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Aus: Ausgabe vom 14.02.2017, Seite 11 / Feuilleton
Berlinale

Gibt’s doch nicht: Kungfu-Fußball in der »Perspektive«

Von Grit Lemke

Dass China auf allen Gebieten an die Spitze strebt, ist bekannt. Auch von der Fußballoffensive der Regierung hat man schon gehört. Die Errichtung Tausender Fußballakademien soll zum WM-Titel führen. Im Dokfilm »Eisenkopf« begleitet der in Deutschland lebende Chinese Tian Dong eine Gruppe Jungen und Mädchen, die an einer Shaolin-Kungfu-Schule an der chinesischen Wunderwaffe der Zukunft ausgebildet werden. Sie heißt Kungfu-Fußball.

Es entbehrt nicht der Komik, wie der Große Meister der Schule und Parteifunktionäre immer wieder die Verbindung von Fußball und Kungfu als entscheidend für den Sieg anpreisen und bei Luftsprüngen und Kampfelementen meinen, dies könne man auf dem Feld gut gebrauchen. Und wie sich nach und nach herausstellt, dass nicht nur keiner weiß, was das sein soll, Kungfu-Fußball, sondern dass es diesen im Grunde gar nicht gibt. Was all die kleinen und großen Führer nicht davon abhält, weiter eifrig an Visionen von unvorstellbaren Dimensionen – allein diese Schule soll bald 10.000 Schüler aufnehmen – zu arbeiten.

Was das für die Schülerinnen und Schüler heißt, machen sorgsam kadrierte und per Flycam scheinbar schwebende Bilder fast physisch spürbar: Vom Morgengrauen an üben bis zum Abwinken, zackig aufmarschierende Formationen, Disziplin. Abends geht es zur Shaolin-Show für gutzahlende Touristen – toll choreographiert und von todmüden Kindern vorgeführt. Einmal im Jahr dürfen sie nach Hause zu den Eltern. Anrührend, doch wenig überraschend.

Die Stärke des Films liegt darin, einer Handvoll sehr gut ausgewählter Protagonisten tatsächlich nahe zu kommen und so hinter dem Narrativ vom Drill auch Individualität, differierende Motive, kleine Widerstände und Spuren von Kindheit zu zeigen. So ist zu erfahren, dass der Fußball für die Kinder weniger Zwang als willkommene Abwechslung ist. Wirklich Kungfu machen will hier keiner. Alles nur Ehrgeiz der Eltern. Da wird es interessant. Der Besuch im Elternhaus eines der Jungen, ein ehrgeiziges Mittelschichtpärchen, das nur das Beste für sein Kind möchte, könnte auch im Prenzlauer Berg stattfinden. Hier gewinnt der Film eine Dimension, die man zuvor mitunter vermisste. Daneben gelingen die stärksten Szenen, wenn Interaktionen der Kinder beobachtet werden, statt sie frontal und weniger aussagekräftig zu befragen.

Man kann »Eisenkopf« als Film über China lesen – und hat wenig verstanden. Denn vor allem entwirft der begabte Tian Dong in seinem Diplomfilm das Bild einer Gesellschaft, in der es um Aufstieg geht. Gnadenlos.

»Eisenkopf«, Regie: Tian Dong, D 2017, 92 min, 15. u. 16.2.

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