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Aktuell

  • 15.01.2021 19:30 Uhr

    »Rein in die Praxis«

    Krise und Widerstand. Über antikapitalistische Gegenwehr in Zeiten der Pandemie. Auszüge aus der Diskussion des mit der SDAJ veranstalteten Jugendpodiums auf der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
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    Kämpferische Jugend (v. l. n. r.): Sascha Hevalski (North East Antifascists Berlin), Leon Sierau (SDAJ), Moderatorin Carolin Zottmann (SDAJ), Roylan Tolay (DIDF-Jugend) und Erik Busse (Verdi-Jugend)

    Carolin Zottmann (SDAJ, Moderatorin): Willkommen zum Jugendpodium der SDAJ auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2021. Unser Thema lautet »Kampf der Jugend in Zeiten von Krise und Pandemie«. Wie bei jeder Krise trifft es auch uns, die arbeitende und lernende Jugend. Was also tun? Diese Frage diskutiere ich mit dem Düsseldorfer Krankenpfleger Erik Busse, Mitglied der Verdi-Jugend und der Bundestarifkommission öffentlicher Dienst bei Verdi, mit der Erziehungswissenschaftsstudentin Roylan Tolay, Bundesvorstandsmitglied der DIDF-Jugend, mit Leon Sierau, Bundesvorstandsmitglied der SDAJ und als studierter Psychologe im öffentlichen Dienst tätig, und mit Sascha Hevalski, Mitglied der North East Antifascists Berlin. Beginnen wir mit der Frage: Woran erkennt ihr, dass wir in einer Wirtschaftskrise stecken, und was tut ihr dagegen?

    Roylan Tolay: Zunächst einmal ist anzumerken, dass wir schon vor Corona in einer kapitalistischen Krise feststeckten, die Auswirkungen sind jetzt nur stärker. Wir machen das fest an dem hohen Stellenabbau und der eingeführten Kurzarbeit, beispielsweise in der Automobilindustrie. Parallel dazu sehen wir, dass Unternehmen oder Großunternehmer wie Lidl, Aldi oder Amazon trotzdem ihre Milliardengewinne einfahren. Hier sehen wir die Zuspitzung der Widersprüche: Auf der einen Seite die Arbeiterinnen und Arbeiter und auf der anderen Seite jene, die trotzdem ihre Milliardengewinne machen. Und was die Jugend betrifft, sehen wir, dass komplette Bereiche wegfallen, die als soziale Auffangnetze dienen, beispielsweise Jugendzentren. Als Organisation gehen wir in Bündnisse und kämpfen mit anderen Gruppen dagegen an. Wir stehen aber auch an der Seite der Arbeiter, wenn sie auf die Straßen gehen und ihre Rechte einfordern.

    Leon Sierau: Ich kann mich dem anschließen. Wir haben immer noch mehr als vier Millionen Menschen in Kurzarbeit. Und allein in der Metall- und Elektroindustrie werden in den nächsten Jahren voraussichtlich 250.000 Stellen wegfallen, also gerade in dem Bereich, in dem die Tarifbindung sehr gut ist und die Leute noch verhältnismäßig gute Arbeitsbedingungen haben. Wir befinden uns in einer kapitalistischen Wirtschaftskrise und nicht in einer Krise, die durch diese Pandemie über uns hereingebrochen ist. Wie immer sollen jetzt die arbeitenden Menschen die Kosten für die Krise tragen. Das kriegen wir ja täglich zu spüren, zum Beispiel in unserer politischen Arbeit im Betrieb und in der Schule oder auch zuletzt in den Tarifrunden, wo jetzt ganz offen von Unternehmerseite auf die sogenannte Sozialpartnerschaft gespuckt wird. Hoffnung macht, dass es vermehrt Widerstand gibt. Was tut die SDAJ? Wir sind in den Gewerkschaften aktiv. Und für uns geht es jetzt darum, auf eine Bewegung gegen die Abwälzung der Krisenkosten zu orientieren. Für uns als sozialistisch-revolutionäre Organisation ist es wichtig zu verdeutlichen: Umverteilungsforderungen sind nicht die Lösung. In diesem System, im Kapitalismus, sind unsere Rechte und unsere Gehälter, alles, was wir uns erkämpft haben, ständig in Gefahr. Deswegen brauchen wir in Krisenzeiten mehr denn je eine geplante Wirtschaft und nicht die Anarchie des Marktes.

    Zottmann: Erik, woran erkennst du, dass wir in einer Wirtschaftskrise stecken?

    Erik Busse: Ich bin Mitglied in der Verhandlungskommission öffentlicher Dienst und war es auch für die Auszubildenden in der Verhandlungskommission in der vergangenen Tarifrunde öffentlicher Dienst 2020, Bund und Kommunen. Die »Arbeitgeber« haben alle Forderungen abgewiesen und gesagt, die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollten sich darüber freuen, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz haben. Damit haben sie Verdi überhaupt erst in die Situation gebracht, in dieser schwierigen Zeit Arbeitskämpfe zu führen. Ganz viele »Arbeitnehmer« haben sich an den Streiks beteiligt. Und auf uns kommen noch harte Kämpfe zu, aber gemeinsam können wir sie auch gewinnen.

    Sascha Hevalski: Niemand bestreitet ernsthaft, dass wir uns in einer Wirtschaftskrise befinden. Man wird wahrscheinlich erst in den nächsten Monaten sehen können, welche Probleme nach der Coronakrise noch bleiben werden, aber man kann nicht annehmen, dass es wirtschaftlich keine Konsequenzen haben wird, wenn eine große Zahl der »Arbeitnehmer« bloß siebzig Prozent ihres Gehalts bekommen hat. Die Auswirkungen auf die Jugend lassen sich insbesondere darin sehen, dass kaum noch Ausbildungsplätze zu finden sind. Das gilt selbst für Schlosserei- oder Tischlereibetriebe – Bereiche, in denen eigentlich seit zwanzig Jahren Auszubildende händeringend gesucht werden.

    Zottmann: In den vergangenen Jahren sind Jugendbewegungen wie Fridays for Future oder Black Lives Matter in Erscheinung getreten und haben es in kürzester Zeit geschafft, sich lokal zu verankern und Widerstandskämpfe zu initiieren. Wie habt ihr euch mit euren Organisationen in diese Bewegungen eingebracht?

    Tolay: Zunächst einmal: Fridays for Future und Black Lives Matter waren sehr spontane Bewegungen, die es aber geschafft haben, Tausende von Jugendlichen auf die Straßen zu bringen. Es ist sehr wichtig, sie nicht nur zu beobachten, sondern teilzunehmen, sie zu lenken und eigene Inhalte reinzubringen. Denn es reicht nicht, bloß zu sagen, sie seien systemkonform. In einigen Orten haben wir uns bei Fridays for Future beteiligt und mit anderen Organisationen antikapitalistische Kerne gebildet. Black Lives Matter ist schwieriger zu bewerten, da diese Bewegung sehr unorganisiert war. Wir haben versucht, diese Jugendlichen zu organisieren und eigene Demonstrationen anzumelden, da viele auf den Straßen gar nicht wussten, worin denn das eigentliche Problem besteht, konkret das System hinter dem Rassismus: Es geht nicht nur um die Privilegien des Weißseins, die Benachteiligung durch Nichtweißsein, nicht nur darum, dass jemand getötet wurde, weil er schwarz ist, sondern darum zu zeigen: Rassismus ist ein System, das ausbeutet.

    Sierau: Letzten Endes sind sowohl die Klimakrise als auch rassistische Polizeigewalt generell sowie der immer weitergehende Ausbau polizeilicher und geheimdienstlicher Befugnisse Auswirkungen einer Krise des Systems. Ebenso ist die Privatisierung und die immer weiter um sich greifende Ökonomisierung aller Bereichen der Gesellschaft Ausdruck dieser Krise. Und deswegen ist auch diese riesige Krankenhaus- und Pflegebewegung eine Reaktion auf die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus. Wie aktiv waren wir in diesen Bewegungen? Bei Fridays for Future war es auch unser Ansatz zu sagen: Wir wollen antikapitalistisches Bewusstsein in dieser riesigen Jugendbewegung verbreiten. In einigen Städten haben wir uns in der Plattform »Change the ­Future« eingebracht, allerdings war das nicht in allen Städten sinnvoll. Niemand sieht es jedoch gerne, wenn die SDAJ oder irgend jemand anderes zu Treffen von Fridays for Future kommt und dort erklären will, wie die Welt funktioniert. Das wollen wir gemeinsam erarbeiten. Ein letzter Punkt: Ein großes Problem von Fridays for Future und auch von Black Lives Matter war sicherlich, dass diese Bewegungen bei den arbeitenden Menschen nicht sehr stark verankert waren. Es gab keine Verzahnung mit gewerkschaftlichen Kämpfen.

    Tolay: Ich bin schon der Meinung, dass wir mutig genug sein müssen zu sagen, dass wir diese Bewegung lenken. Denn wir gehen doch davon aus, dass es spontane Bewegungen sind, die irgendwann abflachen. Warum flachen sie ab? Weil sie nicht gelenkt werden und nicht genug strukturiert sind.

    Zottmann: Leon hat die Klinikbewegung schon angesprochen. Erik, kannst du etwas dazu sagen?

    Busse: Gerne. Es gab zwar eine umfangreiche Kooperation zwischen Fridays for Future und Verdi, aber im Moment ist es so, dass die Organisierung von Massenbewegungen aufgrund der Pandemie sehr schwierig wird. Dennoch gibt es weiterhin Unterstützung, beispielsweise in der Frage Ausbau des ÖPNV – da haben Fridays for Future und Verdi eng zusammengearbeitet. In jedem Fall freut mich, dass sich unglaublich viele Menschen beteiligen, politisch aktiv werden, Erfahrungen sammeln und auch das Mittel des Streiks nutzen.

    Hevalski: Es wurde jetzt recht viel in der Vergangenheitsform geredet, aber Fridays for Future und Black Lives Matter sind ja tatsächlich noch lebendige Bewegungen. Die antikapitalistischen Ansätze sind zwar meist Minderheitenpositionen geblieben, aber sie existieren noch. Natürlich könnte Fridays for Future mehr antikapitalistische und revolutionäre Ansätze haben, aber machen wir uns nichts vor: Solche Ansätze waren bei eigentlich jeder vergangenen Massenbewegung in Deutschland immer Minderheitenpositionen, auch bei den Studentenprotesten 1968 waren marxistisch-revolutionäre Positionen nicht in der Mehrheit. Das ist natürlich kein Grund, davor zu kapitulieren. Die effektivste Möglichkeit, radikale Ansätze bei Bewegungen wie Fridays for Future zu verstärken, ist es nicht zu versuchen, sie von außen zu lenken, sondern sich mit gutem Beispiel einzubringen und die Kämpfe selbst zu führen. In der Ökobewegung gelingt das recht gut: Zu den öffentlich wirksamsten Aktionen gehören »Ende Gelände« oder die Besetzung des Hambacher Forstes, die komplett von radikalen, antikapitalistischen Linken dominiert sind.

    Sierau: Wir als SDAJ sind überrascht, wie lange Fridays for Future schon existiert und immer wieder in der Lage ist, auch große Mengen von Menschen zu mobilisieren. Am Ende geht es darum, die Macht in Händen zu halten, um das, was man fordert, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene umsetzen zu können. Sicher ist es auch möglich, durch vereinzelte Aktionen wie zum Beispiel im Hambacher Forst mal zu verhindern, dass da was abgeholzt wird, aber damit erledigt sich das Grundproblem nicht, nämlich dass diese Produktionsweise unsere Lebensgrundlage immer weiter zerstört. Um daran etwas ändern zu können, braucht es eine Beteiligung der arbeitenden Menschen, die in der Lage sind, durch einen Streik auch real etwas zu verändern.

    Zottmann: Erik, in der Vergangenheit seid ihr in der Organisation der Abwehrkämpfe an den Kliniken beachtliche Schritte gegangen. Der Gesundheits- und Pflegebereich wurde kaputtgespart und privatisiert. Bräuchte es nicht eher gesetzliche Regelungen und Maßnahmen, die von einer breit aufgestellten Bewegung erkämpft werden?

    Busse: Im Moment besteht die Situation, dass es in den Krankenhäusern sehr wenig gesetzliche Regelungen gibt. Verdi hat in den vergangenen fünf Jahren in langen, sehr aufwendigen Arbeitskämpfen viele Tarifverträge abgeschlossen, die auf Station die Personalrichtlinien festlegen. In der Uniklinik Düsseldorf war ich selbst daran zwei Monate lang beteiligt. Eine gesetzliche Regelung müsste endlich erfolgen, aber es passiert nichts. Dabei ist es unglaublich, dass es Krankenhausstationen gibt, in denen nicht festgelegt ist, wieviel Personal mindestens vorhanden sein muss. Um all dem entgegenzuwirken, um zu verhindern, dass das Personal verheizt wird, sind die Tarifverträge ein erster Schritt. Doch Verdi kämpft auch darum, entsprechende gesetzliche Regelungen einzuführen.

    Zottmann: Sascha, in einer von euch veröffentlichten Broschüre zu »Querdenkern« und »Hygienedemos« weist ihr darauf hin, dass linke Politik mehr sein muss als nur antifaschistischer Widerstand. Von Krisenzeiten profitieren aber nun mal oft Faschisten und Reaktionäre. Wie erklärt sich das?

