Leserbrief zum Artikel Palästina: Fortschrittliche Alternative
vom 11.12.2017:
Auf den Misthaufen der Geschichte
Der 50. Geburtstag der PFLP, der einzigen halbwegs fortschrittlichen Palästinenserorganisation mit 4,25 Prozent Stimmen bei den dortigen Wahlen, ist deshalb bemerkenswert, weil an ihm das politische Elend in beiden verfeindeten durch und durch klerikalfaschistischen Lagern – Israelis und Palästinenser – eindringlich klar wird. Es ist zu erwarten, dass das Gemetzel in Israel und dem Rest Palästinas noch viele Jahrzehnte ergebnis- und sinnlos weitergeht und die Leichenberge ins Unermessliche wachsen, ohne dass eine Zweistaatenlösung oder eine jüdische oder muslimische Einstaatenlösung verwirklicht wird. Die Lektion, die beide Seiten zu lernen hätten, könnte etwa so aussehen: Das erträumte kapitalistische Paradies lässt sich nur realisieren, wenn die Sehnsucht nach einem eigenen Nationalstaat auf den Misthaufen der Geschichte geworfen wird. Nur eine Staatsform wie die kantonale schweizerische oder die Integration der regionalen Minderheiten in einen Bundesstaat (wie die Basken und Katalanen in Spanien – von einer Union sozialistischer Sowjetrepubliken wage ich nicht einmal zu träumen) könnte langfristig die Chance einer friedlicheren Zukunft bieten. Eine Bundesrepublik Großisrael, in der die Bundesstaaten ihre heißgeliebten »nationalen Identitäten« bis zum Überdruss und gewaltfrei pflegen dürften, böte die größten Lernchancen für die fanatisierten Monotheisten beider Lager. Lernunfähigkeit oder Lernverweigerung garantiert ein gegenseitiges Abschlachten mindestens bis zum 100. PFLP-Geburtstag. Frohe Weihnachten!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 22.12.2017.