Leserbrief zum Artikel Österreichs Gewerkschaften: Ein Schoßhund namens ÖGB
vom 01.09.2018:
Wie einst der DGB
Das Verhalten des ÖGB ähnelt demjenigen des DGB zu Planungszeiten der »Agenda 2010« in Deutschland: Alle »Reformen« werden letztendlich von den Gewerkschaftsoberen gegen die Stimmen der Gewerkschaftsbasis mitgetragen, wovon kleinere öffentliche Protestveranstaltungen lediglich medienwirksam ablenken sollen, um kurzfristige starke Mitgliederverluste zu verhindern. Dass die DGB-Gewerkschaften dafür in den Folgejahren – bis heute anhaltend – langfristige Mitgliederverluste hinnehmen mussten bzw. müssen, scheint dem ÖGB entgangen zu sein. Schuld an vermehrt niedrigen Löhnen und schlechten Arbeitsbedingungen sind ursächlich nicht die Migranten, sondern eine abnehmende Tarifbindung der Unternehmen in Verbindung mit einem sinkenden bzw. branchenabhängig auch schon früher unzureichenden gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Arbeitnehmer in den Betrieben. Auch diesbezüglich kann der ÖGB von Deutschland viel lernen – denn in Deutschland gilt heutzutage durchschnittlich nur noch für ca. jeden zweiten Arbeitnehmer ein Tarifvertrag, Mitte der 1990er Jahre galt dies noch für ca. drei von vier Arbeitnehmern. Was neben den im Rahmen der »Agenda 2010« erfolgten Kürzungen staatlicher Sozialleistungen nicht nur für Erwerbslose ebenfalls ursächlich mit dazu beigetragen hat, dass Deutschland schon seit Jahren den international »zweitbesten« Niedriglohnsektor hinter den USA und einen dadurch bedingten überhöhten Außenhandelsüberschuss hat, der für das wirtschaftlich-soziale Ungleichgewicht innerhalb der EU maßgeblich mit ursächlich ist. Eine Nachahmung des »Modells Deutschland« – wie von Frau Merkel und Co. für »finanzschwache« EU-Staaten stets angeordnet – bewirkt deshalb letztendlich nur eine weitere wirtschaftlich-soziale Negativspirale nach unten zu Lasten aller EU-Mitgliedsstaaten bzw. deren Bürgern. Statt dessen ist EU-weiter gewerkschaftlicher Widerstand gegen Frau Merkel und Co. gefragt, worüber sich der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) bis heute ausschweigt.