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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel KPD-Gründung: Die radikale Partei vom 31.12.2018:

Keine anderen Herren

Wenn es denn wirklich so sein sollte, wie es z. B. im Weserkurier stand, dass die Bevölkerung Deutschlands, Europas und anderer Teile der Welt begriffen hat, dass mit der traditionellen politischen Klasse zwar ein militanter Staat nach innen und außen zu machen ist, jedoch weder eine richtige Demokratie noch ein anständiges Gemeinwesen möglich ist, dann sollte sie die günstige Gelegenheit (z. B. Wahl- und anderer Boykott!) ergreifen, diese schnellstens davonjagen. Zu dieser Fehlorientierung unserer politischen Klasse dürften mangels demokratischer Leitbilder die historische Tradition staatlichen Machtgebrauchs, auf die sich unsere politischen Klassen stützen, und von traditioneller Heldenverehrung der »großen Männer (und nun auch Frauen?) in der Geschichte« geförderter persönlicher Ehrgeiz nicht unerheblich beigetragen haben. Bei einem solchen Machtwechsel sollte man sich an den Grundsatz halten, den Bertolt Brecht in seinem »Lied vom Wasserrad« aufgestellt hat:

»Ach, wir hatten viele Herren,
hatten Tiger und Hyänen,
hatten Adler, hatten Schweine
doch wir nährten den und jenen.
Ob sie besser waren oder schlimmer:
Ach, der Stiefel glich dem Stiefel immer
und uns trat er.

Ihr versteht: Ich meine,
dass wir keine andern Herren brauchen, sondern keine!«

Erst wenn wir die Macht selbst in die Hände nehmen und gegen Missbrauch weitgehend sichern, wie es etwa in der Pariser Kommune versucht worden ist, können wir hoffen, dass eine Welt nach unseren Vorstellungen und nicht immer wieder nach den Ambitionen der historischen politischen Klassen und den Wünschen des Kapitals geschaffen wird. Dabei wird es eine wichtige Rolle spielen, ob endlich die Bedürfnisse der Menschen insgesamt zum Maßstab einer »demokratischen und sozialen« (Art. 20.2 GG) Politik gemacht werden oder ob dabei weiterhin allein das »Gewissen« (Art. 138 GG) des einzelnen Abgeordneten zählt, das allzuleicht den Versuchungen von Macht, Ansehen, Weltgeltung und des Geldes zum Opfer fällt.
Ludwig Schönenbach