Leserbrief zum Artikel Mauerfallgedenken: Auseinandergelebt
vom 10.11.2017:
Köpfe und Füße
Vieles in dem Artikel ist sicher richtig, aber den Satz teile ich nicht: »Die DDR-Bürger haben in beispielloser Naivität und Gier nach der Glitzerwelt des Westens mehrheitlich gewählt, was danach mit ihnen geschah und was heute auch in einflussreichen Zeitungen und öffentlich-rechtlichen Sendern als Kolonisierung bezeichnet werden darf.« Die DDR-Bürger hat nie jemand ernstlich gefragt. Wie auch? Die führenden politischen Köpfe aller Couleur haben damals entweder versagt oder überhaupt nicht die Absicht gehabt, der westlichen Vereinnahmung Widerstand zu leisten. Wem bitte hätte der gemeine DDR-Bürger in dieser Situation folgen sollen? Wer bitte war bereit, sie für diese Auseinandersetzung zu organisieren? Und wer hatte noch die Autorität dazu und hatte sich diese nicht sehr berechtigt verscherzt? Wenn die Köpfe versagen, soll man den Füßen keine Vorwürfe machen, wenn sie in die falsche Richtung laufen. Das sind dann lässliche Sünden.
Die Auffassung, die Bevölkerung könne ja spontan das Richtige tun, gehört in Märchenbücher. (…)
Die Auffassung, die Bevölkerung könne ja spontan das Richtige tun, gehört in Märchenbücher. (…)
Veröffentlicht in der jungen Welt am 11.11.2017.