    Hevalski: Protest und politischer Aktivismus auf der Straße können erfolgreich sein, das gilt natürlich auch für reaktionäre Bewegungen. In Zeiten, in denen sie stark sind, darf man sich nicht wundern, wenn auch der Staat relativ ungehemmt reaktionäre Politik durchsetzen kann. Von Krisenzeiten profitieren oft Rechte, aber es gibt keinen immanenten Grund, warum die Linke nicht in der Lage sein sollte, sich in Krisenzeiten eine stärkere Basis zu schaffen. Es sieht bei der Coronakrise zugegebenermaßen ganz danach aus, als würden die Rechten das deutlich effektiver nutzen als die Linke. Das liegt aber zu einem guten Teil auch an unseren Schwächen. Uns gelingt zu selten, trotz aller guten theoretischen Ansätze tatsächliche Abwehrkämpfe gegen die Krise zu führen. Hoffnung macht da aber die Krankenhausbewegung.

    Zottmann: Roylan, ihr seid als DIDF-Jugend in dem Bündnis »Nicht auf unserem Rücken« bundesweit aktiv. Warum engagiert ihr euch gerade jetzt in Bündnissen gegen die Abwälzung der Krisenlasten?

    Tolay: In den jetzigen Zeiten ist es wichtiger denn je für die fortschrittlichen Organisationen, sich untereinander zu vernetzen. Es ist wichtig, die Widersprüche der heutigen Zeit aufzuzeigen. Wenn ich darüber rede, dass Studierende nicht einmal Überbrückungshilfen bekommen oder vom Staat mit bürokratischen Auflagen überhäuft werden, um irgendwie knappe 500 Euro zu erhalten, und wenn wir sehen, dass die BRD im vergangenen Jahr 45,2 Milliarden Euro in die Rüstung gesteckt hat, dann müssen wir sagen: Das Geld ist da, aber wofür wird es ausgegeben? Das ist die Perversion, die wir immer wieder benennen müssen, die wir den Menschen klarmachen müssen: »Hier läuft etwas falsch, das betrifft auch dein Leben.«

    Zottmann: Leon, wer das Wort »Krise« hört, denkt fast immer zuerst an Corona und nicht an die Krise des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Was tut die SDAJ konkret, um schneller auf das politische Geschehen reagieren zu können?

    Sierau: Ein ganz entscheidender Punkt ist, in das politische Geschehen frühzeitig orientierend eingreifen zu können. Sascha meinte eben, dass wir als Linke zu schwach waren, was eine Ursache dafür ist, dass die Rechte jetzt so einen Auftrieb hat mit den Protesten gegen die Coronamaßnahmen. Das hat viel damit zu tun, dass es der Rechten immer leichter fällt, an die herrschenden gesellschaftlichen Gegebenheiten anzuknüpfen, aber zum Teil sicherlich auch damit, dass wir als politische Linke insgesamt zu langsam und nicht konsequent genug darin waren, fortschrittliche Proteste auf den Weg zu bringen. Noch etwas: Erik, du hast eben gesagt, es gehe erst einmal und vornehmlich darum, tarifliche Regelungen zu finden. Das sehe ich grundsätzlich auch so. Aber mich würde interessieren, wie du zum Thema Recht auf politischen Streik stehst.

    Busse: Diese Forderung unterstütze ich uneingeschränkt, und auch Verdi ist dem politischen Streik, so wie ich das einschätze, nicht prinzipiell abgeneigt. Denn es lässt sich ja leicht einsehen, dass ganz viele unserer Forderungen etwa im öffentlichen Dienst mit grundsätzlich politischen Fragen eng zusammenhängen.

    Zottmann: Wir haben jetzt viele Fragen von den Zuschauern bekommen. Mehrere gehen in die Richtung: Worin bestehen die politischen Gemeinsamkeiten, und wie können die fortschrittlichen Jugendorganisationen in der BRD enger zusammenarbeiten?

    Busse: Eine enge Zusammenarbeit besteht ja ohnehin schon über die verschiedenen Bündnisse. Die Vernetzung und die gegenseitige Einladung zu Treffen führt dazu, die Kräfte zu bündeln.

    Sierau: Uns alle eint inhaltlich, dass wir einen Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen und der politischen Krise sehen sowie mit all den Auswirkungen, die das mit sich bringt, also wachsende Polizeibefugnisse, rechte Massenbewegungen, ein immer repressiver auftretender Staat, der auch nach außen aggressiver wird. Wenn wir dann dahin gelangen, auch die Ursachen klar zu benennen und gemeinsam mit unseren Mitschülerinnen und Mitschülern, Kolleginnen und Kollegen auch die Menschen, die nicht Mitglied in einer sozialistischen Organisation sind, zu der Erkenntnis zu bringen: »Dieses System handelt nicht in meinem Interesse«, dann sind wir einen großen Schritt weiter.

    Zottmann: Noch eine Frage an Sascha. »Ende Gelände« und Co. sind deiner Aussage nach massenwirksam. Aber bei den angesprochenen Besetzungen werden teilweise Arbeiterinnen und Arbeiter bei ihrer Arbeit behindert. Die sehen sich dann persönlich angegriffen, weil sie sich teilweise sehr stark durch ihre Tätigkeit definieren, da sie ihr ganzes Leben in diesem Bereich gearbeitet haben. Dass die Aktionen nicht gegen sie gerichtet sind, wissen sie oft nicht, was auch teilweise an der Aktionsform liegt. Wäre es nicht wesentlich wirksamer, mit den Arbeiterinnen und Arbeitern zusammen für eine gemeinsame Zukunft und gegen die Profitinteressen der Bonzen zu kämpfen, beispielsweise indem Diskussionen zur Ökologie in den Basisorganisationen der Gewerkschaft geführt werden?

    Hevalski: Die North East Antifa ist nicht »Ende Gelände«. Daher kann ich nicht als deren Sprecher über Stärken oder Fehler dieser Bewegung urteilen. Tatsächlich wird doch auch mit den Gewerkschaften zusammengearbeitet. Das klappt im rheinischen Braunkohlerevier deutlich besser als im Revier in der Lausitz, was auch daran liegt, dass im Rheinland ein sehr viel höherer gewerkschaftlicher Organisierungsgrad besteht. Natürlich wäre es besser, wenn alle Arbeiter sich an gemeinsamen Protesten beteiligen würden, aber wenn die letzten 8.000 Beschäftigten im Braunkohlesektor sich partout weigern, den Schuss zu hören und irgendwie für die Zukunft einzustehen … Man kann nicht zu jeder Zeit auf jeden »Arbeitnehmer« uneingeschränkt Rücksicht nehmen.

    Sierau: Ich stimme dir grundsätzlich darin zu, dass man nicht auf jeden individuell Rücksicht nehmen kann, aber wir sind uns doch hoffentlich darin einig, dass den Leuten eine Perspektive geboten werden müsste, wenn man sie einbinden will. Wir müssen mit den dort Beschäftigten solidarisch sein.

    Tolay: Diese Gegenüberstellung kann sehr gefährlich werden. Die Arbeiter, die da ein Stück Wald abholzen, handeln sicher nicht im eigenen Interesse. Das gilt es anzuerkennen.

    Zottmann: Welche Schlüsse ziehen wir aus dem Gespräch?

    Sierau: Kultur und Freizeit bleiben ein großes Thema, da sind viele Jugendliche ganz konkret von den Krisenbewältigungsmaßnahmen des deutschen Staates betroffen: Wenn etwa in der öffentlichen Daseinsfürsorge gekürzt werden wird, wenn die Kommunen immer weiter ausbluten und dann Freizeitangebote, Sportplätze, Jugendzentren und anderes kaputtgespart werden. Was uns ebenfalls weiterhin begleiten wird, ist das Problem Polizei. Nicht nur die rassistische Polizeigewalt oder rassistische Einstellungen in der Polizei, sondern generell die Ausweitung der polizeilichen und geheimdienstlichen Befugnisse. In der Bevölkerung herrscht durchaus ein Bewusstsein dafür, dass es nicht gerade cool ist, wenn die demokratischen Rechte immer weiter abgebaut werden.

    Busse: Schon jetzt werden viele Kultureinrichtungen geschlossen. Da findet jeder einen Anknüpfungspunkt.

    Tolay: Für mich ist besonders wichtig, was wir hier bereits festgehalten haben: Wir müssen endlich raus aus der Beobachterperspektive. Wir müssen rein ins Handeln, wir müssen in die Bewegungen selbst gehen und die Kämpfe von morgen schon heute führen. Und hierbei ist es auch enorm wichtig, gerade dort anzuknüpfen, wo sich der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit am schärfsten darstellt, und das ist letzten Endes in den Betrieben.

    Hevalski: »Raus aus der Beobachterposition, rein in die Praxis«, das ist das Stichwort.

  • 15.01.2021 19:30 Uhr

    Gelungener Jahresauftakt

    Die Rosa-Luxemburg-Konferenz 2021 – ein großes linkes Solidaritätsprojekt
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    Es gab viel zu lernen – für die Zuschauerinnen und Zuschauer bei dreizehn Vorträgen von renommierten Referentinnen und Referenten aus vier Kontinenten, bei zwei Podiumsdiskussionen, Gesprächen mit internationalen Künstlern sowie bei der Vorstellung der Aktion »Unblock Cuba«. Die Organisatoren junge Welt und Melodie & Rhythmus sammelten aber auch jede Menge Erfahrungen durch die Veranstaltung eines reinen Onlineevents.

    Rund 15.000 Zuschauer, die meisten aus dem deutschsprachigen Raum, waren es selbstverständlich nicht durchgängig. Wie bei der sonst analogen Konferenz jeder einmal in die Kunstausstellung, in das Café K oder zu den Marktständen geht, so gab es auch beim RLK-Viewing Erholungspausen.

    Unser Publikum will die Konferenz nicht nur mitverfolgen, es möchte ebenso live – und zwar in allen drei Konferenzsprachen – interagieren, etwa durch Fragen an die Vortragenden. Das zeigen die vielen Mails und Telefonanrufe, vor allem aber die Kommunikation in den verschiedenen Social-Media-Kanälen. Da war unsere personelle Grundausstattung von einer Kollegin bzw. einem Kollegen sehr gefordert.

    Glücklicherweise haben viele Zuschauer die Konferenz als Solidaritätsprojekt verstanden – wie es sich die Organisatoren gewünscht haben. Knapp 1.400 Unterstützerkarten, die meisten mit Beträgen ab 20 Euro, wurden aus 14 Ländern bestellt; viele Spenden gingen zusätzlich auf unserem Konto oder über Paypal ein. Mit diesen Mitteln und den Geldbeiträgen der 33 Unterstützerorganisationen kann die RLK 2021 zum großen Teil finanziert werden. Das ist in Wirtschaftskrisenzeiten nicht selbstverständlich. Es zeigt, dass viele Menschen und Organisationen weltweit zusammenhalten und für eine sozialistische Lösung der Krise kämpfen wollen. Wir danken daher in politischer und finanzieller Hinsicht allen Teilnehmenden herzlich! Dank auch an die Referentinnen und Referenten der diesjährigen Konferenz; sie haben hervorragende Aufklärungsarbeit geleistet!

    Nicht wenige aus dem diesjährigen RLK-Publikum waren keine Abonnenten der jungen Welt, des Kulturmagazins Melodie & Rhythmus oder der deutschsprachigen Granma. Da hat sich am vergangenen Wochenende etwas getan. Es kamen viele Bestellungen für alle drei Publikationen herein. Über 160 Besucherinnen und Besucher lesen jetzt die junge Welt drei Wochen zur Probe; deutlich mehr Menschen besuchen unsere Internetseiten. Wir hoffen sehr, dass aus den Neugierigen weitere Leserinnen und Leser werden.

    Die Konferenz wurde dank bewährter und neuer Partner in weite Teile der Welt gestreamt. Auch das ist eine neue Erfahrung: Mit Telesur aus Lateinamerika und dem Portal Redfish beginnt möglicherweise eine weitergehende Zusammenarbeit; beide Portale haben ihrem großen Publikum die gesamte Konferenz zur Verfügung gestellt. Dazu kommen der britische Morning Star, das dänische Blatt Arbejderen, aus Österreich Unsere Zeitung und aus Kuba Cubainformación sowie das ICAP, das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft. Wir danken allen unseren Streamingpartnern für die Unterstützung!

    Wer die Konferenz noch einmal nachempfinden möchte, der sei auf die Konferenzwebseite jungewelt.de/rlk hingewiesen: Die Berichterstattung zu allen Beiträgen und Fotostrecken vermittelt einen guten Eindruck des internationalen Events. Dort werden in den nächsten Wochen auch einzelne Vorträge der 26. RLK als Videos zu finden sein. Am 27. Januar erscheint die RLK-Beilage mit Kurzversionen der Hauptreferate. Die Broschüre mit den Vollversionen und einigen Zugaben erscheint Mitte bis Ende März.

    2022 wollen wir die Erfahrungen aus 25 analogen und einer digitalen Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz zusammenführen, um ihre 27. Ausgabe vor Ort und im Stream zu veranstalten. Dafür beginnen schon die Vorbereitungen. Es wird ein größeres Kollektiv gegründet und eine passende Spielstätte gesucht. Wir sind höchst motiviert – und hoffentlich sind Sie am 8. Januar 2022 auch wieder dabei.

