Leserbrief zum Artikel Politische Ökonomie: Gemeinsamer Feind
vom 20.07.2018:
Marktwirtschaft und Sozialismus
Unterschied Nummer eins (und wohl der wichtigste) ist, dass Chinas KP, die zweifellos an der Macht ist und die Macht auch gestaltet, die Menschen, speziell das chinesische Volk als Hauptadressaten ihrer Politik ansieht. Der ständig steigende Lebensstandard, die Beseitigung der Reste von Armut und die soziale Absicherung sind zweifellos die Hauptziele der chinesischen Politik und Motiv für eine sich dynamisch entwickelnde Wirtschaft, speziell der Binnenmarktexpansion.
Unterschied Nummer zwei ist auch extrem wichtig. Der Staat übt über das Finanzkapital eine nachhaltige Kontrolle aus. Die vier größten Banken Chinas und der Welt sind Eigentum des sozialistischen Staates. Das gleiche gilt für die Versicherungen und anderen großen Finanzinstitute.
Der Staat hat die finanzielle Oberhoheit und gestaltet die Finanzsphäre (auch die Börsen). Bei uns in Deutschland sieht das wohl markant anders aus.
Es gibt eine starke Präsenz des staatlichen Sektors im Produktivbereich. Auch in privaten Konzernen (selbst in ausländischen Konzernen, die hier stark vertreten sind) ist die Kommunistische Partei nicht nur auf dem Papier präsent. Man braucht die »Kampfgruppen der Arbeiterklasse« nicht. Der Arm des sozialistischen Staates ist auch so stark genug!
Die Machtfrage in der Wirtschaft ist hier in China geklärt. Man hat so auch keine Probleme mit der Marktwirtschaft, die für den sowjetischen Sozialismus so typisch waren und einer der Gründe für dessen Niedergang waren. Hauptgrund war aber die Ratlosigkeit angesichts der Prozesse in den 80er und 90er Jahren. Man war mit dem Latein am Ende. Es fehlte ein kritische und kreative Intelligenz in der Führung.
Kommentar jW:
Zu diesem Leserbrief erreichte uns folgender Kommentar:
Weil der emsige Leserbriefschreiber Lippmann ein strenggläubiger Marktwirtschaftsfan ist, fällt er bei seinem Bekenntnis zum Marktwirtschaftssozialismus hinter die Erkenntnisse der chinesischen KP zurück. Die chinesischen Kommunisten nämlich betrachten das Marktwirtschaftssystem lediglich als Hilfsmittel, das die Produktivkräfte derart entwickeln soll, dass irgendwann zur sozialistischen Planwirtschaft übergegangen werden kann. Achim Lippmann hingegen ist von der Effizienz des Marktwirtschaftssystems anscheinend so geblendet, dass er sich einen Sozialismus ohne Marktwirtschaft nicht einmal vorzustellen vermag. Leider ignoriert er vor lauter Begeisterung, dass der Zweck eines jeden Marktwirtschaftssystems der betriebliche Gewinn ist, der mittels Vernutzung von Lohnarbeiterinnen respektive Lohnarbeitern als variables Kapital generiert wird. Infolgedessen ist ein gutes Leben für alle Gesellschaftsmitglieder nur jenseits von Marktwirtschaft und Lohnarbeit möglich, was unser Liebhaber des Marktsozialismus sich von chinesischen Kommunisten erläutern lassen könnte.
Franz Anger, per E-Mail