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Leserbrief zum Artikel Gedenken in Frankreich: Wie Kriege gefeiert werden vom 10.11.2018:

Skandalöses Gedenken

Die Botschaft der Veranstaltung von Macron zum internationalen Gipfeltreffen in Paris am 11. November 2018 war bereits im Vorfeld der Feier klar: Das, was wir, die Vertreter der neoliberalen Elite der Welt, einmal beschlossen haben, Völkerrecht und Geschichte irrelevant, muss hingenommen werden. So ließ der große Organisator noch in den Tagen vor der Feier die Fahnen der Teilnehmerstaaten des Ersten Weltkriegs in der Kathedrale Notre Dame aushängen. Unter ihnen war auch die Fahne der 2008 selbsternannten Republik Kosovo, die als Staat bis heute nicht von allen UN-Mitgliedern anerkannt wird. Diese serbische Provinz war zur Zeit des Ersten Weltkriegs nicht einmal als Gebiet mit bestimmten Grenzen definiert, und die dortigen albanischen Milizen sind in die Geschichte als Mörder der serbischen Widerstandskämpfer eingegangen, die sich vor der Invasion Österreich-Ungarns und Deutschlands im Jahr 1916 nach Albanien und Griechenland zurückziehen wollten.
Damit wollte Macron unter anderem seine Drohung mit Sanktionen an die Staaten in Erinnerung bringen, die sich in der letzten Zeit getraut haben, gegen den Druck des Westens ihre bereits erteilte Anerkennung des Kosovo als eigenen Staates zurückzunehmen. Bei der großen Gedächtnisfeier am 11. November zeigte Macron unmissverständlich, dass er seine Schützlinge im Kosovo gebührlich unterstützt: Er setzte den sogenannten Präsidenten des Kosovo, Hasim Taci (von Interpol vor nicht langer Zeit als Verbrecher gesucht, wegen Mordes, Organhandels und Mafiageschäften), bei der Feier ganz nach vorn, gleich hinter Wladimir Putin, Angela Merkel und Donald Trump, während er Alexander Vucic, den Präsidenten Serbiens, weit hinten unter »Ferner liefen« auf der Tribüne plazierte – des Land, das im Ersten Weltkrieg ein Drittel seiner Bevölkerung verlor, dessen Armee 1918 durch seinen Vorstoß von Griechenland aus in Richtung Belgrad die Front des deutsch-bulgarischen Heeres durchbrach, womit auch die Versorgung der deutschen Armee in der Ukraine abgeschnitten und das Ende des Ersten Weltkriegs beschleunigt wurde.
Eine entsprechende Kritik des Figaro angesichts dieses Skandals und die zahlreichen Entschuldigungsbriefe der Nachkommen der französischen Soldaten und Generäle aus dem Ersten Weltkrieg an die serbische Botschaft in Paris in den letzten Tagen beweisen glücklicherweise, dass Frankreich trotz der Politik Macrons noch lebt.
Olivera Götz
Veröffentlicht in der jungen Welt am 20.11.2018.