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Aus: Ausgabe vom 17.02.2017, Seite 11 / Feuilleton
Berlinale

Idee verschenkt. »The Bar« (Sektion »Wettbewerb«)

Von Kai Köhler

Die Grundidee hat sich bewährt: Man bringt unterschiedliche Leute an einem überschaubaren Ort zusammen, den sie nicht – oder nur unter großer Gefahr – verlassen können. Über das Außen erfahren die Zuschauer genug, um die Angst der Eingeschlossenen zu teilen. Gleichzeitig ist die Bedrohung vage genug, um Entwicklungen offenzuhalten. Möglich sind etwa Unterstützung und Verrat, geheime Verständigung und offene Aussprachen, gemeinsamer Kampf gegen das Außen und erbarmungslose Konkurrenz. Über das Thema lässt sich mit diesem Setting politische Bedeutung erlangen, wie »Insyriated« in der Sektion »Panorama« zeigt, wo eine syrische Familie inmitten des Bürgerkriegs in ihrer Wohnung ausharrt (jW vom 13.2.).

Im spanischen Film »The Bar« (Sektion »Wettbewerb« –außer Konkurrenz) ist die Ausgangssituation geeignet, soziale Konflikte und unterschiedliche gesellschaftliche Haltungen herauszuarbeiten. Zehn Leute befinden sich in einer etwas heruntergekommenen Bar in Madrid: von der vornehmen jungen Frau, die nur eben den Akku ihres Smartphones aufladen wollte, über ein paar Stammgäste bis zum stinkenden Penner, der an dem Ort halbwegs akzeptiert ist. Beim Hinausgehen wird ein Gast angeschossen; einen zweiten, der dem Verblutenden helfen will, trifft ebenfalls eine Kugel. Die verbleibenden acht vermuten einen Terroranschlag und verdächtigen einander. Der Bärtige kann sich entlasten, die anderen auch. Dann scheint Hilfe zu kommen. Einsatzkräfte entfachen aber nur ein Feuer vor der Bar, das Fernsehen zeigt Bilder vom Rauch und berichtet, die Innenstadt sei wegen eines Brandes abgesperrt. Bald wird klar: Ein tödliches Virus ist in die Bar eingeschleppt, die Staatsmacht will die Ausbreitung um jeden Preis verhindern. Im Verlauf geht es für die Eingeschlossenen, deren Zahl sich bald vermindert, darum, sich nicht anzustecken oder an eine der raren Ampullen mit dem rettenden Impfstoff zu kommen, den der Träger der Infektion mitgebracht hat.

Das ist temporeich und effektvoll inszeniert, wirklich unterhaltsam, doch leider ohne Ruhepausen, die nötig wären, um Interesse an einzelnen Figuren zu wecken; so bleibt man auch bei den Todesfällen eher gleichgültig. Es gibt Solidarität, es gibt Kooperation – teils von der gemeinsamen Not bedingt; am Ende dominiert der Überlebenskampf. Der Film, der anfangs auf die soziale Katastrophe im gegenwärtigen Spanien Bezug nimmt, endet in Affirmation. So kann man eine vielversprechende dramaturgische Basis verschenken.

»The Bar«, Regie: Álex de la Iglesia, Spanien 2017, 102 min

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