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Leserbrief zum Artikel Digitalisierung: Fluch oder Segen: »Keine Option mehr« vom 05.10.2018:

Expropriation der Expropriateure

Laura Meschede ist eine junge Autorin, die am 27. September 2018 vor einem »erlauchten Gremium« die Auszeichnung für ihre Reportage »Die Mensch-Maschine« mit dem »Helmut-Schmidt-Journalistenpreis« abgelehnt hat. Dieser Vorgang ist wohl der großen Presse nicht zuzumuten gewesen, besonders ausgewertet zu werden.
Dass diese »Vernachlässigung« einen besonderen Grund hat, ergibt sich aus dem Inhalt ihrer Rede. Indirekt geht es der Autorin um das Verhältnis Ausbeuter und Ausgebeutete im digitalen Zeitalter Sie spricht dieses Verhältnis nicht an, aber jedem Leser, dessen graue Zellen noch nicht vom grauen Geschwafel über Freiheit und Demokratie und den anderen schönen Dingen der westlichen Welt ganz vernebelt sind, versteht den Sinn ihrer Ausführungen. Sie will eine »vernünftige Welt« in der Zukunft und sagt: »In einer vernünftigen Welt wäre die Digitalisierung ein Grund zum Feiern. Aber wir leben nicht in einer vernünftigen Welt. Ich habe Freunde, die haben mehrere Jobs gleichzeitig, die arbeiten an manchen Tagen mehr als 14 Stunden. Und ich habe Freunde, die sind arbeitslos. Sie rennen alle paar Tage zum Arbeitsamt, um neue unsinnige Beschäftigung verschrieben zu bekommen, die keinem Menschen etwas bringt. Das ist die Situation, wie sie jetzt ist, und kein Mensch kann wollen, dass die Situation so bleibt.«
Aber hier irrt sich unsere Autorin gewaltig. Aktiv will diesen Zustand ein winzig kleines Häufchen der Erdbewohner. Es mögen weniger als ein Prozent sein. Aber sie beherrschen über ihre dienstbaren Geister in Parteien und Regierungen alle notwendigen Machtmittel, um der Masse immer wieder klarzumachen, wer hier auf diesem Globus das Sagen hat. Dabei bedarf es doch nur einer Maßnahme, die Marx, Engels und andere Vorkämpfer bereits vor 150 Jahren vorgezeichnet haben und mit der Formel Expropriation der Expropriateure oder – deutsch – Ausbeutung der Ausbeuter der Masse in die Hände gegeben haben. Von Lenin und seinem Genossen wurde es vor 100 Jahren erstmalig verwirklicht. Seit etwa 70 Jahren wurden auf der Hälfte der Fläche dieses Globusses die Ausbeuter ausgebeutet. Aber – die Zeit war noch nicht reif; denn nach einer Probezeit von etwa 50 Jahren sitzen die Ausbeuter wieder auf ihren Stühlen und betreiben ihre Geschäfte wieder wie früher – nur mit wesentlich verfeinerten Methoden der Ausbeutung.
Dr. agr. Günther Freudenberg
Veröffentlicht in der jungen Welt am 09.10.2018.