Leserbrief zum Artikel Kommentar: Mutmaßlich dubios
vom 07.08.2018:
Erinnerung an Prager Frühling
Wir nähern uns dem 50. Jahrestag des Prager Frühlings von 1968, wo es mutmaßlich um eine Reform des Sozialismus zu einem mit menschlichem Antlitz ging. Das wollten die Paktstaaten der CSSR angeblich verhindern und rückten nach vergeblichen Umstimmungsversuchen letztlich militärisch ein; schlugen also die Reformbewegung mit Gewalt nieder. Darüber war und ist der Westen empört, denn er war ja auch für einen solchen Sozialismus. Auf einmal! Sonst will er doch gar keinen Sozialismus! Um klar zu sehen, wer was und warum wollte, sei eine Äußerung von Ota Sik, ehemals stellvertretender Ministerpräsident, angeführt, die der später als politischer Asylant in den USA von sich gab: »Wir, der Kern der Reformer, hatten nicht vor, den Kommunismus zu reformieren. Unser Ziel war, ihn abzuschaffen und ein neues System aufzubauen. Wir konnten nicht öffentlich von der Notwendigkeit großer privater Untersuchungen sprechen. Heute ist das anders, heute ist es ein direkter Übergang zur kapitalistischen Marktwirtschaft. Der Begriff Reform war ein Zugeständnis an die Machtverhältnisse. Der Reformkommunismus war nicht die Lösung, aber der weg zu ihr. Damit war der Nebel gelegt, um die eigentliche Intention zu verschleiern.«
Veröffentlicht in der jungen Welt am 08.08.2018.