Leserbrief zum Artikel Iran: Teheran bleibt selbstbewusst
vom 05.01.2018:
Für Solidarität
Dieser Artikel in meiner linken Tageszeitung hat mich mehr als entsetzt: Zwar wird verschämt zugegeben, dass es »zahlreiche Anlässe zu Unzufriedenheit« im Iran gebe, im wesentlichen stellt der Artikel den Protest aber als ein Spektakel westlicher Medien dar und erklärt, man könne dessen Charakter nicht bestimmen. Der Unterton scheint klar: Der Aufruhr ist von Linken nicht zu unterstützen, da er den Imperialisten in die Hände spielt, und folgerichtig kritisiert Ihr im Infobalken auch mehr oder weniger linke Gruppen und Personen von Movassat bis zu den Postantideutschen der »Ruhrbarone«. Der Artikel übergeht komplett die leicht recherchierbare Tatsache, dass diverse linke Gruppierungen und Arbeiterparteien im Iran (bzw. im Exil) den Aufstand unterstützen. Tudeh, die Maoisten und auch die Trotzkisten rufen alle zur Solidarität mit den Protesten auf (…). Und es gilt, hier nicht zu vergessen: Es handelt sich bei diesen Gruppen nicht um Freizeitkommunisten wie die proimperialistischen »Linken«, die Ihr zu Recht kritisiert, sondern um Menschen, die ihr Leben für die Befreiung der Menschheit – zu der doch wohl auch die Befreiung von einem ekelerregenden, faschistoiden Regime zählt – aufs Spiel setzen. Wäre es nicht, so frage ich mich, die erste Forderung der internationalen Solidarität, die unsere Bewegung seit 150 Jahren zusammenhält (zumindest in der Theorie), die Position der Genossen vor Ort zu kommunizieren und zu unterstützen? Die Stoßrichtung Eurer Berichterstattung (…) ist indes eine andere: Mir scheint – ich hoffe, ich irre mich –, dass Ihr lieber ein starkes, antiwestliches Regime in Teheran sehen wollt als den Aufstand der Massen. Sollte es uns nicht egal sein, welcher imperialistische Block von einer Revolution profitiert (denkt nur an Lenins plombierten Waggon)? Sollte nicht unser Ziel die Befreiung sein? Für die internationale Solidarität!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 10.01.2018.