Leserbrief zum Artikel Massengrab Mittelmeer
vom 28.10.2016:
Unstimmigkeiten bitte ausräumen
Mellenthin schreibt zum Sea-Watch-Vorfall in seinem Artikel: »Ein Schlauch« (gemeint ist vermutlich eine der Luftkammern des Schlauchboots, H. K.) »platzte, als das libysche Schiff das Boot rammte, so dass alle Insassen ins Wasser fielen«. Demgegenüber heißt es in der recht knappen, seit nahezu einer Woche fast unveränderten Schilderung des Vorfalls auf der Sea-Watch-Website: »Ein Boot der libyschen Küstenwache hat heute während eines Rettungseinsatzes ein vollbesetztes Schlauchboot geentert, die Migranten mit Stöcken geschlagen und unsere Crew davon abgehalten, Rettungswesten zu verteilen und mit unserer Versorgung fortzufahren. Durch das brutale Vorgehen der vermeintlichen libyschen Küstenwache brach an Bord eine Massenpanik aus; alle 150 Insassen fielen ins Meer.« Es ist offensichtlich, dass die beiden Schilderungen nicht miteinander vereinbar sind. Andernfalls müsste das libysche Küstenwachboot zunächst das Schlauchboot gerammt haben, im selben Moment müsste dann auch der »Schlauch« geplatzt sein, und trotzdem müssten sich die Angehörigen der libyschen Küstenwache dann entschlossen haben, das stark beschädigte und erkennbar extrem unsichere Schlauchboot unter Inkaufnahme eines enormen Risikos zu betreten (sofern das rein technisch-physikalisch überhaupt noch möglich war), um dort auf die Migranten (sofern die nicht alle, infolge des Rammens und Schlauch-Platzens, bereits ins Wasser gefallen waren) loszuprügeln und eine Massenpanik auszulösen. Ein solcher Hergang ist aber schlichtweg nicht denkbar. Entweder entspricht also Mellenthins Schilderung nicht der Wahrheit, oder aber die Schilderung von »Sea-Watch« entspricht nicht der Wahrheit, oder aber beide entsprechen nicht der Wahrheit. In allen drei Fallkonstellationen ist die junge Welt als seriöse Zeitung verpflichtet, nun sauber zu recherchieren und rauszufinden, was wirklich passierte.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 28.10.2016.