    RLK-Vorbereitungskollektiv

  • 11.01.2021 19:30 Uhr

    Frische Luft

    Die Rosa-Luxemburg-Konferenz bot in diesem Jahr besonders viel Internationales statt deutscher Nabelschau
    Arnold Schölzel
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    Die Studiowand in der jW-Ladengalerie am Sonnabend: Ezé Wendtoin sendet aus Ouagadougou, Burkina Faso

    Keine Ahnung, um wieviel Zentner sich die Organisatoren der Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK) 2021 am Sonnabend beim Abschalten des Livestreams um 20.15 Uhr erleichtert fühlten. Es müssen mehr gewesen sein als üblich. Für die gut 60köpfige jW-Belegschaft ist auch bei 33 unterstützenden Organisationen das Gewimmel der Saalkonferenzen kaum zu bewältigen, die elektronische Variante steigerte einiges noch: Der Ablauf musste funktionieren wie die Schweizer Bundesbahn, in der jW-Ladengalerie sollte ein Fernsehstudio professionell arbeiten, Direktschaltungen nach Kalifornien,Rom, Madrid, Winnipeg und anderswohin hatten pünktlich zu stehen, es gab reihenweise einzuspielende Videos etc. Das Ergebnis: Es hat nicht nur gut geklappt, sondern sehr gut – selbst die Zahl der eingeworbenen Abonnements reichte an die vergangener Jahre heran. Nach dem ultimativen zweiten Auftritt Ingo Höhmanns aus dem jW-Aktionsbüro glühten die Drähte. Der Beobachter am Bildschirm zu Hause zählte drei Bildwackler, der Liveblog mit Zusammenfassungen informierte zügig, die Abwesenheit von Pannen war fast erschreckend. Am Abend teilten die Konferenzmoderatoren, die Schauspielerin und Regisseurin Anja Panse und der stellvertretende jW-Chefredakteur Sebastian Carlens mit, dass die eigenen Messanlagen 12.200 eingeschaltete Geräte gezählt hatten. Unbekannt ist, wie viele in Lateinamerika zuschauten, wo der Fernsehsender Telesur die Konferenzbilder verbreitete. Dasselbe gilt für Nordamerika und die meisten Kanäle der europäischen jW-Partnermedien. Schlussfolgerung: Wenn die nächste RLK wieder in Sälen stattfindet, soll sie erneut live im Internet übertragen werden.

    Das elektronische Format hatte einen Anteil daran, dass es am Sonnabend in den Referaten noch weniger als früher um deutsche Nabelschau ging und schon gar nicht um hiesigen medialen Mief – das galt in diesem Jahr auch für die Abschlussdiskussion: Thema war nicht das jüngste Zickzack deutscher Linker, sondern der globale gewerkschaftliche Kampf, so jW-Chefredakteur und Diskussionsleiter Stefan Huth, »gegen den bislang größten Pandemieprofiteur, Amazon« (siehe die Dokumentation der Runde auf den Seiten 12/13 in jW vom 11. Januar). Sehr speziell: Ein vor kurzem noch als Vizepräsident der Cloud-Tochtergesellschaft des US-Konzerns tätiger Manager, äußerte sich zur Vergesellschaftung von Konzernen.

    Den Raubbau beenden

    Der Tag begann mit Kunst, den Ausstellungen der Fortschrittlichen Arbeiterfotografen/R-mediabase (siehe jungewelt.de/fotoausstellung) und der Gruppe »Tendenzen«, letztere zum Thema »Sozialismus oder Barbarei«. Die Formulierung Rosa Luxemburgs war der rote Faden in den Beiträgen des Tages, z. B. im Referat des italienischen Philosophen Stefano Azzarà: In der Pandemie tauchen weltweit die Klassen wieder auf und stellen die »immanente Religiosität des Kapitalismus« (Walter Benjamin) in Frage. Die »Rationalitätsdefizite« des Westens werden virulent: im Hass auf den »barbarischen« Aufsteiger China und im »zynischen eugenischen Pandemiemanagement der angelsächsischen Länder«. Ähnlich auch die indisch-kanadische Wirtschaftswissenschaftlerin Radhika Desai: Der frühere Kalte Krieg hat den Kommunismus nicht besiegt, der jetzige könnte den Kapitalismus besiegen. Denn nach 100 Jahren versuchter Vorherrschaft des kriminell-spekulativen US-Finanzsystems stagnieren Wirtschaft und Produktivität, hat die dadurch bewirkte Deindustrialisierung des Westens den Aufstieg Chinas gefördert. Noch radikaler der US-Ökonom John Bellamy Foster: Kapitalismus schließt Ökologie aus, Ökologie und Sozialismus sind letztlich eins. Das ist im Grundkonzept von Marx enthalten, wie Foster am Beispiel des »Kapital« zeigte und folgerte: »Die Expropriateure der Natur müssen expropriiert werden.« Und schließlich der kubanische Publizist Enrique Ubieta Gómez: Entweder ändert die Menschheit ihr Verhältnis zur Natur oder die Natur »ändert« sie. Nur der Sozialismus kann ein rationelles Verhältnis zur Natur schaffen, wie Kuba zeigt. Dort ist in der Pandemie kein Krankenhaus zusammengebrochen, sondern das von Trump strangulierte Land entwickelt Impfstoffe.

    »Rassenfaschismus«

    Zwischen den Hauptreferaten bot die Konferenz in rascher Folge politische Gespräche, Kommentare und Musik wie gewohnt. Der Chefredakteur des Londoner Morning Star, Ben Chacko, kommentierte den Prozess gegen Julian Assange: Wer über Folter in US-Gefängnissen berichtet, an dem haben Menschenrechtskrieger kein Interesse. Die Chefredakteurin des Magazins für Gegenkultur Melodie und Rhythmus, Susann Witt-Stahl, kündigte das Thema des nächsten Heftes an: Irrationalismus und Wahn, die »Pandemie des Sozialdarwinismus«. Sie lud zur Feier des 100. Geburtstags von Erich Fried, dem 1988 verstorbenen antifaschistischen Dichter, ein: am 7./8. Mai im Berliner Kino »Babylon«. Beim SDAJ-Jugendforum diskutierten fünf Aktivistinnen und Aktivisten zum Teil kontrovers die Folgen von Krise und Pandemie für Jugendliche: Kommunale Treffs sind geschlossen, Betriebe bilden nicht mehr aus. Spontane Jugendbewegungen sind da, Linke sollten in ihnen orientierend wirken. Der Songwriter Ezé Wendtoin meldete sich aus Burkina Faso. Er sang u. a. »Sag nein!« von Konstantin Wecker. Der hatte das Lied gegen Neonazis aus dem Jahr 1993 in seinem Videobeitrag später auch im Programm. Peter Wittig und Margarete Steinhäuser sprachen live über die Geschichte ihrer Berliner Theatertruppe »Sidat« und ihre Inszenierung von Brechts »Tage der Commune«: Das Stück handele von revolutionärer Gewalt und von den Skrupeln bei deren Gebrauch, sei also gegen Gewalt. Skrupel aber haben Ausbeuter noch nie gehabt. Zum 150. Jahrestag der Commune soll es wieder Aufführungen geben.

    Es folgen Beispiele für Ausbeutergewalt: Kamal Hamdan, Generalsekretär der KP Libanons, schilderte den wirtschaftlichen Zusammenbruch seines Landes und den Aufstand der Bevölkerung. Der US-Imperialismus verhindert aber von Syrien bis Jemen Stabilität. Dora Cheick Diarra, Sekretär der Partei SADI aus Mali, wo faktisch seit 2011 ein von außen geschürter Bürgerkrieg herrscht, berichtete von Friedensbemühungen seiner Partei. Frankreich hat aber andere Interessen. Donna Murch, Politikprofessorin in New Jersey, erläuterte die Geschichte des »Rassenfaschismus« in den USA. Trump ist kein Zufall, sondern wird davon getragen. Die weiße Mittelschicht steigt ab, ihre »Herrenvolkdemokratie« bröckelt, ihre Lebenserwartung sinkt massiv. Gleichzeitig entstehen Bewegungen wie »Black Lives ­Matter« mit fünf bis sechs Millionen Anhängern. Johanna Fernández, die Sprecherin des Verteidigungskomitees für Mumia Abu-Jamal, der schon 39 Jahre im US-Gefängnis sitzt, bekräftigte: Wer Linker ist, wird in den USA vom Staat umgebracht. Mumia erinnerte in seiner Audiobotschaft an die Kombination von Ultranationalismus und antiwissenschaftlichem Humbug, der Trumps Wähler mobilisierte, und gleichzeitiger Masseninhaftierung politischer Gegner.

    Der indische Autor Vijay Prashad warnte vor einem »hybriden Krieg« zwischen den USA und China. Die Volksrepublik ist wissenschaftlich erfolgreich, in den USA verbreiten sich Aberglaube und antiwissenschaftliche Einstellungen. Hauptwaffe gegen die Unvernunft des Kapitalismus so Janoshi Rosas, Generalsekretärin der Kommunistischen Jugend Venezuelas, sind wissenschaftlicher Sozialismus und Solidarität. Miriam Näther (Cuba Sí) belegte das: Sie berichtete über die Kampagne »Unblock Cuba!«. Per Video sagte Fernando González Llort, Präsident des ICAP, des Kubanischen Instituts für Völkerfreundschaft und als einer der »Miami Five« jahrelang im US-Gefängnis, dass sich der Initiative 80 Organisationen in 24 Ländern angeschlossen haben. Selahattin Demirtas, den Erdogan 2016 in den türkischen Knast warf, schickte eine Mut machende Grußbotschaft: Die Ausbeuterordnung hat ihr »Mindesthaltbarkeitsdatum längst überschritten«. Und der Liedermacher David Rovics erläuterte vor der Abschlussdiskussion im Gespräch mit Susann Witt-Stahl, warum er der Überzeugung ist: Die Trump-Bewegung ähnelt dem italienischen und deutschen Faschismus des 20. Jahrhunderts. Die Hälfte von Polizei und Geheimdiensten, schätzte er, sind Anhänger weißer Vorherrschaft.

    Ein Tag, vollgepackt mit Information, Aufklärung und politischer Kunst – es lohnt sich, nachzusehen und nachzulesen: Durchlüftung kontra pandemischen Mief.

  • 10.01.2021 19:30 Uhr

    Ein Lied bleibt im Kopf

    Das war die XXVI. Rosa-Luxemburg-Konferenz
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    »Theater kann Mut machen, die Welt zu verändern« (Studiobühne: Margarete Steinhäuser, Anja Panse, Peter Wittig, v. l. n. r.)

    Kultur ist keine Politik, auch wenn sie bisweilen so tut. Ein Song hat noch keinen Krieg verhindert, ein Roman kaum die Situation der Ärmsten zum Besseren gewendet. Der Glaube an die Wirkkraft politisch aufgeladener Werke ist trotzdem nicht verkehrt. Und mehr als nur schmückendes Beiwerk ist vor allem kritische Kultur allemal. Ein spitzer Stachel im faulen Fleisch fieser kapitalistischer Verhältnisse, Taktgeber der Motivation, die Dinge zu ändern, kämpfend, wenn’s sein muss. So was und einiges mehr.

    Die Gruppe Tendenzen kann dazu längst eine stattliche Reihe von Werken präsentieren. Seit vielen Jahren kuratiert sie die Kunstausstellung der Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK), so auch die aktuelle, XXVI. Konferenz am vergangenen Samstag, in der die tatkräftige Revolutionärin Rosa Luxemburg in Form von Kunst geehrt wird. Die Frage, die sie einst stellte, bleibt schließlich aktuell: Können wir eine menschengerechte Welt erkämpfen, oder werden Krieg und Barbarei triumphieren? Man kann dazu ziemlich kluge Bilder malen.

    Ein kluger, außerdem ausgesprochen sympathischer Typ ist Ezé Wendtoin, der uns um die Mittagszeit herum aus Burkina Faso herzlich grüßte, aus seiner Heimatstadt Ouagadougou, in der er sich seit drei Wochen befindet. Wendtoin hat dort einen Traum verwirklicht und gerade eine Schule eröffnet. In Dresden, wo Wendtoin lebt, hat er seinen Master in Germanistik gemacht, er findet die deutsche Sprache »witzig, spielerisch und herausfordernd«. Hierzulande bekannt wurde er mit der originellen Coverversion des Konstantin-Wecker-Klassikers »Sage nein« – ein Album u. a. mit antirassistischen Songs folgte.

    Und Sonnabend eben, für die RLK, ein unterhaltsamer Auftritt mit befreundeten Musikern – Keyboard, Gitarre, Bass, Drums, Wendtoin an Mikro und Gitarre. Und natürlich legt er gleich los mit »Sage nein«, mit »Wenn sie jetzt ganz unverhohlen / Wieder Nazilieder johlen …«. Und die Band groovt lässig, macht spielerisch Druck, spielt ein paar ernste, ein paar niedliche Songs, und am Ende landet der Gig bei einem schönen Liebeslied, einem Lied der Suche, Wendtoin singt: »Wie kamst du auf die Idee, bei der Zugabe wegzugehen …« Stimmt, geht gar nicht.

    Ernster ging es zu beim Auftritt des Ensembles des Simon-Dach-Theaterprojekts (Sidat!), das Szenen aus Bert Brechts »Die Tage der Commune« (1949) spielte. Es sei vor allem ihre Sorge angesichts des rechten Rollbacks gewesen, erklärte Peter Wittig, die 2017 zu der Inszenierung der Urfassung bewegt hätte. »Theater kann nicht die Welt ändern, aber kann Mut machen, die Welt zu verändern«, formuliert der Regisseur und Mitbegründer des Sidat die Überzeugung der Beteiligten gegenüber RLK-Moderatorin Anja Panse. Es wurde eine der erfolgreichsten Arbeiten der Truppe um ihn und Margarete Steinhäuser.

    Warum die Inszenierung soviel Anklang fand, demonstriert die für die RLK erstellte Videofassung. Stark wirkt die Musik von Hanns Eisler, die in der Sidat-Fassung deutlich mehr Raum bekommt als in der klassischen Inszenierung von Manfred Wekwerth und Joachim Tenschert, wie Wittig herausstellt.

