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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Amtliche Zahlen zur Armut: Jeder fünfte ist arm vom 01.11.2018:

Zu viele falsche Linke

Es ist absonderlich. Jeder fünfte in Deutschland ist arm … und die Politik rüstet auf, beteiligt sich an der Feindbildgenese … Wie das alle Regierungen machen, die von ihrer eigentlichen Unfähigkeit ablenken wollen. Das Problem ist freilich: Die Politik dahingehend zu kritisieren ist meiner Meinung nach gar nicht so leicht, weil es die falschen Leute mit den falschen Schlüssen auf den Plan ruft: die Rechten/AfDler ... Glücklicherweise gewinnen die Grünen scheinbar mehr als die Rechten aus dieser Diskrepanz, wobei ich deren mitunter rechte Haltung gegenüber Russland gar nicht gut heiße. Einzige Hoffnung: Es gibt auch da mäßigende Kräfte. Zumindest was die Rüstung angeht, gibt es ein zartes Pflänzchen, welches an alte Tage erinnert. Aber: Wenn sie in Regierungsverantwortung kommen sollten, dann werden sich die »Realos« (wie in unserem Land Rechte genannt werden, die sich in eher progressiven Parteien aufhalten) schon durchsetzen ... Aber gut. Man sollte das zarte Pflänzchen der Vernunft auch nicht stören.
Jedenfalls ist mir dieser Tage folgendes durch den Kopf gegangen (und mir gefällt nicht, dass die SPD ihr eigenes Grab schaufelt): Die SPD will ja nun auch die Aufrüstung mittragen und entsprechend Gelder freigeben. 1914? Kriegskredite? War da was?
Wie kann man eine Politik so zur Vernunft zwingen oder wenigstens bringen (denn offenbar sieht die SPD nicht einmal diesen Zusammenhang von Armut und Prekarisierung auf der einen und martialisch militärischer Hochrüstung auf der anderen Seite), und das so, dass sie sich dabei – wegen abspringender Wähler (hin zu AfD und Co.) – nicht vollends selber zerlegt?
Das ist die Crux dieser Tage. Die Partei die Linke stellt zwar die ein oder andere intelligente Kleine Anfrage, kann daraus aber keinen politischen Profit generieren, vielleicht auch wegen des Personals? Wagenknechts Einsatz zum Schutze des (deutschen!) Arbeitnehmers gegen böse uns überrennende Flüchtlinge muss manch einen sich fragen lassen, ob er dann nicht doch das Original wählt oder mangels echter linker Alternativen gleich ganz zu Hause bleibt ...
Der Kurs geht eher stark nach rechts. Bei der Stärke der Grünen zeigt sich, dass es im Volk durchaus progressive Kräfte gibt, die eine andere, wirklich bessere Politik wollen. Aber das heißt noch lange nicht, dass am Ende diese progressiven Kräfte auch das Zepter behalten werden. Wie gesagt: Wahltag ist Zahltag. Am Ende werden doch wieder die rechten Idioten obsiegen … fürchte ich.
Wie soll linke außerparlamentarische Opposition noch funktionieren einerseits bei so vielen falschen Linken, die dann doch eher rechts stehen (die unter »links« vor allem die Gerechtigkeit ihnen selbst gegenüber verstehen, als dass sie das große Ganze betrachten, auch Egoismus genannt) und einer insgesamt sich nach rechts bewegenden Politik, die auf Konflikte aus ist und nicht auf deren Lösung, z. B. gegenüber Russland. Irgendwie – so scheint es mir – hat man nur die Wahl zwischen zwei rechten Strömungen. Die einen vergöttern ihren imperialen (durchaus faschistischen) »Führer« (!) aus Übersee und keilen gegen jedes aktuelle Feindbild (z. B. der böse Assad oder – der geht immer – Putin/Russland) und die anderen Rechten auf der Straße, die gegen Flüchtlinge hetzen (aus den gleichen faschistischen USA unterstützt; hab’ ich Facebook, d. h. Zuckerberg und die CIA, gesagt? Nein. Hab ich nicht).
Und es ist ja eine internationale Entwicklung ... Bolsonaro (oder wie der brasilianische Psychopath und Faschist auch immer heißen mag) ist ja auch nicht (…) vom Himmel gefallen. (…)
Richard Altpaß
Veröffentlicht in der jungen Welt am 01.11.2018.