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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Oktoberrevolution: Gegen die Weißen vom 23.02.2018:

Falsche Parteinahme

In der politischen Arbeit sind die Hintergrundbeiträge in der jW eine wichtige Unterstützung. So auch die zur Roten Armee, die seit ihrer Gründung aus nachvollziehbaren Gründen den Hass der Bourgeoisie auf sich gezogen hat. So liefern deren Historiker eine Fülle von Betrachtungen, die sich aus der schweren und opferreichen Geschichte dieser ersten sozialistischen Streitkräfte Punkte aussuchen, die ihnen geeignet erscheinen, diese und ihren Kampf zu diskreditieren. Dabei wird natürlich nach Kräften vereinfacht, entstellt und weggelassen. (Die aktuellen Berichterstattungen zu den militärischen Aktionen der russischen Armee in Syrien folgt aus den gleichen Gründen diesem Muster.) Das ist von ihrem Standpunkt nicht anders zu erwarten. Umso wichtiger ist es, in marxistischen Publikationen bei der Darlegung des »Gegenstandpunktes« nicht ebenfalls derart zu vereinfachen, dass die geschichtliche Wahrheit auf der Strecke bleibt, denn sie ist wichtig nicht für irgendeine theoretische Abhandlung, sondern als unsere scharfe Waffe in der geistigen Auseinandersetzung. So liest sich der Beitrag von Nick Brauns zum 100. Geburtstag der Roten Armee über weite Strecken wie ein Nachruf auf Leo Trotzki mit der Maßgabe: »über Tote nichts Schlechtes«. Die tragischen Fehler und Niederlagen haben die anderen zu verantworten, die Erfolge und Siege gehören Trotzki. Man möchte fragen: »Hatte er nicht wenigstens einen Koch dabei?« Zu Trotzkis Auffassungen zum Export der Revolution (»permanente Revolution«) wie auch zu seiner Rolle im »Polen-Feldzug« – praktisch als Oberbefehlshaber – ist die einseitige Darstellung eklatant. Diese Art »personalisierter« Geschichtsbetrachtung (Trotzki versus unfähige, gemeine, hinterhältige, missgünstige Bolschewiki) führt dann konsequenterweise auch zu der abgeschriebenen Aussage von der Enthauptung der Roten Armee vor dem Zweiten Weltkrieg. Mit »Enthauptung« ist der Verlauf des Großen Vaterländischen Krieges nicht zu erklären. Buchstäblich keiner der internationalen Analysten hat am Vorabend des Krieges der Sowjetunion auch nur den Hauch einer Chance gegen die kriegserfahrene deutsche Wehrmacht mit ihrer fast ganz Europa umfassenden materiellen Basis und ihren vielen offenen und heimlichen Unterstützern in der ganzen Welt gegeben. Bekanntlich kam es anders. Warum wohl? Diese skizzierten ersten 20 Jahre der Roten Armee waren voller Dramatik und tiefer Tragik – ohne Frage. Wie hätten sie aber auch anders gewesen sein können? Unter Dauerfeuer der internationalen Konterrevolution mit der geballten Militärmaschinerie und dem großen militärischen Sachverstand auf deren Seite und andererseits praktisch mittellosen Akteuren ohne jegliche praktische wie theoretische Erfahrungen! Für Aufklärung ist diese publizistische Arbeit ungeeignet.
Peter Tiedke
Veröffentlicht in der jungen Welt am 01.03.2018.