    Welche technische wie ästhetische Herausforderung die Zwanzigminutenversion der zweieinhalbstündigen Aufführung war, merkt man kaum. Auch im Schnelldurchlauf wird dem Zuschauer deutlich: Es geht hier um keine staubige Geschichtslektion, sondern um Realität. Der Kampf der Reichen gegen die Armen hört nicht auf, der organisierte Aufstand der Ausgebeuteten bleibt unumgänglich.

    Die Bühne würde ihm in Coronazeiten schon sehr fehlen, erzählte Konstantin Wecker kürzlich der jW. Danach ging’s um die »Querdenker«: »Sie tragen Bilder von Sophie Scholl mit sich und berufen sich auf sie. Ich habe seit zwanzig Jahren ein Porträt von ihr in diesem Zimmer hängen, und diese ›Querdenker‹ bemächtigen sich ihrer. Unverschämt!« Eine andere Widerstandskämpferin, die dieser leidenschaftliche, politische Liedermacher sehr schätzt, heißt, na klar, Rosa Luxemburg, von der wir, so Wecker in seiner gestreamten Botschaft, »gerade heute sehr viel lernen« könnten, »weil sie vom Herzen und vom Verstand eine grenzenlose Solidarität dachte und lebte«.

    Aufgezeichnete wie ausgezeichnete Bühnenauftritte gab’s danach, am späten Nachmittag, gleich zwei zu sehen: einmal mit großem Rockaufgebot inklusive Riesenstreicherhimmel, das andere Mal die kleinere Nummer, Wecker und Gäste am Mikro, begleitet von Cello und Flügel. Politische Eindringlichkeit von links als große Unterhaltung. Nein, das ist kein Widerspruch. Andersherum formuliert: Schon Folklegende Woody Guthrie wusste, dass eine Akustikgitarre bestenfalls eine Art Maschine sein kann, um Faschisten zu bekämpfen. Der US-Musiker David Rovics pflegt diese Tradition weiter: Wie Joe Hill, Guthrie und Pete Seeger nutzt er seine Sechssaitige, um auf Demos und Streiks seine politischen Botschaften zu verbreiten. Ein Flugblatt ist schnell zerknüllt und weggeworfen, ein Lied bleibt im Kopf – wenn es gut gemacht ist. Das sind Rovics’ Lieder – und eingängig, klug, humorvoll dazu. Schnell reagiert er mit ihnen auf tagespolitische Ereignisse. Sein 200-plus-Repertoire, entstanden in einer langen »Karriere« als Straßenmusiker und Protestsänger, stellt er kostenlos über seine Homepage zur Verfügung.

    Anders als bei vielen seiner Landsleute kann man das Wort »Socialism« bei Rovics wirklich als »Sozialismus« übersetzen. Der Anarchist kennt den Unterschied zwischen der US-amerikanischen Ausprägung von Sozialdemokratie und einer wirklich kapitalismuskritischen Politik. Das zeigte sich im Livegespräch mit Susann Witt-Stahl, der Musiker war aus seiner Heimat Portland zugeschaltet. Das Problem der USA sei weit größer als »bloß« Rassismus, so Rovics. Vielmehr werde man gerade Zeuge des Aufstiegs einer neuen faschistischen Bewegung – eine Folge der immer tieferen gesellschaftlichen Spaltung durch den Klassenkampf von oben seit den 1970er Jahren.

    Danach gab er, das erste Mal seit knapp 20 Jahren wieder Gast der RLK, Kostproben seines Könnens, sang von politischen Lügen und coronakranken Arbeitern am Band, den zahllosen von einer rassistischen Polizei ermordeten Schwarzen, deren Namen man nie vergessen darf (»Say Their Names!«) und den Vorzügen von Laubbläsern im Kampf gegen Tränengas. Einer der emotionalsten Momente der diesjährigen Konferenz.

    Zum Abschluss, gegen 20 Uhr, dann noch einer: »Die Internationale«. Das weltweit am weitesten verbreitete Kampflied der Arbeiterklasse wird dieses Jahr 150 Jahre alt. Traditionell singen alle Besucherinnen und Besucher das Stück aus voller Kehle. Geht ärgerlicherweise nicht. Dafür brachten die Musiker Nicolás Miquea und Tobias Thiele das Lied in gleich drei Sprachen auf die Studiobühne in Berlin. Ein kämpferisches Finale für eine besondere Konferenz. (jW)

  • 10.01.2021 19:30 Uhr

    »Amazon sollte zerschlagen werden«

    Der Onlineriese als Krisengewinnler. Moderne Ausbeutung und gewerkschaftliche Kämpfe. Auszüge aus der Podiumsdiskussion auf der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
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    Präsenz in der Ladengalerie. jW-Chefredakteur Stefan Huth im Gespräch mit Verdi-Funktionär Orhan Akman

    Stefan Huth: Herzlich willkommen zu unserem Podiumsgespräch. Es geht um den »Krisengewinnler Amazon«. Wie kaum ein anderes Unternehmen hat der Onlineriese von der Coronapandemie profitiert. Während der stationäre Handel in Fachgeschäften und Kaufhäusern zwischenzeitlich praktisch zum Erliegen gekommen ist, wuchsen die Umsätze von Amazon ins schier Unermessliche. Firmeninhaber Jeff Bezos verfügt inzwischen über ein geschätztes Privatvermögen von rund 183 Milliarden US-Dollar. Aber wer zahlt am Ende die Zeche? Die Arbeitsbedingungen in den euphemistisch als Fulfillment-Centern (»Wunscherfüllungszentralen«) bezeichneten gigantischen Lager- und Verteileinrichtungen sind für die Beschäftigten eine reine Zumutung. Arbeitshetze, schlechte und untertarifliche Bezahlung sowie permanente Kontrolle durch intransparente Algorithmen gehören zur gängigen Praxis. Hinzu kommen harte körperliche Belastungen. Die Mitarbeiter werden auf reine Funktionalität reduziert und damit gleichsam zur bloßen Verlängerung der Maschinen – Zustände also, wie wir sie aus dem Manchesterkapitalismus des 19. Jahrhunderts kennen. Dies zwingt Linke aller Couleur weitergehende Fragen auf – auch die nach einer künftigen menschengerechten Gesellschaftsordnung. Es soll heute Abend um das Ausbeutungsmodell von Amazon, um Monopolbildung und um Ansätze erfolgreichen Widerstands gehen, aber auch um eine mögliche Vergesellschaftung solcher Konzerne in einer anderen Gesellschaftsordnung als der kapitalistischen.

    Unsere Diskussionsteilnehmer: Zunächst Timothy Bray aus Kalifornien. Der Softwareentwickler war Vizepräsident bei Amazon Web Services EWS, hat sich jedoch von dem Konzern abgewandt und praktisch die Seiten gewechselt. Aus Madrid spricht zu uns Fátima Aguado Queipo, Sekretärin der Gewerkschaft Federación de Servicios de Comisiones Obreras, CCOO. Begrüßen darf ich auch Massimo Mensi, Sekretär für internationale Beziehungen in der Gewerkschaft CGIL in Rom. Last but not least, mein Studiogast in der jW-Ladengalerie, Orhan Akman. Er ist Bundesfachgruppenleiter für den Einzel- und Versandhandel beim Verdi-Bundesvorstand. Zudem ist er zentraler Koordinator der Arbeitskämpfe bei Amazon in der BRD. Timothy, könntest du uns schildern, was dein Arbeitsbereich bei Amazon war und was am Ende zu deiner Kündigung geführt hat?

    Timothy Bray: Ich habe für Amazon Web Services gearbeitet, den Cloud-Computing-Bereich des Unternehmens. Als ich das Unternehmen verließ, hatte ich die Funktion eines Vice Presidents. Anfang 2020, als Covid-19 sich ausbreitete, kam es schnell zu Diskussionen zwischen den Arbeitern und dem Unternehmen darüber, ob es am Arbeitsplatz sicher sei. Amazon behauptete, sie geben Hunderte von Millionen Dollar für die Sicherheit aus, aber die Arbeiter sagten: »Wir kennen nicht einmal die Distanz, die wir einhalten müssen.« Einige der Büroarbeiter haben dann Unterstützung für die Lagerarbeiter organisiert, und plötzlich begann Amazon, die Arbeiter und ihre Unterstützer zu entlassen. Auch mir war es nicht mehr möglich, Amazon von innen heraus zu kritisieren: Am 1. Mai habe ich den Konzern verlassen.

    Huth: Waren denn auch andere Kollegen aus der Vorstandsetage kritisch eingestellt oder hast du da auf verlorenem Posten gekämpft?

    Bray: Ich weiß nicht, ob andere in vergleichbaren Positionen Kritik geübt haben, aber es gab bei den Technikern, in der Verwaltung und bei den Designern sehr viel Unterstützung für die Arbeiter. Auch die Organisation »Amazon Employees for climate justice« (Amazon-Beschäftigte für Klimagerechtigkeit) hat von innen heraus den Lagerarbeitern geholfen. Ich war also nicht die einzige progressive Person dort.

    Huth: Wenn du eine Bilanz ziehst, würdest du sagen, dass dein Ausstieg zu spät erfolgte?

    Bray: Nein, das glaube ich nicht. Amazon ist ja nicht das Problem, sondern nur ein Symptom des Problems, das darin besteht, dass im Kapitalismus des 21. Jahrhunderts die Ungleichheit an Wohlstand und Macht zwischen den Besitzenden und den Arbeitern inakzeptabel ist. Einzigartig bei Amazon ist nur, wie dort versucht wird, die Debatte zu kontrollieren, indem sie kritische Leute entlassen. Das ist nicht akzeptabel, und das war auch der Faktor, der mich veranlasste, das Unternehmen zu verlassen.

    Huth: Du hast seither internationale Kontakte geknüpft: Gestaltet sich die Praxis in den USA anders als in den Verteilzentren in der restlichen Welt?

    Bray: Ja, die Dinge liegen anders in den USA, insbesondere im Unterschied zu Europa. Als Beispiel mag Frankreich dienen. Zu Beginn der Pandemie haben die Gewerkschaften Amazon dort vor Gericht gezerrt und gesagt, die Bedingungen sind nicht in Ordnung. Amazon hat diesen Prozess verloren. In Europa ist die Position der Gewerkschaften insgesamt wesentlich stärker als in den USA, wo sie im weltweiten Vergleich wahrscheinlich sogar am schwächsten ist. Es gab eine gezielte Politik gegen die Gewerkschaften seit den 70er Jahren, eine gezielte Schwächung der Arbeiterklasse. Vielleicht ändert sich das in der Zukunft, aber derzeit ist die Position schrecklich. Man hat die Effizienz so sehr intensiviert, dass es keinen Moment der Ruhe gibt: Man darf nie innehalten. In einigen Lagern wurden Roboter eingeführt, die den Arbeitern die Waren bringen. In diesen Lagern gib es dann auffälligerweise mehr Verletzungen. Und jede Sekunde, die man steht, muss man etwas tun. Der menschliche Körper ist nicht dafür gemacht, unter solchen Bedingungen zu arbeiten. Die Menschen brauchen Pausen.

    Huth: Hast du noch Kontakt zu Leuten aus der Führungsetage? Und wie wurde dein Schritt dort aufgenommen?

    Bray: Da gibt es nur noch ganz wenig Kontakt. Es gibt wahrscheinlich die interne Devise: »Redet nicht mit Bray, das ist ganz gefährlich, sich mit dem zu unterhalten.«

    Huth: Wurdest du sozusagen als der Edward Snowden von Amazon wahrgenommen?

    Bray: Ich glaube, für große Konzerne ist die Welt ganz simpel gestrickt: »Wenn du nicht für uns bist, bist du ein Gegner.« Und von Amazon werde ich als Feind wahrgenommen.

    Huth: Erstmal vielen Dank, Tim. Als nächstes begrüße ich Fátima aus Madrid. Kannst du die Lage der Amazon-Beschäftigten in Spanien charakterisieren und ins Verhältnis zu dem setzen, was Tim gesagt hat?

    Fátima A. Queipo: Zunächst einmal haben wir in Spanien ein Gesetz, das die Arbeiter doch relativ gut unterstützt, und es gibt noch eine gewisse Stärke der Gewerkschaft. Nach dem Gesetz hat man das Recht, über die Arbeitsbedingungen zu sprechen und die Forderungen der Gewerkschaft vorzutragen. Das Schwierigste ist, Kandidaten für eine gewerkschaftliche Vertretung zu finden. Amazon agiert hier wie ein Chamäleon und versucht, seine eigenen Kandidaten einzuschleusen. Im Moment ist es so, dass wir nur in neun von insgesamt dreißig Arbeitszentren eine gewerkschaftliche Organisierung haben. Und wir haben dieselben Probleme mit Amazon, über die Timothy gerade berichtete. Die haben hauptsächlich mit psychosozialen Problemen infolge der starken Arbeitsauslastung zu tun.

    Huth: Du sprachst von eigenen Amazon-Kandidaten. Kannst du genauer sagen, wie diese gelben Gewerkschaften von Amazon installiert und gefördert werden?

    Queipo: Das spanische Gesetz schreibt vor, dass die Unternehmen Gewerkschaftswahlen durchführen bzw. zulassen müssen. Dagegen kann ein Unternehmen sich nicht wehren. In dieser Situation hat Amazon selbst einige Leute überzeugt, sich als Kandidaten aufzustellen. Und dann erschweren sie mit ihren eigenen Leuten hier die gewerkschaftliche Arbeit. Glücklicherweise ist es so, dass wir diese Tricks oftmals erkennen und dann in der Lage sind, dagegen vorzugehen. Jedoch haben wir auch Probleme mit den schon erwähnten robotergestützten Tätigkeiten, da sind die Leute relativ schnell völlig erschöpft.

