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Leserbrief zum Artikel Aus Leserbriefen an die Redaktion vom 03.03.2018:

Späte Einsicht

Am 9. März dieses Jahres jährt sich zum 75. Mal der Tag, an dem aus der Wittgensteiner Kreisstadt Berleburg 134 Nachfahren von Sinti-Familien nach Auschwitz deportiert wurden, die etwa 200 Jahre zuvor sich in der Region niedergelassen hatten. Sie fielen unter die Ausnahmebestimmungen des Auschwitz-Erlasses, was die Akteure nicht weiter interessierte. Sie wollten »eine möglichst große Zahl« von Deportierten. Die meisten Opfer waren Kinder. 1948/49 kam es zu einem Strafprozess und zu einer kleinen Volksbewegung, die für die Täter nicht etwa milde Strafen, sondern Freispruch einforderte. Mit an der Spitze der Bewegung: die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Berleburg und deren Presbyterium, das »einen Schlussstrich unter die Vergangenheit« verlangte. Eine Übertreibung der besonders bilderstürmerischen Kirchenfraktion? Keineswegs. Ein exemplarischer Fall für die evangelische Kirche insgesamt, wie sich der Literatur oder etwa auch der Ausstellung »Neue Anfänge nach 1945?« der Nordkirche der Evangelisch-Lutherischen Kirche entnehmen lässt. Demnach gewährte »gleich nach Kriegsende« – gemeint ist das Ende des NS-Regimes – »die evangelische Kirche vielen belasteten Nationalsozialisten Vergebung. Ihre Fürsorge galt den kriegsgefangenen Soldaten und Internierten, fast ausschließlich inhaftierte nationalsozialistische Funktionäre, Angehörige der SS, des Sicherheitsdienstes, der Gestapo sowie mutmaßliche Kriegsverbrecher. Die Kirchenleitungen reichten Gnadengesuche ein. Sie beharrten auf der Unschuldsvermutung und sprachen von ›angeblichen‹ oder ›sogenannten Kriegsverbrechern‹. (…) Für die Überlebenden der Massenmorde und der Lager hingegen wurden keine ›seelsorgerischen Handreichungen‹ verschickt.« Schön, dass man zu Einsichten kommt, hat aber gedauert. Die Ausstellung entstand drei Generationen nach den Ereignissen. Interessant wäre noch der Vergleich zwischen dem westlichen und dem östlichen kirchlichen Norden in den Nach-NS-Jahrzehnten.
Dr. Ulrich F. Opfermann
Veröffentlicht in der jungen Welt am 09.03.2018.
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