Leserbrief zum Artikel Zweiter Weltkrieg: Die große Frage
vom 12.05.2018:
Starke UdSSR
Sicher ein informativer und angebrachter Beitrag. Er weist zunächst einen großen Mangel auf. Es fehlen die zur Thematik erforderlichen und zu erwartenden Quellen (ausgenommen Maiski) zu den Zitierungen. Da gibt es doch zum Beispiel die Dimitroff-Tagebücher. Handelte die Sowjetunion, wie der Autor meint, wirklich »aus dem engen Blickwinkel des (ihres) außenpolitischen Interesses«? Dazu müsste die Frage gehören: Gab es einen anderen Weg? Und auch die Einschätzung, der Beschluss sei »kontraproduktiv« gewesen, müsste wohl etwas differenzierter betrachtet werden. Ohne diesen Auflösungsbeschluss wären zum Beispiel in Italien der Sturz Mussolinis in einer Palastrevolte der herrschenden Kreise, der Übergang mit der Kriegserklärung an Hitlerdeutschland auf die Seite der Antihitlerkoalition (Juli–Oktober 1943) und die Bildung einer antifaschistischen Einheitsregierung unter Einschluss der Kommunisten und Sozialisten (Togliattis »Wende von Salerno«) April 1944 unmöglich gewesen. Wenn es schließlich heißt, Stalin habe »die Position der Sowjetunion gegenüber Großbritannien und den USA für so schwach (gehalten), dass er nach jedem Strohhalm griff, der eine abermalige internationale Isolation des Landes weniger wahrscheinlich zu machen schien«, scheint auch das vier Monate nach Stalingrad an der Realität vorbeizugehen. Das internationale Ansehen der UdSSR war ungeheuer gewachsen, in den USA war die Frage, wer gewinne, Hitlerdeutschland oder die Sowjetunion, zugunsten Stalins entschieden. Das spiegelt auch der Briefwechsel Stalins mit Churchill und Roosevelt nach Stalingrad (siehe Briefwechsel Stalins mit Churchill, Attlee, Roosevelt und Truman 1941–1945, Berlin/Ost 1961) wider. Wenn auch die Roosevelt entgegenstehenden Kräfte weiterhin versuchten, die UdSSR in der gewaltigen Auseinandersetzung mit Hitlerdeutschland mit allen Mitteln, einschließlich der Verzögerung der Eröffnung der zweiten Front, zu schwächen.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 14.05.2018.