    Huth: Gab es Hinweise, dass diese gelben Gewerkschaften auch finanziell gefördert worden sind, es also eine Art Bestechungsgeld gab?

    Queipo: Ja, diese Hinweise gab es. Die Praxis von Amazon zwingt zu dem Schluss, dass wir es mit einer Art Monstrum zu tun haben. Als Gewerkschaft haben wir es in diesem Konzern sehr schwer. Welchen Rat kann man geben? Das Beste ist, wenn man sich zusammenschließt. Das heißt, wenn wir ein Netz schaffen, mit dem wir Gewerkschafter uns gegenseitig warnen, etwa wenn man erfährt, dass Amazon versucht, die Gewerkschaftswahlen zu beeinflussen.

    Huth: Danke, Fátima. Schalten wir nach Rom zu Massimo Mensi. Im Frühjahr 2020 war Italien einer der globalen Hotspots der Coronapandemie. Dabei sind auch die Logistikzentren von Amazon in die Schlagzeilen gerückt. Massimo, kannst du uns sagen, wie die Arbeit eurer Gewerkschaft sich unter diesen Bedingungen gestaltet hat und was ihr erreichen konntet?

    Massimo Mensi: Während der ersten Phase der Pandemie im April wurde ein Abkommen geschlossen, um sicherzustellen, dass die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus umgesetzt werden. Amazon hat damals versucht, seine Verpflichtungen zu umgehen und versucht, in die Verhandlungen einzugreifen. In Piacenza, dem ersten Lager, das wir gewerkschaftlich organisiert hatten, haben die Arbeiter einen elftägigen Streik ausgerufen, damit die Maßnahmen vollständig umgesetzt werden. Aber wie meine Kollegin Fátima schon gesagt hat, ist das schwierig, denn Amazon lässt keine Gelegenheit aus, uns zu spalten. In Italien haben wir wesentlich mehr rechtliche Möglichkeiten, uns zu wehren, als in den USA, aber es ist aufgrund der Fluktuation nicht einfach, die Arbeiter zusammenzubringen. Die Beschäftigten bleiben im Durchschnitt vielleicht 18 bis 24 Monate in einem Lager.

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    Schwierige Bedingungen gut gemeistert. Zum ersten Mal fand die Podiumsdiskussion der Luxemburg-Konferenz digital statt (von oben links im Uhrzeigersinn: Fátima Aguado Queipo, Massimo Mensi, Stefan Huth, Timothy Bray)

    Huth: Wie sieht das generell in Italien aus ?

    Mensi: Dort, wo Amazon sich ansiedelt, ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Da ist es für den Konzern einfacher, sich in der Region als Wohltäter auszugeben. Das stimmt aber nicht. Die Arbeiter mancher Verteilzentren müssen teils im Auto in der Nähe des Gewerbegebietes schlafen, der Konzern stellt nicht einmal Unterkünfte zur Verfügung. Zudem werden sie im Namen der Effizienz kontinuierlich überwacht und es gibt Berichte über harte Bestrafungen.

    Huth: Wenden wir uns den Verhältnissen in der BRD zu. Orhan, du vertrittst als Gewerkschaftssekretär die Interessen der Amazon-Kollegen. Wie geht der Konzern hier in Deutschland mit der Pandemie um? Wie mit seinen Beschäftigten?

    Orhan Akman: Als die Pandemie begann, führte Amazon in den deutschen Firmenzentren für Beschäftigte, die normal zur Arbeit kamen, eine Anwesenheitsprämie von zwei Euro pro Stunde ein. Die galt für die ersten drei Monate, dann wurde sie abgeschafft. Das sollte womöglich einen Anreiz schaffen, sich trotz Symptomen zur Arbeit zu schleppen, und zeigt einmal mehr, dass die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen der Aussicht auf Profit untergeordnet wird. Reglementiert werden die Zahl der Kunden pro Verkaufsfläche im stationären Einzelhandel und der private Kontakt zwischen verschiedenen Haushalten. Aber bei Amazon ist es kein Problem, wenn Personen aus 250, ja 500 verschiedenen Haushalten in einer Schicht zusammenarbeiten. Das ist zynisch. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen und die Gesundheit der Kolleginnen und Kollegen aufs Spiel gesetzt. Amazon weigert sich seit Jahren, mit Verdi Tarifverträge abzuschließen, in dem nicht nur Löhne, sondern auch Bestimmungen zur Arbeit selbst festgeschrieben sind. Die Arbeitsbedingungen bei Amazon machen krank. Das hat sehr viel mit dem Rhythmus und dem Tempo zu tun, aber auch mit dem Einsatz von neuen Technologien. Die Arbeit wird entgrenzt. Selbst wenn die Kollegen Feierabend haben, nehmen sie die Belastungen mit nach Hause, immer in der Angst, mit den Vorgaben nicht fertig zu werden. Wir sind keine Gegner neuer Technologien, aber wir wehren uns dagegen, dass sie zu Lasten der Beschäftigten eingesetzt werden, und dagegen, dass weder die Gewerkschaften noch die Betriebsräte ein Mitspracherecht besitzen. Bei Amazon herrscht eine Kultur von Befehl und Gehorsam. Der Konzern sucht sein Führungspersonal gezielt bei ehemaligen Bundeswehr-Angehörigen. Dennoch haben wir nach acht Jahren Arbeitskampf Erfolge vorzuweisen. Wir haben in Deutschland an den allermeisten Standorten Betriebsräte gewählt. Jetzt ist immerhin die Arbeits- und Pausenzeit geregelt, es gibt regelmäßige Lohnerhöhungen, die Arbeitskonditionen haben sich verbessert. Doch Amazon weigert sich weiterhin, einen Tarifvertrag zu akzeptieren. Wir stellen uns daher auf weitere acht Jahre Arbeitskampf ein. Das ist für uns von grundsätzlicher Bedeutung. Amazon besitzt eine erhebliche finanzielle Macht, die auch die bürgerliche Demokratie gefährdet. Der Konzern macht einen jährlichen Umsatz, der über dem Brutto­inlandsprodukt von Portugal oder Vietnam liegt. Hier wäre eine Regulierung angezeigt. Es geht nicht nur um die 18.000 Beschäftigten in Deutschland, sondern darum, einem Megakonzern durch Gewerkschaftsmacht Grenzen zu setzen.

    Huth: Sprechen wir über Stellenabbau und Standortschließung bei Karstadt-Kaufhof. Der stationäre Einzelhandel ist durch die Konkurrenz von Amazon in Bedrängnis geraten. Gleichzeitig ist der Konzern auch im Dachverband des deutschen Einzelhandels organisiert. Und in den verbliebenen großen Warenhäusern gibt es Abholzentren für Amazon, es besteht also eine Kooperation.

    Akman: Das Geschäftsmodell von Amazon ist eigentlich nichts Neues. Der Versandhandel war in Deutschland schon sehr früh entwickelt worden. Doch die deutschen Handelskonzerne haben die technischen Änderungen verschlafen und sind sehr fahrlässig mit der Zukunft ihrer Unternehmungen und der ihrer Beschäftigten umgegangen. Man hat es versäumt, die digitalen Plattformen und den stationären Handel miteinander zu verzahnen. Jetzt tut man ganz überrascht, als ob das etwas völlig Neues sei. Der Handelsverband Deutschland hat Anfang des vergangenen Jahres Amazon als Mitglied aufgenommen, ohne dass der Konzern die Tarifbindung anerkannt hätte. Diese Möglichkeit besteht, aber der Handelsverband schadet damit den Interessen seiner eigenen Mitglieder, die sich an den Tarif halten. Mit einer Erklärung zur Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge könnte die deutsche Politik solchen Geschäftspraktiken sofort ein Ende setzen. Ansonsten schätze ich, dass der stationäre Handel in Deutschland nur dann eine Zukunft hat, wenn die unterschiedlichen Vertriebskanäle gut miteinander verzahnt werden und dabei nicht immer sofort die Beschäftigten bzw. die Personalkosten als vorrangiges Problem erachtet werden. Ob es eine gute Idee ist, sich seinen Hauptkonkurrenten ins Haus zu holen, wage ich allerdings zu bezweifeln.

    Huth: Ist die Rekrutierung von militärischem Personal auch eine gängige Praxis von Amazon in den USA, Timothy?

    Bray: Nein, soweit ich weiß, ist das nicht der Fall. Aber sie machen das, was wir aus Italien gehört haben: Sie gehen in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit, um die Schwäche der Lohnabhängigen nutzen zu können. Doch zu etwas anderem, was Herr Akman gesagt hat: Die Probleme der Einzelhändler im Wettbewerb mit Amazon. Eines der Probleme besteht darin, dass Amazon ein Monopolist ist, es ist eine Kombination von Einzelhändler, Cloudcomputingunternehmen und TV-Produktionsunternehmen. Das Cloudcomputing ist unglaublich profitabel. Hier werden achtzig Prozent des Profits generiert, mit dem dann der lokale Einzelhandel angegriffen wird. Herr Akman hat zwar Recht, die stationären Einzelhändler sind nicht ganz so klug, wie sie sein sollten, aber zur Wahrheit gehört auch, dass der Wettbewerb unfair verläuft. Die wichtigste Frage einer progressiven Bewegung wäre der Kampf gegen das Monopol. Und Amazon ist nicht der einzige Monopolist. Amazon sollte zerschlagen werden, aber das gleiche gilt für Google, Microsoft, Facebook und Apple. Die Eigentümerstruktur im Kapitalismus ist viel zu stark konzentriert. Mich interessiert dabei nicht, ob der Eigentümer Jeff Bezos heißt, es geht darum, dass es einer völlig anderen Unternehmensstruktur bedarf.

    Huth: Fátima, diskutiert ihr in eurer Gewerkschaft auch die Frage, inwieweit der Staat intervenieren sollte, ob eine Enteignung und Zerschlagung dieser Monopolkonzerne notwendig ist?

    Queipo: Tatsächlich sollte der Staat sicherstellen, dass es einen gerechten Wettbewerb gibt. Aber in der Praxis ist das nicht so. Ja, auch in Spanien wird über diese Monopole diskutiert, dann heißt es, Amazon müsse möglicherweise gezwungen werden, höhere Steuern zu entrichten. Doch die Debatte ist bei uns noch nicht sonderlich weit gediehen. Die Abhängigkeit von diesen Monopolen ist einfach sehr groß.

    Huth: Massimo, deine Gewerkschaft hat bereits Kontakte zu Gewerkschaftsvertretern in jenen Ländern aufgenommen, in denen noch gar keine Amazon-Standorte existieren, um sie vorzubereiten, ihnen Tipps zu geben, wie man Arbeitskämpfe effektiv organisieren kann. Kannst du uns etwas zum Erfolg dieser internationalen Kooperation sagen?

    Mensi: Die einzige Strategie, die etwas taugt, ist die Bildung eines starken Netzwerks, grenzüberschreitend und ganz gleich, aus welchen Gewerkschaften oder Verbänden wir kommen. Wir tauschen unsere Informationen und Erfahrungen aus. Das vergangene Jahr war sehr wichtig für uns. Ich hatte den Eindruck, dass irgendetwas bei Amazon kaputtgegangen ist, dass es anfängt zu knirschen. Wir müssen der Öffentlichkeit zeigen, dass ein Job bei Amazon nicht so toll ist, wie es die TV-Spots verheißen. In der Weihnachtszeit gab es davon in Italien ganz viele, toll aufgemachte, fast wie eine Netflix-Serie über die Arbeit bei Amazon: Alles schön, alle freundlich. Die Realität sieht natürlich ganz anders aus. Wir müssen globale Aktionstage durchführen, in jeweils unterschiedlicher Weise. Was der Black Friday für die Klimaschutzbewegung ist, das ist der Red Friday für uns; denn rot, das ist die Farbe unserer Gewerkschaft.

    Huth: Zurück nach Berlin, zu den hiesigen Zuständen bei Amazon. Auch Verdi ist Teil dieses internationalen Vernetzungsbestrebens. Welche Rolle spielt Verdi genau?

    Akman: Diese Arbeit ist enorm wichtig. Zum einen, um dem Konzern zu zeigen, dass der Grundsatz der Gewerkschaften internationale Solidarität heißt. Verdi hat von Anfang bei diesem Netzwerk mitgemacht. Aber internationale Netzwerkarbeit ist nur dann sinnvoll, wenn wir auf nationaler Ebene viel bewegen; das heißt, gewerkschaftliche Macht in den Arbeitsstätten aufzubauen. Das ist keine einfache Aufgabe. Die Erfahrungen, die wir jetzt in Europa, in Spanien, Italien, in Frankreich, in Deutschland machen, die müssen wir auch mit den Kolleginnen und Kollegen in, sagen wir, Mexiko oder Brasilien teilen. Gewerkschaftsarbeit muss auch entlang der Wertschöpfungsketten und der Lieferketten neu konzipiert werden. Die Gewerkschaft muss schon da sein, bevor der Konzern kommt.

    Huth: Sprechen wir über den Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Wir haben die kapitalistische Vergesellschaftung in Gestalt solcher Monopole wie Amazon. Könnten solche Konzerne, wenn sie nicht als Maschinen der Profitmaximierung dienen, sondern der Bedürfnisbefriedigung, nicht auch Vorstufen einer sozialistischen Vergesellschaftung sein?

