Gewaltakt schwer nachweisbar ist.
Eine größere argumentative Kraft sollte das historische Erbe des Konfliktes erlangen und nicht die sprachliche Konstruktion des Konfliktes. Bei der wechselvollen Geschichte der Krim bleibt der mehrmalige Drang nach Unabhängigkeit von den Zentralmächten, die in der Folge oft aufgehoben wurde. Die Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit erlauben eine Anlehnung zur Gesamtbeurteilung. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sprach sich bereits 1991 für eine Autonome Sozialistische Sowjetrepublik aus. In der Folge erlangte die Krim eigenständige Hoheitsrechte, einen Obersten Sowjet, eine Verfassung. Mit der allukrainischen Verfassung war dies zu keinem Zeitpunkt vereinbar. Zeitweise dominierte die Kommunistische Partei um Leonid Gratsch das politische Geschehen. Unabhängigkeitsbestrebungen blieben stets Teil der politischen Auseinandersetzungen. Im Spannungsbogen standen Anti-Nato-Proteste in der Vorbereitung des Manövers »Sea Breeze« 2006 und die Erklärung der Halbinsel zur »NATO-freien Zone«. Einige russischsprachige Initiativen begleiteten fortwährend die kulturelle und politische Landschaft. Die Krim stellte sich mehrheitlich gegen Nationalismus, Kleptokraten (Oligarchen) und gewaltsame Übergriffe.
Maßgebend ist jedoch die geopolitische Dimension. Das Skript hatte frühzeitig einen Auftraggeber. Die imperiale Geostrategie der USA formuliete Brzezinskis mit Vasallen, tributpflichtigen Barbarenvölkern, die sich nicht zusammenschließen dürfen. Auf dem Schachbrett der Geopolitik galt der Ukraine höchste Priorität beizumessen zur Abwendung einer geopolitischen Position Russlands. Als Dreh- und Angelpunkt in Europa ist die Ukraine Türmerin und nicht mondäne Dame.
Die Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU war Auslöser der Unruhen auf dem Majdan. Die EU beabsichtigte in Gefallsucht gegenüber den USA eine wirtschaftliche, politische und militärische Osterweiterung. Begründet weist Russland auf eine finanziell sowie organisatorisch initiierte Farbrevolution hin. Plausibel bestritten wird das nicht mehr, da die Akteure bekannt sind. Den Gleichsprech mit schäbiger Begleitmusik der Medien und tosendem Refrain bemerkte nicht nur Stephen Cohen, Professor für russische Studien an der New York University. Das verzerrte Bild gegenüber Russland führte zur heftigen anhaltenden Medienschelte in fast allen europäischen Ländern.
Sollten wir nicht die Unreife einer sozialistischen Theorie überwinden und im Gebrauch des eigenen Verstandes reger sein. Hier handelt es sich immer noch um eine unverdaute bürgerliche Definition des Selbstbestimmungsrechtes der Völker. Im Sinne der emanzipatorischen Entwicklung der Einzelnen, die zur Freiheit Aller führt, ist eine eigenständige Weiterentwicklung der Begriffsbestimmung erforderlich. Einhergehen sollten diese Überlegungen mit der bewegungsbestimmenden Dialektik der Einheit und des Gegensatzes von dem einzelnen gegenüber allen unter Ausschluss egoistischer einzelner Interessen. Hier kann Marx konkretisiert werden. Benötigen wir nicht multiplexe Sozialismen im Gleichgewicht der Völker?
Die Sowjetunion hatte das Selbstbestimmungsrecht der Völker als einziges Land in der Verfassung niedergeschrieben. Auch wenn dieses Recht erst beim Zerfall der Union zum Tragen kam und darauffolgend keine fortschrittliche Entwicklung der Länder zu erwarten war, jedoch eine sozialistische Idee erwartet einen fruchtbaren Disput nach Rosa Luxemburg und Lenin.
Verbunden mit dem Souveränitätsprinzip konkurriert die territoriale Integrität mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker. Insofern können rechtlich unlösbare innerstaatliche und außenpolitische Fragestellungen auftreten. Denken wir an die Kolonialstaaten, die noch vor 1945 eine Eigenstaatlichkeit anstrebten ohne Beachtung der reinen ethnischen, kulturellen und religiösen Zugehörigkeit. Zu beachten ist die Loslösung von Teilgebieten aus einem Staat (Sezession). Das Ausscheiden von Gebieten aus dem Mutterland ist in der Geschichte vielfach vorzufinden, so in der Unabhängigkeit der nordamerikanischen Staaten von England (1776).
