Leserbrief zum Artikel Polen: Rechte prägen Stadtbild
vom 13.11.2017:
Folge der Ungleichheit
Bei der notwendigen Auseinandersetzung mit dem Nationalismus in Polen muss man zwei Aspekte im Auge behalten: 1. Dieser neue Nationalismus ist kein singulär polnisches Phänomen, sondern hat, wie zuletzt die Wahlen in Tschechien zeigten, bei aller Unterschiedlichkeit praktisch alle Länder der östlichen EU-Peripherie erfasst. 2. Hauptsächlich gespeist wird dieser neue Nationalismus aus den fortdauernden Ungleichgewichten und Ungerechtigkeiten der semikolonialen EU-Angliederung. Angesichts des fortdauernden dramatischen Gefälles bei Löhnen und Renten gegenüber Westeuropa glauben viele in diesen Ländern nicht mehr an die versprochene »aufholende Entwicklung« (…). Insofern irrt z. B. auch der VW-Konzern, der als Holding in Polen sieben hochprofitable Werke betreibt, wenn er glaubt, durch großformatige, auf Selbstlob ausgerichtete Zeitungsanzeigen unmittelbar vor dem Nationalfeiertag den polnischen Nationalismus beschwichtigen zu können. Wie wäre es, wenn VW schon jetzt zum 100. Jahrestag der polnischen Unabhängigkeit 2018 seinen polnischen Mitarbeitern die Angleichung ihrer Löhne an das westeuropäische Niveau zusagen würde?
Veröffentlicht in der jungen Welt am 15.11.2017.