    Akman: 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks hat der Kapitalismus nur Kriege produziert, hat Ungleichheiten geschaffen, hat für dramatische Umweltzerstörung gesorgt. Amazon gehört dazu. Der CO2-Ausstoß des Konzerns ist größer als der von Dänemark. Ja, wir müssen Alternativen zum Kapitalismus diskutieren. Wenn Beschäftigte mit ihrer Arbeit Milliardengewinne für andere erschaffen, aber auf der anderen Seite die Ungleichheit wächst, dann müssen wir uns die Frage stellen, wollen wir in einem solchen System leben? Auch im Sozialismus muss gearbeitet werden, aber die Frage ist, zu welchen Konditionen. Ich halte es für schwierig, wenn man bei Amazon acht Stunden arbeitet, danach aber so fertig ist, dass man noch sechs bis zehn Stunden über die Arbeit nachdenkt und wahrscheinlich nicht gesund das Rentenalter erreicht. Das ist doch kein Lebensmodell für uns. Das können wir nicht akzeptieren. Die deutsche Politik reagiert feige, dabei besitzt sie ein Instrument. Im Grundgesetz heißt es: Eigentum verpflichtet zu sozialer Verantwortung. Allein wenn man diesen Satz bei Amazon anwenden würde, sähe die Sache schon ganz anders aus. Wir müssen auch ernsthaft über die Zukunft der Arbeit sprechen. Ich will kein Arbeitsleben, in dem wir zu Anhängseln von Maschinen werden. Wir sind keine Roboter und wir wollen auch keine werden. Der technische Fortschritt sollte die Arbeit erleichtern, mehr Freizeit schaffen, mehr Kontrolle über die Arbeit ermöglichen.

    Huth: Timothy, als der am weitesten entfernte Gast, darfst du das Schlusswort sprechen. Zunächst aber die Frage: Hast Du Jeff Bezos je persönlich getroffen?

    Bray: Ja, ich habe ihn zweimal getroffen, bevor ich bei Amazon anfing, aber niemals während meiner Tätigkeit für Amazon.

    Huth: Wenn Du ihm einen einzigen Satz ins Stammbuch schreiben dürftest, wie würde der lauten?

    Bray: Dein Unternehmen funktioniert hervorragend, aber das System ist kaputt, und das kann nicht mehr so weitergehen. Wenn dieses System nicht in der Lage ist, die Kinder zu ernähren und für Unterkunft zu sorgen und einen vernünftigen Lebensstil zu gewährleisten, dann ist es schlichtweg kaputt. Wenn ein gutes Unternehmen in einem kaputten System arbeitet, dann kann das nicht gut enden für uns. Wir müssen das besser machen.

  • 10.01.2021 10:00 Uhr

    Fotoausstellung der Fortschrittlichen Arbeiterfotografen/R-mediabase

    »Der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein«
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    Die vorliegende Fotostrecke ist ein zusammenfassendes Arbeitsergebnis einer Gruppe von Fotografinnen und Fotografen aus dem Genre der sozialkritischen Arbeiterfotografie und zwangsläufig ein Abbild der gesellschaftlichen Entwicklung der letzten Jahre. Die agierenden Fotografinnen und Fotografen sind vorwiegend in und um Berlin ansässig und aktiv in der fortschrittlichen Arbeiterfotografie Berlin, der R-Mediabase oder auch gleichzeitig autonom in anderen Projekten unterwegs. Es geht hier um den gemeinsamen Blick aus persönlich erlebten Erfahrungen, der permanenten Suche nach Wegen und solidarischen Lösungen im täglichen Leben. Menschen sind in den abgelichteten Szenen nicht nur Pseudonyme für den Begriff der Vernunft und der Suche nach einer menschenwürdigen Realität, sie bilden auch den roten Faden in der Umsetzung der Träume.

    In der Motivauswahl sind unter anderem Themen wie Jugend, Frauenrechte, Geschichte, Bildung, Arbeitskampf, soziale Freiräume, bezahlbare Mieten, Solidarität mit Flüchtenden, erstarkender Nazismus und Gegenproteste zu finden.

    Fotografien von

    Andrea Kähler

    Andrea Kähler ist tief im Norden eines kleinen und vergangenen Landes geboren, früh in Berlin gelandet. Das spiegelt sich in Andreas Fotos und ihrem Arbeitsstil, ob Porträt oder Szene, lebensfroh wider. Der hautnahe Kontakt zum Inhalt ihrer Reportagen wird dem Betrachter schnell deutlich.

    Editha Künzel

    Die Sechziger waren ihre glückliche Kindheit im friedlichen Berlin mit vier Geschwistern. Die erste Kamera, Schulprojekte, als Kinderkrankenschwester führte sie das Fotografieren der Neugeborenen auf ihrer Station ein. Unrecht, Willkür, Widerstand, Soziales Engagement und Zivilcourage sind ihre Themen.

    Ernst Wilhelm Grüter

    Hamburg, glücklich verheiratet und Rentner.

    Linker Fotograf. Liebt das gemeinsame Leben und den gemeinsamen Kampf. Glaubt nicht (mehr) an den Sieg, aber an die Vernunft.

    Gabriele Senft

    Geboren 1949 in Belzig (Brandenburg), Karl-Marx-Universität in Leipzig, Fotojournalistin in der Fotoabteilung Zentralbild der Nachrichtenagentur ADN/DDR, Tageszeitung junge Welt. Sie möchte mit ihrer Fotokamera denen solidarisch beiseite stehen, die gegen Sozialabbau und Militarismus aufstehen und mit Fotografien vermitteln und zeigen, dass eine andere, gerechtere Welt möglich ist.

    Jens Schulze

    Er wurde 1967 im Sozialismus geboren, Spezialschule, Offiziershochschule der Volksarmee. 1990 unfreiwillig im Kapitalismus gelandet, nun Elektroingenieur, Planungsingenieur in einem Ingenieurbüro in Berlin. Malerei, Grafik, Druck und Fotografie stets verbunden mit aktiver politischer Arbeit und dem Menschen im Mittelpunkt der Motive.

    Ricarda Heidemann

    Lebt in Frankfurt Oder, beschäftigt sich bereits einige Jahre mit sozialer Straßenfotografie. Ricarda beteiligt sich sehr gern in der Gruppe der sozial und gesellschaftlich engagierten Fotografinnen und Fotografen in Berlin und ist in der Galerie fortschrittlicher Arbeiterfotografen vertreten. Hauptberuflich Triebfahrzeugführerin einer Privatbahn.

    TWIN Aguas del Rio

    Als Tochter eines kubanisch-deutschen Paares, erblickte ich im März 1965 in Havanna das Licht der Welt, wurde Berlinerin. Immer gingen Menschen aus aller Welt in ihrem Elternhaus ein und aus. Musik und Gesellschaft, es wirkt auch in ihren Fotografien.

      Ernst Wilhelm Grüter: »Gerechtigkeit«
      Ernst Wilhelm Grüter: »Gerechtigkeit«
      Jens Schulze: »LL-Demo Polizeieinsatz«
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      Gabriele Senft: Unteilbar, Dresden (2019)
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      Andrea Kähler: »Arbeitskampf«
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      Ricarda Heidemann: Unteilbar (2018)
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      TWIN Aguas del Rio (Y del Mar!): »Berlin Antikolonial« (2019)
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      Editha Künzel: »Patietenbeteiligung« (2018)
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      Keine Grenzen (2012)
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      Schule in Havana (2013)
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      Fotografos en Solidaridad
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      Apothekerinnen demonstrieren gegen Stellenabbau im Gesundheitswe
      Apothekerinnen demonstrieren gegen Stellenabbau im Gesundheitswesen, Brandenburger Tor (Berlin, 12.11.2002)
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      RLK 2018
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      Köpi Cafe (2015)
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      9. November, Berlin 2014
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      Fridays for Future (2019)
      Unteilbar(2018)
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      Stop Nazi
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      women's march (2018)
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      Black Lives Matter
      Black Lives Matter
      Der rassistische Anschlag in Hanau - Say Their Names
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      Der Schwür von Büchenwald
      Der Schwür von Büchenwald
      Gegen der Rassismus der Mitte
      Gegen der Rassismus der Mitte
  • 08.01.2021 19:30 Uhr

    Zehn Fragen und Antworten zur Rosa-Luxemburg-Konferenz

    RLK20210108JW57.jpg
    Vorhang auf für die erste RLK unter Coronabedingungen ...

    1. Wie kann ich die Veranstaltung besuchen?

    Du gibst auf deinem Endgerät (PC, Handy, Tablet etc.) die Internetadresse www.jungewelt.de/rlk ein. Damit erreicht man den Livestream der Rosa-Luxemburg-Konferenz (RLK). Ab 10 Uhr bewegt sich da etwas, pünktlich um 10.30 Uhr wird die Konferenz eröffnet und die Kunstausstellung vorgestellt. Der erste Vortrag beginnt um 11 Uhr, die Veranstaltung endet wie üblich gegen 20.00 Uhr mit dem gemeinsamen Singen der Internationale.

    2. Wo kann ich Informationen zum Programm bekommen?

    Das geplante Programm findest du auf der Titelseite dieser jW-Ausgabe oder im Internet unter www.jungewelt.de. Aktuelle Änderungen und Ansagen werden von der Moderation und im Mikroblog (direkt unter dem Stream) mitgeteilt. Den Mikroblog kann man allerdings nur verfolgen, wenn man die Konferenz nicht im Vollbildmodus verfolgt.

    3. Wie kann ich mit euch an diesem Sonnabend Kontakt aufnehmen, um Fragen zu stellen, aber auch Hinweise und Kommentare abgeben?

    Schreib uns dein Anliegen, deine Fragen über die E-Mail-Adresse rlk21@jungewelt.de. Wir antworten so schnell wie möglich und leiten auch deine Fragen an den Gast weiter. Ob diese dann allerdings zum Zuge kommen, hängt unter anderem sehr stark vom Zeitplan ab. Wir würden uns auch über Fotos freuen, auf denen zu sehen ist, wie ihr die Konferenz mitverfolgt.

    4. Was kostet die Konferenz, und wer finanziert sie?

    Die Konferenz kann kostenlos weltweit mitverfolgt werden. Weil wir in diesem Jahr keine Präsenzveranstaltung stattfinden lassen, können wir auch nicht wie üblich Eintrittskarten verkaufen (oder Standgebühren für Aussteller verlangen). Um die etwa 40.000 Euro Kosten finanzieren zu können, sind wir auf Spenden und Beiträge der Unterstützer angewiesen. Den Rest bezahlt der Verlag 8. Mai, in dem junge Welt und Melodie & Rhythmus erscheinen.

    5. Wie kann ich die Konferenz unterstützen?

    Da gibt es mehrere Optionen: A) Lade möglichst viele deiner On- und Offline-Freunde zur Teilnahme an der Konferenz ein. B) Stelle uns eine Spende zur Verfügung (www.jungewelt.de/rlk-spende) oder kaufe eine Unterstützerkarte (www.jungewelt.de/solikarten). C) Diese Konferenz ist nur möglich, weil viele Menschen unsere Tageszeitung junge Welt und unser Kulturmagazin Melodie & Rhythmus abonniert haben. Ein Abonnement versorgt dich nicht nur mit guten Informationen und Argumenten, es hilft auch dabei, solche Veranstaltungen durchführen zu können.

    6. Und wie kann ich junge Welt oder Melodie & Rhythmus abonnieren?

    Das geht schnell und einfach über das Internet (www.jungewelt.de/abo), an diesem Sonnabend haben wir zusätzlich ein Abotelefon eingerichtet (030-53 63 55-62). Dort ist unser Kollege Ingo Höhmann von 10 bis 20 Uhr erreichbar, beantwortet Abofragen und nimmt Bestellungen entgegen.

    7. Von einem Abo bin ich noch nicht überzeugt, weil ich die junge Welt zu wenig kenne. Wie kann ich mehr über die Zeitung erfahren?

    Auch dazu rufst du einfach die oben genannte Nummer an und bestellst ein dreiwöchiges, kostenloses Probe­abo der jungen Welt. Das kostet dich nichts – und es endet automatisch nach drei Wochen, muss also nicht abbestellt werden. Dieses Angebot ist speziell für alle, die die junge Welt erst mal richtig testen wollen. Dieses Angebot kannst du auch online bestellen unter www.jungewelt.de/probeabo.

    8. Gibt es nur diesen Livestream oder berichtet ihr auch auf anderem Wege über die Konferenz?

    Wir haben einen speziellen jW-Blog eingerichtet, über den wir ständig über den Verlauf der Konferenz berichten. Wenn du also beispielsweise erst ab 14 Uhr teilnehmen kannst, aber wissen willst, was bisher geschehen ist, gehe einfach auf www.jungewelt.de, dort findest du Zusammenfassungen zum bisherigen Verlauf der Konferenz. Außerdem berichten wir den ganzen Tag in diversen sozialen Medien über den Verlauf der Konferenz.

    9. Gibt es eine Nachberichterstattung? Und wie sieht die aus?

    Schon am kommenden Montag findest du Berichte zur Konferenz in der aktuellen Ausgabe der jungen Welt, darunter auch das spannende Gespräch zum Thema Amazon. Am nächsten Sonnabend folgt eine große Fotoreportage in der Wochenendausgabe der Zeitung. Am Mittwoch, dem 27. Januar, liegt der jW-Tagesausgabe eine 16seitige Beilage zur Konferenz bei. Und schließlich wird Ende März 2021 die Broschüre zur Konferenz erscheinen, die alle Beiträge zur RLK 2021 dokumentiert.

