Leserbrief zum Artikel Kommentar: Personal und Politik
vom 10.02.2018:
Menschenrecht verramscht
Da der Koalitionsvertrag den Charakter eines Warenhauskatalogs hat – für jede und jeden sollte irgendein Lockangebötchen zu finden sein, so dass sie oder er auch den (unverdaulichen) »Rest« in Kauf nimmt –, finden sich da natürlich auch Passagen, in denen auf die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen eingegangen wird. Aber über Selbstlob (BTHG), »Prüfaufträge« und vage Versprechungen (Wahlrechtsausschlüsse) geht es nicht hinaus. Unser Menschenrecht auf volle Teilhabe und freie Persönlichkeitsentfaltung wird in einem Wortschwall von unverbindlichen Allgemeinplätzen verramscht. Die Fixiertheit auf »Professionalität« (Fachkräfte) und Institutionen (Heime, Werkstätten usw.) lässt mich sogar befürchten, dass uns weitere Verbürokratisierung ins Haus steht. Auch das, was da großspurig als »Verbesserung der Pflegesituation« angekündigt – eigentlich: angedroht – wird, klingt weder nach wirkungsvoller Arbeitserleichterung für die in dem Bereich Arbeitenden noch nach realer Entlastung der Familien, geschweige denn nach Stärkung der Selbstbestimmung. Oder steht da etwa (…) irgendwo, dass die Geldleistungen der Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch XI) auf das Niveau der Sachleistungen angehoben werden? Das würde zwar bei weitem nicht alle Probleme lösen, wäre aber für viele Familien eine echte Hilfe.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.02.2018.