Leserbrief zum Artikel : Wem das Buch gehört
vom 02.02.2017:
Hinkende Vergleiche
Zunächst sei auf eine inhaltlich falsche Formulierung hingewiesen (…). Im Beitrag heißt es, dass der Konzern »die gesamte auf dem E-Book gespeicherte Bibliothek« einer Kundin löschte. Gemeint war hier wohl der E-Reader. Insbesondere hinkt jedoch der Vergleich mit dem Buch (…) gehörig. Bei den Flatrate- bzw. Streamingangeboten von Amazon, Netflix, I-Tunes und Co. erhalte ich die Möglichkeit, unbegrenzt E-Books, Filme, Serien, Musik usw. für einen Fixbetrag zu nutzen. Wenn ich im Kino einmal Eintritt bezahle, kann ich dafür auch nur genau einen Film anschauen. (…) Kaufe ich ein Buch im Buchhandel, erwerbe ich damit nicht die Möglichkeit, mir so viele Bücher, wie ich mag, in den Einkaufswagen zu legen. (…) Die preisliche Differenz zwischen analogem und digitalem Angebot ist nicht unerheblich: Ein Kinobesuch für zwei Personen kostet etwa das Dreifache wie ein Monat Netflix, womit ich mir theoretisch jeden Tag einen neuen Film ansehen kann. Selbst wenn man die Daten frei herunterladen könnte (was man im übrigen teilweise auch kann), stehe ich vor dem Problem der Halbwertzeit moderner Speichermedien. Eine handelsübliche Festplatte kann bei Dauerbelastung bereits nach drei Jahren »den Geist aufgeben«. Des weiteren ist anzumerken, dass man per Suchmaschine zuhauf Anleitungen findet, wie man seine E-Books vom »Kindle« z. B. auf dem Desktop-PC sichern kann. Es steht überdies ja jedem frei, in Onlineshops einzukaufen, die einen direkten Download der ePUB-Datei ermöglichen, die man problemlos per Dateimanager auf E-Reader wie z. B. »Tolino« oder »Kobo« kopieren kann. Mit ein paar Zwischenschritten mehr klappt das sogar beim »Kindle«. Die kritische Debatte sollte sich nicht um die Verteufelung neuer Technologien drehen, sondern um diejenigen, die sie besitzen.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 06.02.2017.