Leserbrief zum Artikel Schon gelaufen: Nachschlag: Das TV-Regierungstreffen
vom 05.09.2017:
Gefühlte statt echte Probleme
Okay, Martin, also in 60 Sekunden verdient eine Krankenschwester 30 Cent und ein Manager 30 Euro (oder so ähnlich). Aber im TV-Duell nimmt das Thema soziale und steuerliche Gerechtigkeit in 90 Minuten gefühlt auch nur eine Minute ein. Auch zur Bekämpfung von Fluchtursachen und fairem Handel gerade mal drei Sätze, aber fast 60 Minuten um Terror, Islam und Flüchtlinge, weil es die Besorgten unter den Bürgern so beschäftigt. Aber warum eigentlich? Ginge es um die Anzahl der Todesopfer, hätte man die Zeit eigentlich nutzen müssen, um über Verkehrspolitik zu sprechen, bei den Opferzahlen jedes Jahr im Straßenverkehr. Oder weil der Terror eine immer größere zukünftige Gefahr sein wird? Aber wenn es um Gefahren geht, wäre es sinnvoller gewesen, z. B. um ein Konzept zur Verhinderung von Antibiotikaresistenzen zu streiten, da Krankenhauskeime schon heute die Gesundheit Tausender Mitbürger gefährden und das bald epidemische Ausmaße annehmen könnte, wenn man nicht gegensteuert. Angst kann man ebenso vorm Klimawandel haben, und eine Herausforderung wird auch die Digitalisierung der Arbeitswelt werden, aber statt dessen ging es um die gefühlten statt tatsächlichen Probleme der Republik. Das Duell der Scheinbar-wichtig-Themen hat der AfD, der CSU und Mutti geholfen, sonst keinem. Hätte nur noch gefehlt, Moderator Strunz hätte die Jens-Spahn-Tweets zu englischsprechenden Gastronomie-Hipstern in Berliner Lokalitäten zum Thema gemacht!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 05.09.2017.