Es drängt sich die Frage auf, was ist ein Volk im Sinne des Völkerrechts? Eine klare, eindeutige Bestimmung lässt sich nicht finden, da jeweilige politische Ausrichtungen diese fragmentieren. Hinweis gibt die Drei-Elemente-Theorie des Staates. Unter den drei Merkmalen des Staates versteht man das Staatsvolk, das Staatsgebiet und die Staatsgewalt. Fällt eines der drei Merkmale weg, so ist der Staat untergegangen. In der Ukraine fand 2014 ein von außen gesteuerter Putsch statt, der tiefe nationalistische, undemokratische und gewalttätige Züge in sich trug. Die neue selbsternannte Staatsgewalt fand in weiten Teilen der Ukraine keine Anerkennung. Ihre Legitimation war perdu. Zudem war von einem kulturellen, politischen und historisch verbundenen Volk nichts mehr zu verspüren. Die Gebietshoheiten standen zur Disposition. Hervorgerufen wurde dies durch eine politische und wirtschaftlich koloniale Annexion der Ukraine durch den Westen mit halbherzigen Versprechungen.
Der Nachsprech im Hinblick einer Annexion der Krim verfehlt eine tiefgreifende rechtliche und politische Bewertung. Der Beitritt zu Russland erfolgte mit eigenständigen Referenden der Krim hinsichtlich der staatlichen Unabhängigkeit und dem Beitritt zu Russland. Hingegen ist eine Annexion ein einseitiger gewaltsamer Gebietsanspruch. Das Auftauchen von »grünen Männchen« auf der Krim ist eine Behelfsdarlegung, da ein Gewaltakt schwer nachweisbar ist.
Eine größere argumentative Kraft sollte das historische Erbe des Konfliktes erlangen und nicht die sprachliche Konstruktion des Konfliktes. Bei der wechselvollen Geschichte der Krim bleibt der mehrmalige Drang nach Unabhängigkeit von den Zentralmächten, die in der Folge oft aufgehoben wurde. Die Ereignisse in der jüngsten Vergangenheit erlauben eine Anlehnung zur Gesamtbeurteilung. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sprach sich bereits 1991 für eine Autonome Sozialistische Sowjetrepublik aus. In der Folge erlangte die Krim eigenständige Hoheitsrechte, einen Obersten Sowjet, eine Verfassung. Mit der allukrainischen Verfassung war dies zu keinem Zeitpunkt vereinbar. Zeitweise dominierte die Kommunistische Partei um Leonid Gratsch das politische Geschehen. Unabhängigkeitsbestrebungen blieben stets Teil der politischen Auseinandersetzungen. Im Spannungsbogen standen Anti-Nato-Proteste in der Vorbereitung des Manövers »Sea Breeze« 2006 und die Erklärung der Halbinsel zur »NATO-freien Zone«. Einige russischsprachige Initiativen begleiteten fortwährend die kulturelle und politische Landschaft. Die Krim stellte sich mehrheitlich gegen Nationalismus, Kleptokraten (Oligarchen) und gewaltsame Übergriffe.
Maßgebend ist jedoch die geopolitische Dimension. Das Skript hatte frühzeitig einen Auftraggeber. Die imperiale Geostrategie der USA formuliete Brzezinskis mit Vasallen, tributpflichtigen Barbarenvölkern, die sich nicht zusammenschließen dürfen. Auf dem Schachbrett der Geopolitik galt der Ukraine höchste Priorität beizumessen zur Abwendung einer geopolitischen Position Russlands. Als Dreh- und Angelpunkt in Europa ist die Ukraine Türmerin und nicht mondäne Dame.
Die Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU war Auslöser der Unruhen auf dem Majdan. Die EU beabsichtigte in Gefallsucht gegenüber den USA eine wirtschaftliche, politische und militärische Osterweiterung. Begründet weist Russland auf eine finanziell sowie organisatorisch initiierte Farbrevolution hin. Plausibel bestritten wird das nicht mehr, da die Akteure bekannt sind. Den Gleichsprech mit schäbiger Begleitmusik der Medien und tosendem Refrain bemerkte nicht nur Stephen Cohen, Professor für russische Studien an der New York University. Das verzerrte Bild gegenüber Russland führte zur heftigen anhaltenden Medienschelte in fast allen europäischen Ländern.
Sollten wir nicht die Unreife einer sozialistischen Theorie überwinden und im Gebrauch des eigenen Verstandes reger sein. Hier handelt es sich immer noch um eine unverdaute bürgerliche Definition des Selbstbestimmungsrechtes der Völker. Im Sinne der emanzipatorischen Entwicklung der Einzelnen, die zur Freiheit Aller führt, ist eine eigenständige Weiterentwicklung der Begriffsbestimmung erforderlich. Einhergehen sollten diese Überlegungen mit der bewegungsbestimmenden Dialektik der Einheit und des Gegensatzes von dem einzelnen gegenüber allen unter Ausschluss egoistischer einzelner Interessen. Hier kann Marx konkretisiert werden. Benötigen wir nicht multiplexe Sozialismen im Gleichgewicht der Völker?
Die Sowjetunion hatte das Selbstbestimmungsrecht der Völker als einziges Land in der Verfassung niedergeschrieben. Auch wenn dieses Recht erst beim Zerfall der Union zum Tragen kam und darauffolgend keine fortschrittliche Entwicklung der Länder zu erwarten war, jedoch eine sozialistische Idee erwartet einen fruchtbaren Disput nach Rosa Luxemburg und Lenin.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.03.2019.