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Leserbrief zum Artikel Schon gelaufen: Nachschlag: Dreiklang fürs Vaterland vom 02.09.2017:

Emden im nationalen Gestern

Während alle Welt auf die große Politik schaut, um die Stimmung im Land zu erkunden, gehen die Uhren in der Provinz schon lange rückwärts. In Herxheim war der Bürgermeister stolz auf seine Naziglocke. In Emden gibt es die Ostfriesenuhr, die bekanntlich auch rückwärts geht. Hier gibt es zwei Denkmäler, die sich auf Kolonialismus und Sklavenhandel vor 300 Jahren beziehen, ohne dies freilich zu benennen. Da ist einmal Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der sogenannte Große Kurfürst, der nach Ansicht des Rates der Stadt die Emder maritime Tradition begründet hat. Er handelte mit Sklaven, von seiner Festung Groß-Friedrichsburg in Westafrika aus. Voll Stolz stellt die Stadt am Falderndelft zwei Kanonen aus, die die Festung »beschützten«. Was dort geschah, wird verschwiegen.

Als drittes bemerkenswertes Denkmal kann man im Ostfriesischen Landesmuseum das »Ehrenmal« für die »SMS Emden« betrachten, das die Nazis 1934 mit Hakenkreuzfahnen und Hitlergruß einweihten. Es verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg kurzfristig von der Bildfläche, bis es nach der Wiederbewaffnung an der wiederbezogenen Kaserne wieder auftauchte, zusammen mit den beiden Kanonen. Bundeswehr-Soldaten standen da nun »Ehrenwache«. Die Kaserne erhielt den Namen Karl von Müller, des Kommandanten der »SMS Emden« bis zu deren Selbstversenkung. Im Zuge der Straßenumbenennungen durch die Faschisten im März 1933 wurde Karl von Müller zugleich mit Adolf Hitler eine Straße gewidmet. 1946 wurde das beendet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden weitere Kriegsschiffe mit dem Namen »SMS Emden« gebaut. 2013 wurde die Nummer 5 außer Dienst gestellt. Das rief sofort einige Vertreter der Bundeswehr und die Stadt Emden auf den Plan. Der Bundesminister der Verteidigung hatte nämlich erklärt, keine Kriegsschiffe nach Städten benennen zu wollen. Am 3. Juli 2014 trat dann Emden auf Beschluss des Rates der Stadt dem »Traditionsverein für das Marineschiff ›Emden‹« bei. Denn Kriegsschiffe gibt es bekanntlich keine mehr, ebensowenig wie Deutschland Krieg führt, sondern sich nur an »humanitären Interventionen« beteiligt. Der Beschluss wurde mit der überwältigenden Mehrheit der Fraktionen von SPD, CDU und FDP gefasst, gegen die Stimmen von Grünen und Linken sowie einem SPD-Mitglied.
Michael Skoruppa, Hinte
Veröffentlicht in der jungen Welt am 05.09.2017.