Leserbrief zum Artikel Lernen: »Schulen und Unis werden zu Zertifizierungsdiscountern«
vom 02.03.2019:
Bildung im Sinkflug
Ich habe schon lange nicht mehr so einen »klasse« Artikel wie den von Hans Peter Klein in der jW vom Samstag gelesen. Als »diplomierter Großvater« schaue ich mir auch schon seit Jahren das Treiben der Kids und ihrer Eltern an. Da wird das Abi erzwungen, notfalls mit täglicher Nachhilfe in Mathe, Deutsch und Physik, auch auf die Gefahr hin, dass die Mutter zur Aufnahme eines 2. Jobs auf 450-Euro-Basis zur Zahlung der Nachhilfe gezwungen wird. Und ist dann das Abi mit »Ach und Krach« geschafft, dann fehlt es an einer Perspektive, weil Mutter und Vater, Oma und Opa, Tante und Onkel, vielleicht noch ein befreundeter Lehrer, die Agentur für Arbeit, die Schule mit ihrer Schmalspurberatung u. v. a. ihre unmaßgeblichen Kommentar im Hinblick auf die Zukunft des Nachwuchses abgeben. Dann geht’s halt alternativ zur Uni (damit Mutti in der Bäckerei sagen kann: »Mein Sohn studiert ...«), und dort werden Studiengänge wie freie Kunst, ostasiatische Wirtschaft, digitale Linguistik und, wenn alles nicht hilft, Religion und Sport, belegt. Alles Studiengänge, die »die Welt« nicht braucht. »Studium generale?« Kostet nur Zeit und bringt keinen Zusatznutzen. Nach einem durchwachsenen Bachelor und einem »gerade noch« Master kommt dann der Job als Pizzabäcker, Taxifahrer oder freiberuflicher Projekt- oder Eventmanager. Sagt man dazu, dass es alternativ auch noch zur Persönlichkeitsentwicklung ein freiwilliges soziales Jahr (FJS), eine vorgeschaltete Lehre als Schreiner, aufbauend ein Studium der Pädagogik als Berufschullehrer, ein duales oder ein berufsintergriertes Studium (BIS), geben könnte, läuft man Gefahr, aus der Familie ausgegrenzt zu werden und das nächste Weihnachtsfest alleine unterm Tannenbaum zu verbringen. Gut, dass man die »Gnade der frühen Geburt« hat und den Niedergang von Forschung und Lehre nicht mehr erleben muss ...