    10. Wann findet die nächste Rosa-Luxemburg-Konferenz statt?

    Die XXVII. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz wird am Sonnabend, 8. Januar 2022, in Berlin stattfinden. Wir gehen davon aus, dass sie dann wieder von vielen Menschen live besucht werden kann. Allerdings werden wir auch dann mit großem Aufwand dafür sorgen, dass jeder die Konferenz weltweit am Bildschirm mitverfolgen kann.

  • 09.01.2021 09:51 Uhr

    Programm der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz

    Am 9. Januar 2020 als Livestream auf jungewelt.de/rlk
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    Die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz findet am Sonnabend, den 9. Januar 2021, als Liveveranstaltung im Internet statt. Nur an diesem Tag ist die Konferenz komplett mit allen Referaten, Gesprächsrunden, der Podiumsdiskussion und den Kulturbeiträgen zu sehen. Der Zugang zum Livestream ist kostenfrei! Die internationale Konferenz wird in deutscher, englischer und spanischer Sprache übertragen.

    Über den Kauf einer Unterstützerkarte würden wir uns sehr freuen! Denn auch wenn keine Raummiete anfällt, so ist der Technikaufwand sehr groß und mit hohen Kosten verbunden. Hinzu kommen weitere Kosten für die Dolmetscher, Gagen für die Künstler und teilweise auch für Reise und Unterkunft.

    Nach der Konferenz werden wir ein zusammengeschnittenes Video mit einem Auszug aus dem Programm veröffentlichen. Wer die komplette Konferenz nachschauen möchte, kann sich auf die Broschüre zur XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz inklusive DVD freuen. Diese erscheint Ende März 2021.

    10.30 Uhr: Beginn des Livestreams der XXVI. Rosa-Luxemburg-Konferenz auf jungewelt.de/rlk


    Eröffnung und Begrüßung durch Anja Panse (Schauspielerin, Regisseurin) und
    Sebastian Carlens (junge Welt)

    Rundgang durch die Ausstellungen mit ausgewählten Werken:

    Fortschrittliche Arbeiterfotografen / R-Mediabase:
    »Der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein«

    Gruppe »Tendenzen« Berlin:
    »Sozialismus oder Barbarei«

    Vortrag um 11.00 Uhr

    »Irrationalismus«
    Stefano G. Azzarà (Italien),
    Assoziierter Professor an der Universität Urbino

    »Weltpolitische Brennpunkte«
    Ben Chacko (Großbritannien), Chefredakteur Morning Star, über das Verfahren
    gegen Julian Assange

    Jugendpodium um 12.00 Uhr
    »Kampf der Jugend in Zeiten von Krise und Pandemie«

    Die Wirtschaftskrise trifft weltweit die Jugend in besonderem Maße. Die Coronapandemie – zwar nicht Ursache der kapitalistische Krise – verstärkt die Angriffe auf die sozialen und demokratischen Rechte. Dagegen gibt es Widerstand, auf den Straßen, in den Betrieben und Schulen. Exemplarisch für diesen weltweiten Kampf, diskutieren wir, wie hierzulande Kämpfe organisiert, gebündelt und verstetigt werden können, welche Rolle die revolutionäre Linke in diesen Abwehrkämpfen spielen muss und welche Perspektiven entstehen.

    Es diskutieren: Roylan Tolay, DIDF-Jugend; Sascha Hevalski, North East Antifa Berlin; Erik Busse, Mitglied der Bundestarifkommission öffentlicher Dienst ver.di; Leon Sierau, SDAJ; Moderation: Carolin Zottmann, SDAJ

    Kulturprogramm um 13.00 Uhr

    Ezé Wendtoin (Burkina Faso),
    Musiker und Schauspieler

    Vortrag um 13.30 Uhr

    »Der neue Kalte Krieg und das Ende des Kapitalismus«
    Radhika Desai (Kanada),
    Geopolitical Economy Research Group

    »Weltpolitische Brennpunkte«
    Kamal Hamdan (Libanon),
    Generalsekretär der KP Libanon, über die aktuelle Lage im Libanon

    Kulturprogramm um 14.00 Uhr

    Simon-Dach-Theater SiDaT! (BRD),
    mit Szenen aus ihrer Inszenierung von Bertolt Brechts »Die Tage der Commune«

    »Weltpolitische Brennpunkte«
    Dora Cheick Diarra (Mali),
    2. Sekretär der Partei SADI

    Vortrag um 15.00 Uhr

    »Faschismus/Rassismus«
    Donna Murch (USA),
    Autorin und Professorin an der Rutgers University

    »Weltpolitische Brennpunkte«
    Mumia Abu-Jamal (USA),
    politischer Gefangener und Journalist

    Vijay Prashad (Indien),
    Herausgeber Tricontinental, über die aktuelle Lage in Indien

    Vortrag um 16.00 Uhr

    »Ökologische Krise«
    John Bellamy Foster (USA),
    Herausgeber der Monthly Review

    Kulturprogramm um 16.30 Uhr

    Konstantin Wecker (BRD),
    Musiker und Liedermacher

    »Weltpolitische Brennpunkte«
    Janohi Rosas (Venezuela),
    Generalsekretärin der Kommunistischen Jugend, über die aktuelle Lage in Venezuela

    Vortrag um 17.00 Uhr

    »Ausweg Sozialismus«
    Enrique Ubieta Gómez (Kuba),
    Direktor der Theoriezeitschrift Cuba Socialista

    »Weltpolitische Brennpunkte«
    Selahattin Demirtaş (Türkei), ehem. Kovorsitzender der HDP und politischer Gefangener

    »Weltpolitische Brennpunkte & Kulturprogramm um 18.00 Uhr«

    David Rovics (USA),
    Singer/Songwriter

    Podiumsdiskussion um 18:30 Uhr
    »Krisengewinnler Amazon«


    In der Pandemie wächst die Marktmacht des Handelsriesen ins Uferlose. Das Privatvermögen von Konzernchef Jeffrey Bezos beläuft sich Schätzungen zufolge auf inzwischen rund 183 Milliarden US-Dollar. Für die Beschäftigten fallen nur Peanuts ab – verschärfte Ausbeutung, Arbeitshetze und perfide Überwachungsmethoden bestimmen den Alltag in den Amazon-Verteilzentren. Der Einzelhandel gerät durch rigoroses Preisdumping des Konzerns unter Druck. Doch international formiert sich Widerstand gegen dieses Geschäftsmodell. Wir diskutieren mit Teilnehmern und Organisatoren von Arbeitskämpfen über ihre Streikerfahrungen, über internationale Vernetzung, aber auch darüber, ob sich mit Lenin in der Bildung solcher Monopole Vorstufen für eine sozialistische Organisation der Gesellschaft erkennen lassen.

    Es diskutieren: Timothy Bray (USA), ehem. Vizepräsident bei Amazon Web Services (AWS), Orhan Akman (BRD), Verdi-Bundesfachgruppenleiter für den Einzel- und Versandhandel, Fátima Aguado Queipo (Spanien), Gewerkschaftssekretärin CCOO, Massimo Mensi (Italien), Sekretär für internationale Angelegenheiten der Gewerkschaft CGIL.

    Moderation: Stefan Huth, Chefredakteur junge Welt

    20.00 Uhr Gemeinsames Singen der Internationalen zum Abschluss der Konferenz

    Konferenzsprachen: Deutsch, Englisch und Spanisch (Simultanübersetzung)

    An dieser Stelle werden wir das Programm regelmäßig aktualisieren.

  • 10.01.2021 09:58 Uhr

    XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz ist eröffnet

    Liveübertragung aus Berliner Studio steht
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    Studioübertragung aus Berlin, Anja Panse und Sebastian Carlens moderieren

    Anja Panse und Sebastian Carlens haben die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz offiziell eröffnet. Sie steht unter Bertolt Brechts Motto »Der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein«. Es ist die erste reine Online-Konferenz, übertragen aus unserem Livestudio in Berlin – veranstaltet von der Tageszeitung junge Welt sowie der Kulturzeitschrift Melodie und Rhythmus und unterstützt von mehr als 30 Medien und Organisationen. Der Livestream der Konferenz wird von vielen linken Medien weltweit übernommen. Das Konferenzprogramm kann auf allen Kontinenten in deutsch, englisch und spanisch simultan übersetzt verfolgt werden. Hier ist der Livestream zu finden: https://www.jungewelt.de/rlk. Er wird nur am Sonnabend vollständig ausgestrahlt, später werden ausgewählte Beiträge auf unserem Youtube-Kanal zu sehen sein. Der Stream wird ergänzt durch einen Mikroblog, auf dem aktuelle Hinweise direkt aus dem Studio platziert sind – um diesen zu lesen muss der Vollbildmodus verlassen werden.

    Auf der Startseite von junge Welt – https://www.jungewelt.de/ – wird die jW-Redaktion umfangreiche Berichterstattung rund um die #RLK21 bieten: Zusammenfassungen, Fotostrecken, Highlights. Aktuell sind zwei Ausstellungen freigeschaltet: Die der Gruppe Tendenzen, die seit vielen Jahren die Kunstausstellung auf der Konferenz kuratiert, und die der Fortschrittlichen Arbeiterfotografen bzw. R/mediabase.

    Mit Spannung erwartet wird das Referat von Stefano Azzarà um 11 Uhr. Er ist assoziierter Professor für Geschichte der Philosophie an der Universität von Urbino (Italien), das Thema seines Vortrags ist »Irrationalismus«. (mme)

  • 10.01.2021 10:14 Uhr

    Erste Eindrücke im Bild: Die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz

    Countdown zur Eröffnung der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz: Der Livestream aus Berlin läuft - https://www.jungewelt.de/rlk
    Anja Panse und Sebastian Carlens führen bis in den Abend hinein durch das Programm der #RLK21
    Studioatmosphäre in den Räumen des Verlags 8. Mai
    Mit viel Liebe zum Detail wurde die jW-Ladengalerie über viele Tage hinweg umgestaltet
    Alles im Blick: Mithilfe zahlreicher Kameras wird der Livestream aufgezeichnet
  • 10.01.2021 09:58 Uhr

    Stefano Azzarà: Universalismus des Westens falsch und verkürzt

    XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz: Pandemiebekämpfung und Liberalismus
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    Liveschalte zu Stefano Azzarà nach Italien

    Plötzlich ist die ganze hektische Normalität der kapitalistischen Ordnung erschüttert. Die Staaten des Westens haben die Pandemie ganz offensichtlich nicht im Griff. Doch die führenden Ideologen des Westens sind selbstredend außerstande, die »freie Welt« kritisch unter die Lupe zu nehmen. Was stimmt nicht mit ihrem Liberalismus, mit ihren weltweiten Menschenrechtsinterventionen, mit ihrem Universalismus?

    Per Livestream aus Italien während der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am Sonnabend aus Berlin zugeschaltet ist Stefano Azzarà. Er ist Professor für Geschichte der Philosophie an der Universität Urbino und Autor mehrerer Bücher auch zur deutschen Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts, entwickelt auf Grundlage seines jüngst erschienenen Buchs »Il virus dell’Occidente. Universalismo astratto e sovranismo particolaristico di fronte allo stato d’eccezione« die These, dass der Universalismus des Westens falsch und verkürzt sei, da dieser Universalismus das westliche Interesse als das Interesse der ganzen Welt ausgibt. Das schließe die Fähigkeit aus, Unterschiede und Besonderheiten zu erkennen. Etwa wie in China. Dieses Land, gesellschaftlich anders organisiert, ist offensichtlich in der Lage, dem Virus Herr zu werden. Für etliche liberale Ideologen eine Horrorvorstellung.

    Giorgio Agamben, eine der führenden Stimmen im intellektuellen Diskurs Italiens, wähne angesichts der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie die subjektive Freiheit in Gefahr, glaubt, man wolle uns »alle zu Chinesen machen«. Doch eine solche libertäre, gar anarchistische Kritik am Maßnahmenstaat, sagt Azzarà, konvergiere mit dem Neoliberalismus selbst. Das sei eine Absage an den Wohlfahrtsauftrag des Staates, eine postmoderne Form des »Edelanarchismus« (Lenin). Angesichts solcher Töne falle es schwer, noch zu erkennen, was links und was rechts sei. Einige Linke flüchteten sich angesichts dieses abstrakten Universalismus in einen nicht minder problematischen Souveränismus, der partikularistisch verkürzt sei, sich auf Gemeinschaft und Nation beschränkt und sich um den Rest nicht schert. Eine ernstzunehmenden Linke werde erst dann wieder entstehen, wenn sie die Klassenkämpfe gegen die Repräsentanten des Kapitals führt. (db)

  • 10.01.2021 10:18 Uhr

    Fotostrecke: Hinter den Kulissen der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz

    Im Regieraum der Liveübertragung der XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz: Der Stream ist zu verfolgen über https://www.jungewelt.de/rlk
    Streng nach Hygieneregeln: Physische Nähe ist bei der diesjährigen Konferenz pandemiebedingt ausgeschlossen
    Appellierte, den inhaftierten Journalisten Julian Assange endlich freizulassen: Ben Chacko, Chefredakteur der Tageszeitung Morning Star aus Großbritannien
    Verkabelt für den guten Ton: Leon Sierau von der SDAJ bekommt ein Mikrofon
    Susann Witt-Stahl (im Bild rechts), Chefredakteurin der Zeitschrift Melodie & Rhythmus, informierte über eine Veranstaltung zu Ehren Erich Frieds am 7. und 8. Mai. In diesem Jahr wird der 100. Geburtstag des österreichischen Lyrikers begangen.
    Nervennahrung für zwischendurch im Studio der Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Mittels aufwendiger Technik wird der Livestream möglich gemacht
  • 10.01.2021 09:57 Uhr

    Die nächsten Jahre werden hart

    Das Jugendpodium auf der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer während des Jugendpodiums (v.l.n.r.): Sascha Hevalski (North-East Antifa), Leon Sierau (SDAJ), Carolin Zottmann (SDAJ), Roylan Tolay (DIDIF-Jugend), Erik Busse (Bundestarifkommission öffentlicher Dienst bei Verdi)
    Bildregie während des Jugendpodiums
    Sascha Hevalski (l.) und Leon Sierau
    Roylan Tolay (l.) und Erik Busse

    Die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz ist in vollem Gange. Nach dem Vortrag von Stefano Azzarà informierte Ben Chacko, Chefredakteur der britischen Tageszeitung Morning Star, über die aktuelle Situation des inhaftierten australischen Investigativjournalisten Julian Assange und die Angriffe auf den kritischen Journalismus in Großbritannien. Susann Witt-Stahl, Chefredakteurin des Magazins Melodie & Rhythmus, stellt anschließend einen Fokus der Zeitschrift im Jahr 2021 vor: Erich Fried. Anlässlich seines 100. Geburtstags wird es am 7. und 8. Mai eine hochkarätig besetzte Veranstaltung geben.

