Leserbrief zum Artikel Späte Gerechtigkeit: Späte Entschuldigung
vom 17.09.2018:
Eine Kehrseite der Republik
Die Entschuldigung Macrons machte Schlagzeilen. Es war sicherlich ein Akt politischen Mutes, aber das Bedauern des Präsidenten ersetzt kaum die Verantwortung für die lange zurückliegenden Fakten. Nur ein Teil der Verantwortung für die Kriegsszenarien wurde aufgedeckt, viele Schattenzonen bleiben. Das soll jedoch die Geste des Präsidenten nicht schmälern, zu der sich seine Vorgänger nicht in der Lage sahen. Wer waren die damaligen Verantwortlichen, die die »Spezialvollmachten« dekretiert hatten, so dass die Verbrechen offiziell gedeckt waren?
Die Regierung Mollet hatte im März 1956 dieses Recht durch Abstimmung in der Nationalversammlung erhalten, um die »Ordnung« wiederherzustellen. Auch die Kommunisten stimmten zu, weil ihnen vorher zugesichert worden war, dass dadurch der Friedensprozess in Algerien eingeleitet werden sollte. (Nach Henri Alleg in »Mémoire algérienne«)
Guy Mollet, der Verteidigungsminister Bourgès, Justizminister Mittérand und der Generalgouverneur von Algerien, Lacoste, unterschrieben danach die konkreten Anweisungen zur Anwendung der Militärjustiz in Algerien, die Armee bekam alle Vollmachten. Zusätzlich wurden 250.000 Wehrpflichtige nach Algerien entsandt.
Wie Maurice Audin wurden während der 132 Jahre dauernden Besetzung des Landes von 1830 bis 1962 auch tausende Algerier ermordet. Dem Besuch Präsident Macrons bei Josette Audin ging ein langer Kampf der Witwe und ihrer Anwältin voraus, die Verbrechen des Krieges endlich anzuerkennen. Die politisch und militärisch Verantwortlichen sind schon lange in ihren Betten gestorben, ihr Sarg begleitet von der Ehrenlegion. Der Präsident geht kein Risiko ein, indem er heute die Fakten anklagt. Vielleicht trägt aber dieser Schritt zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte bei, denn viele Franzosen glauben auch heute noch, Frankreich hätte seinen Kolonien vor allem die Werte der Republik überbracht.
Die Regierung Mollet hatte im März 1956 dieses Recht durch Abstimmung in der Nationalversammlung erhalten, um die »Ordnung« wiederherzustellen. Auch die Kommunisten stimmten zu, weil ihnen vorher zugesichert worden war, dass dadurch der Friedensprozess in Algerien eingeleitet werden sollte. (Nach Henri Alleg in »Mémoire algérienne«)
Guy Mollet, der Verteidigungsminister Bourgès, Justizminister Mittérand und der Generalgouverneur von Algerien, Lacoste, unterschrieben danach die konkreten Anweisungen zur Anwendung der Militärjustiz in Algerien, die Armee bekam alle Vollmachten. Zusätzlich wurden 250.000 Wehrpflichtige nach Algerien entsandt.
Wie Maurice Audin wurden während der 132 Jahre dauernden Besetzung des Landes von 1830 bis 1962 auch tausende Algerier ermordet. Dem Besuch Präsident Macrons bei Josette Audin ging ein langer Kampf der Witwe und ihrer Anwältin voraus, die Verbrechen des Krieges endlich anzuerkennen. Die politisch und militärisch Verantwortlichen sind schon lange in ihren Betten gestorben, ihr Sarg begleitet von der Ehrenlegion. Der Präsident geht kein Risiko ein, indem er heute die Fakten anklagt. Vielleicht trägt aber dieser Schritt zur Aufarbeitung der Kolonialgeschichte bei, denn viele Franzosen glauben auch heute noch, Frankreich hätte seinen Kolonien vor allem die Werte der Republik überbracht.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 22.09.2018.