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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Fußball: »So schnell geht’s nicht« vom 07.01.2019:

Abseits jeder Norm

Wann werden endlich auch ehemalige hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des MfS in unserem Rechtsstaat nicht als vermeintliche »Dauerstraftäter«, sondern als gleichberechtigte Bürger des Landes behandelt? Obwohl sich die Mitarbeiter des MfS wie auch andere Bürger für den Erhalt der DDR eingesetzt hatten, ohne dabei gegen geltendes Recht zu verstoßen, und sie nach 1990 nachgewiesenermaßen ihren Verpflichtungen nachgekommen sind, werden sie immer wieder und immer noch gesellschaftlich ausgegrenzt. Geltendes Recht schreibt dagegen gemäß Paragraph 78 Abs. 1/3 StGB vor, dass die Verjährungsfrist der Verfolgung bei außerordentlich schweren Straftaten, »die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bis zu zehn Jahren bedroht sind«, auch bereits nach zehn Jahren endet. Selbst wenn allein schon die Zugehörigkeit zum MfS nach jetzt geltendem Recht entgegen allen Rechtstaatsprinzipien als »Straftat« gelten würde, wäre die Verjährungsfrist für die Betroffenen bereits lange abgelaufen. In dem gegebenen »Fall Schädlich« wie in vorausgegangenen ähnlichen Fällen zeigen sich aber immer wieder Praktiken und Haltungen, die mit Prinzipien eines Rechtsstaates völlig unvereinbar sind. Ginge es nach dem Verständnis einiger Lokalpolitiker, soll die ehemalige Zugehörigkeit zum MfS offenbar als lebenslanger »Dauerstraftatbestand« gelten. Oder geht es ihnen doch nur darum, ihre politische Unbedenklichkeit und untadelige Staatstreue höheren Orts anzuzeigen? Wie auch immer. Für gewisse Kreise scheinen im Umgang mit ehemaligen Mitarbeitern des MfS alle Normen der Rechtssicherheit, der Gerechtigkeit und der Angemessenheit keinerlei Bedeutung zu haben. Auch die Tatsache, dass im vorliegenden Fall eine Art »Kollektivstrafe« praktiziert würde, bleibt offenbar völlig außer Betracht.
Dr. jur. Heinz Günther
Veröffentlicht in der jungen Welt am 08.01.2019.