Leserbrief zum Artikel Wahl in Bayern: Monarchie wird konstitutionell
vom 15.10.2018:
Wählen, wählen, wählen
(…) Ob Grüne oder AfD, diese Demokratie lässt den Herrschenden, nicht nur den gerade Regierenden allein, Spielraum und Einfluss, den Volkswillen in genehme und erwünschte Machtverhältnisse zu lenken bzw. in ihnen zu halten. Die gelobte Demokratie sorgt weitestgehend zuverlässig für den Erhalt der bestehenden Machtverhältnisse. Sie setzt weniger auf politischen Verstand der Wähler, um so mehr auf geweckte Gefühle und Stimmungen durch ihre Monarchen und »Demokraten«. Oder geht es um etwas anderes als Macht? Liegt das nicht offen vor uns? Ein »Weiter so« will das Volk nicht. Dafür hat es Gespür, weniger für das wie und wohin. Hunderttausende in Berlin samt Heuchlern und Mitverantwortlichen, viele in München, Hamburg und anderswo signalisieren etwas. Herrschende »Demokraten« scheint es nicht zu interessieren. Für den Fall der Fälle, dem wir näherzukommen scheinen, auch dafür ist gesorgt und wird gefunden, was machtstabilisierend ist. Das kann sogar Grün sein, wenn es sich als geeignet im Verständnis der Macht zeigt. Das wird die AfD sein, wenn heutigen Machteliten die Zeit gekommen scheint. Wer kann daran zweifeln. In Bayern noch nicht zwingend. Der Vormarsch im Lande ist dennoch unaufhaltsam, jederzeit bei Fuß für Machtstabilisierung. Volksparteien geben ihre Fähigkeit dazu mehr und mehr ab, scheinen, willen- und ideenlos von purem Machterhalt getrieben, den Dingen ihren Lauf zu lassen, d. h. anderen den Weg zu ebnen. Das übliche Demokratietheater, die Show vollkommener Demokratie des Volkes mit Überraschungseffekten sollte darüber nicht hinwegtäuschen. Welche Köpfe nun rollen sollen, hervorkommen usw. ist eher uninteressant, aber bewegt den Klatsch und Tratsch, ändert an den Machtverhältnissen, an der Politik nichts grundsätzlich. Wir wählen, wählen und wählen und glauben, das sei Demokratie. Man lässt uns gern in dem Glauben. (…)
Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.10.2018.