Leserbrief zum Artikel G-20-Gipfel: »Abwesenheit des Staates wurde begrüßt«
vom 10.08.2017:
Alternativen diskreditiert
(…) Ich habe am Samstag an der Abschlusskundgebung der G-20-Proteste teilgenommen. (…) Die Redebeiträge haben (…) klargemacht, dass das kapitalistische System keine nachhaltige Lösung für die Fragen zu bieten hat, die auf der Tagesordnung stehen: Kriegsgefahr, Frieden, soziale Ungerechtigkeit, begrenzte Naturressourcen, Schutz und Erhalt der Lebensgrundlagen, Unterdrückung und Benachteiligung von Minderheiten, Flüchtlinge usw. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Erkenntnis durch eine machtvolle Demonstration vielen Menschen in unserem Land deutlich geworden wäre (…). Statt dessen hat sich die veröffentlichte Meinung mit den Polizeieinsätzen, gewaltsamen Auseinandersetzungen und Zerstörungen im Schanzenviertel beschäftigt. Eine Demonstration »Welcome to Hell« setzt auf Emotionen, Wut und wohl auch Hass. Im Interview erscheint es so, als seien Zerstörungen von Geschäften und Autos in Kauf zu nehmen oder zu akzeptieren. Welche Botschaft sollte damit vermittelt werden? Wenn die Interviewte feststellt, es entspreche nicht autonomer Politik, sich von Aktionen zu distanzieren, so muss die Frage erlaubt sein, warum nicht. Zumal bei einigen Gewaltexzessen nicht klar ist, wer sie ausgeführt hat. Es ist eine weitere Frage zu stellen: Wem nutzt es? Es führt dazu, gesellschaftliche Alternativvorstellungen zu diskreditieren und zu kriminalisieren, einen Ausbau des Polizeistaates zu fordern und Grundrechte einzuschränken. Wer gesellschaftliche Veränderungen erreichen möchte, ist gut beraten, nicht kleinbürgerlicher Zerstörungswut nachzugeben, sondern (…) an der Veränderung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse zu arbeiten.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.08.2017.