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Leserbrief zum Artikel Novemberrevolution: Verpasster Frühling vom 05.03.2018:

Revolution abgewürgt

Weder »verpasst« noch »verpatzt« – einfach »abgewürgt« ist diese Revolution worden. »Abgewürgt«, weil man sie hasste »wie die Pest«. In der Führung der MSPD. Die war darin konsequent – bis zum Anheuern der Faschisten für die blutige »Arbeit«. Bei der Wahl zwischen Barbarei und Sozialismus setzten Ebert, Scheidemann und Co. auf die Barbarei. Die sie als »ideale Demokratie« sahen. Die »Vorwürfe« an »die« SPD-Führer in Gietingers Beitrag sind also m. E. nur bedingt berechtigt. Jene waren »nur konsequent«. Aber diese Partei hieß damals meist MSPD – »Mehrheits-Sozialdemokratische Partei« – tja, warum? In Gietingers Text wird wieder mal gar nichts über die Spaltung der SPD, die USPD und die vielleicht zu späte Ablösung des Spartakusbundes und der »Bremer Linken« von dieser unentschlossenen »mittleren« Linkspartei gesagt. Dabei ging die abgespaltene Linke im »Rat der Volksbeauftragten« – quasi dem obersten Gremium der Revolution – zunächst eine paritätische Partnerschaft mit der MSPD ein, machte aber nichts daraus. Obwohl sie die revolutionären Obleute führte, auch die roten Matrosen, und viele Arbeiter- und Soldatenräte dominierte. Die Räte legten dann »freiwillig« jede Macht, die sie vielleicht noch hatten, selbst noch angesichts des geordneten Einzugs der konterrevolutionären und z. T. schon »präfaschistischen« Gardetruppen in Berlin und anderen Städten, in die Hände des monarchistischen und bürgerlichen Apparats (und damit der Militärs). Der dann alles den Wahlen zur Nationalversammlung überließ. Wahlen fast wie 1933, unter dem Eindruck des weißen Terrors. Das Kräfteverhältnis war eben schon gekippt (worden) – die Bourgeoisie hatte aus dem revolutionären Prozess in Russland Schlussfolgerungen gezogen. Die Arbeiterbewegung nicht – die hing ihren Illusionen über die »Einheit aller Sozialisten« nach. Tja: »Der schlimmste Feind ...« (siehe das Gedicht von Tucholsky für Ernst Toller auf textlog.de/tucholsky-schlimmste-feind.html)
Volker Wirth
Veröffentlicht in der jungen Welt am 08.03.2018.