Leserbrief zum Artikel Politisches Theater: Was wollen »die Krawatten«?
vom 25.11.2017:
Aufwühlendes Werk
Am 26. November 2017 besuchte ich im Staatstheater Mainz die Vorstellung »7 Minuten – Betriebsrat«. Nicht das Stück war (…) für mich eine Enttäuschung, sondern der Artikel von Elmar Wigand. Er beklagt, dass Betriebsräte auf die Behandlung ihrer Probleme auf der Bühne wohl noch eine Weile warten müssen. Aber gerade das Stück des Italieners Stefano Massini widmet sich dieser Thematik. Und es ist ein Verdienst des Staatstheaters Mainz, dass es als deutsch-luxemburgische Koproduktion erstmals im deutschsprachigen Raum aufgeführt wird. Es kommen solch brisante Themen zur Sprache wie das Verhältnis zwischen Arbeitern und Angestellten, zwischen deutschen und ausländischen Arbeitern und die Verantwortung des Betriebsrates von elf Personen für die gesamte Belegschaft von 200 Arbeitern und Angestellten. Die elf Schauspielerinnen agieren sehr engagiert und überzeugend. Das Publikum honorierte die Aufführung mit viel Beifall. Und wie ich hörte, war das auch bei den Aufführungen in Luxemburg so. Wie wenig traut Elmar Wigand dem Publikum zu, wenn er behauptet, dass niemand den Inhalt der internen Vorbesprechung der gewählten Arbeiterinnen vor der Sitzung des Betriebsrates kapiert? (…) Dass man »eher nicht an den Lippen der Darstellerinnen hängt«, kann ich absolut nicht bestätigen. Die tiefe innere Bewegung der Arbeiterinnen, ob sie der Pausenkürzung von sieben Minuten zustimmen sollten bzw. ob eine Ablehnung ihre Entlassung und womöglich die Schließung der Firma und damit die Entlassung aller bedeuten würde, brachte sehr viel Spannung in die Aufführung. Mich hat dieses sozialkritische Werk sehr aufgewühlt (…). Ich hätte mir gewünscht, dass der Theaterkritiker mehr zum Stück selbst und seiner Umsetzung schreibt, als sich allgemein zu Betriebsräten und zum Beiheft zu äußern.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 01.12.2017.