    Das Jugendforum schloss sich an, moderiert von Carolin Zottmann (SDAJ). Sie leitete die Runde mit der Frage ein, wie die Jugend Corona- und Kapitalismuskrise konkret erlebe. Roylan Tolay (DIDF-Jugend) betonte, dass es klare Gewinner und Verlierer der Krise gibt: »Wir sind nicht alle gleich betroffen.« Sie arbeitet in einem Jugendzentrum und erlebt so aus erster Hand, wo wirklich gespart wird. Leon Sierau (SDAJ) wies darauf hin, dass in den Kommunen 13 Milliarden Euro fehlen – Tendenz steigend. Es handele sich nicht einfach um eine Krise, sondern um eine kapitalistische Krise. Arbeitende Menschen tragen die Kosten; in Tarifrunden zeige sich, dass die »Arbeitgeber« Kurs auf eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nehmen. Hoffnung mache, dass es Widerstand gebe. Leider ließen sich zur gleichen Zeit hunderttausende Menschen vor den Karren rechter Kräfte spannen. Momentan habe man den Eindruck, dass die rechte Antwort populärer ist »als unsere«. Es müsse immer wieder darauf hingewiesen werden, dass Umverteilungsforderungen die Anarchie des Marktes nicht beseitigen. Erik Busse (Mitglied der Bundestarifkommission öffentlicher Dienst bei Verdi) berichtete, dass die »Arbeitgeber« in Verhandlungen mit der Position antreten, die Beschäftigte im öffentlichen Dienst sollten sich freuen, einen sicheren Arbeitsplatz zu haben. Verdi sei trotz der Coronakrise zu Arbeitskämpfen gezwungen gewesen. Man ahne, »dass die nächsten Jahre hart werden«. Man könne diese harten Kämpfe nur gemeinsam gewinnen. Sascha Hevalski (North-East Antifa Berlin) sagte, es sei derzeit sehr schwer, Ausbildungsplätze zu finden. Viele junge Menschen scheiterten daran, Ausbildungsplätze als Tischler oder Schlosser zu bekommen – hier sei lange Zeit »händeringend« nach Azubis gesucht worden.

    Weiterhin ging es um Massenbewegungen von Jugendlichen wie Fridays for Future und Black Lives Matter. Roylan Tolay sagte, ihre Organisation habe versucht, sich überall einzubringen und antikapitalistische Kerne zu bilden. Politisch müsse man bei Fridays for Future dafür arbeiten, von einer Kritik des individuellen Konsums zur Systemkritik zu kommen. Leon Sierau berichtete davon, wie die SDAJ versucht habe, »antikapitalistisches Bewusstsein« bei Fridays for Future und Black Lives Matter einzubringen. Man müsse mit den jungen Leuten zusammenarbeiten und dürfe »nichts oktroyieren«. Wichtig seien »Anschlussangebote«. Problem der beiden genannten Bewegungen sei, dass sie nicht bzw. kaum unter arbeitenden Menschen verankert seien. Hier gebe es allerdings hoffnungsvolle Ansätze. Erik Busse sieht eine Vielzahl von Möglichkeiten der Kooperation etwa zwischen Verdi und Fridays for Future. Das sorge nicht zuletzt dafür, dass der Gewerkschaftsbegriff für junge Menschen greifbarer werde. Sascha Hevalski unterstreicht die »überraschende« Vitalität von Fridays for Future und Black Lives Matter. Letztere Bewegung sei in Deutschland »zwischen zwei Lockdowns« entstanden. Er erinnert daran, dass antikapitalistische und revolutionäre Ansätze in solchen Massenbewegungen eigentlich immer Minderheitenpositionen waren. Radikale Linke sollten nicht versuchen, zu »lenken«, sondern sich mit guten Beispielen einbringen. Die Leute im Dannenröder Forst etwa seien nicht von der Linksjugend oder der grünen Jugend, sondern von radikaleren Organisationen. (np)

  • 10.01.2021 09:57 Uhr

    Radhika Desai: Deindustrialisierung des Westens ermöglichte Aufstieg Chinas

    XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz: Ursachen von »Welt-Kreditokratie« und ökonomischer Krise
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    Zugeschaltet aus Kanada stellte Radhika Desai die Frage, wie es dem neoliberalen finanzgetriebenen Kapitalismus gelingen konnte, die Nachkriegsverhältnisse zu untergraben

    Die USA haben einen neuen kalten Krieg gegen China begonnen, nachdem sie vergeblich jahrzehntelang darauf gesetzt haben, das Land für den Neoliberalismus zu gewinnen. Dieser neue kalte Krieg ist ernster für die USA als der frühere: Heute stehen sich nicht zwei vergleichbare Rivalen gegenüber, sondern Abstieg auf der einen und Aufstieg auf der anderen Seite. Diese These stellte die indisch-kanadische Wirtschaftswissenschaftlerin Radhika Desai ihrem Referat voran. Sie griff das Thema ihres Vortrags auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz von 2015 auf und gab ihren aktuellen Ausführungen den Titel: »Der alte Kalte Krieg hat den Kommunismus nicht besiegt, aber der neue Kalte Krieg kann den Kapitalismus besiegen«. Die an der Universität von Manitoba in Winnipeg lehrende Professorin brachte 2013 das Buch »Geopolitische Ökonomie. Die Nachfolgerin von US-amerikanischer Hegemonie, Globalisierung und Imperialismus«, das im Oktober 2020 in deutscher Sprache im Mangroven-Verlag erschien.

    Auf der diesjährigen Konferenz stellte sie die Frage: Wie gelang es dem neoliberalen finanzgetriebenen Kapitalismus die Nachkriegsverhältnisse, darunter sozialistische Gesellschaften, zu untergraben? Die Antwort liege in der Reinkarnation des kriminell finanzialisierten britischen Kapitalismus des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts sowie im US-Kapitalismus Ende des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Sie geht zurück auf die Antizipation von »Monopol« und »Finanzkapital« bei Marx und Hilferding, die der Meinung waren, das werde zum Sozialismus führen. Diese Vorhersagen traten nicht ein, weil die USA die britische Dominanz übernahmen – finanziell, mit ihrer Währung und auch territorial. Das scheiterte um 1970 herum und veranlasste die USA, einen erneuten Versuch zu starten, endgültig die Dominanz des Dollars zu sichern.

    Das wiederum führte dazu, dass dieser finanzgetriebene Kapitalismus, der von einem gefährlichen und volatilen Dollarsystem bestimmt wurde, eine wahre »Welt-Kreditokratie« hervorbrachte. Entgegen der Rhetorik von Wettbewerb wurden dabei aber völlig veraltete Wirtschaftsstrukturen erhalten: Voran kamen allein riesige Konzerne, die nicht nur die Arbeiterklasse schwächten, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen. Im produktiven Sektor war das Resultat eine Deindustrialisierung des Westen durch globale Lieferketten. Das ermöglichte den Aufstieg Chinas. In der Folge förderte dies die Finanzspekulation und führte zur Stagnation. Nun entstehen in Russland, der EU und China neue Währungssysteme, die das Dollarsystem und dessen Dominanz untergraben. Damit endet historisch die Periode, in der die USA den westlichen Kapitalismus anführten. Es schien für Jahrzehnte, als seien Marx, Hilferding, aber auch Keynes und Polanyi mit ihren Vorstellungen von Sozialismus und Wohlfahrtsstaat überholt. Die Frage danach stellt sich aber neu. Obwohl die Sowjetunion nicht überlebte: Sie eröffnete das Eröffnungskapitel des Sozialismus, ohne das der Erfolg Chinas unvorstellbar ist. Desai machte klar: Es wird sich zeigen, dass der Weg zum Sozialismus durch nationale Bewegungen gebahnt werden wird. (as)

  • 10.01.2021 10:21 Uhr

    Fotostrecke: Weiterer Blick hinter die Kulissen der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz

    Rückzugsraum im Studio der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Tüfteln am Regieplan: Anja Panse, Sebastian Carlens, Andreas Hüllinghorst
    Werkzeug der Simultanübersetzer während der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
    Nimmt Abobestellungen entgegen: Ingo Höhmann
    Umfangreiche Berichterstattung rund um die #RLK21: Michael Merz, stellvertretender jW-Chefredakteur
    Im Übersetzungsraum der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz
  • 10.01.2021 09:57 Uhr

    Groovige Songs und starke Botschaft

    Ezé Wendtoin grüßt aus Burkina Faso, Simon-Dach-Theater inszeniert Brecht
    Bert Brechts »Die Tage der Commune« in der Inszenierung des Simon-Dach-Theaterprojekts (Sidat!)
    Ezé Wendtoin spielte mit befreundeten Musikern einen unterhaltsamen Kurzauftritt
    Blick in die Bildregie während des Auftritts der Musiker aus Burkina Faso
    Den rechten Rollback aufhalten: Akteure des Simon-Dach-Theaters
    Margarete Steinhäuser (l.) vom Simon-Dach-Theater im Gespräch mit Moderatorin Anja Panse
    Peter Wittig inszenierte »Die Tage der Commune«

    Ein ausgesprochen sympathischer Typ, der uns da aus Burkina Faso grüßte, aus seiner Heimatstadt Ouagaougou, in der er sich, wie er sagt, seit drei Wochen befindet: Buntgestreiftes Hemd, runde Brille, kleiner Afro, herzliche Worte. Ezé Wendtoin hat dort einen Traum verwirklicht und gerade eine Schule eröffnet. In Dresden, wo Wendtoin lebt, hat er seinen Master in Germanistik gemacht hat, er findet die deutsche Sprache »witzig, spielerisch und herausfordernd«. Hierzulande bekannt wurde er mit der originellen Coverversion des Konstantin-Wecker-Klassikers »Sage Nein« – ein Album u. a. mit antirassistischen Songs folgte.

    Und jetzt eben, für die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, ein kurzer, unterhaltsamer Auftritt mit befreundeten Musikern – Keyboard, Gitarre, Bass, Drums, Wendtoin an Mikro und Gitarre. Und natürlich legt er gleich los mit »Sage Nein«, mit »wenn sie jetzt ganz unverhohlen / Wieder Nazi-Lieder johlen ...«. Und die Band groovt lässig, macht spielerisch Druck, spielt ein paar ernste, ein paar niedliche Songs, und am Ende landet der unterhaltsame Gig bei einem schönen Liebeslied, einem Lied der Suche, Wendtoin singt: »Wie kamst du auf die Idee, bei der Zugabe wegzugehen ...«. Geht natürlich gar nicht.

    Ebenso sympathisch, aber ernster ging es zu beim Auftritt des Ensembles des Simon-Dach-Theaterprojekts (Sidat!), das Szenen aus Bert Brechts »Die Tage der Commune« (1949) spielte. Es sei vor allem ihre Sorge angesichts des rechten Rollbacks gewesen, erklärte Peter Wittig, die 2017 zu der Inszenierung der Urfassung bewegt hätte. »Theater kann nicht die Welt ändern, aber kann Mut machen, die Welt zu verändern«, formuliert der Regisseur und Mitbegründer des Sidat die Überzeugung der Beteiligten gegenüber RLK-Moderatorin Anja Panse. Es wurde eine der erfolgreichsten Arbeiten der Truppe um ihn und Margarete Steinhäuser.

    Warum die Inszenierung so viel Anklang fand, demonstriert die für die Rosa-Luxemburg-Konferenz erstellte Videofassung. Stark wirkt die Musik von Hanns Eisler, die in der Sidat-Fassung deutlich mehr Raum bekommt als in der klassischen Inszenierung von Manfred Wekwerth und Joachim Tenschert, wie Wittig herausstellt.

    Welche technische wie ästhetische Herausforderung die Zwanzigminutenversion der zweieinhalbstündigen Aufführung war, merkt man kaum. Auch im Schnelldurchlauf wird dem Zuschauer deutlich: Es geht hier um keine staubige Geschichtslektion, sondern um Realität. Der Kampf der Reichen gegen die Armen hört nicht auf, der organisierte Aufstand der Ausgebeuteten bleibt unumgänglich. Der Heyday von Irrationalismus und Faschismus lässt die Notwendigkeit der sozialistischen Revolution nur in neuer Klarheit hervortreten. Das ist die sehr aktuelle Botschaft Brechts, die das Sidat herausarbeitet. Die Paläste der Macht müssen gestürmt werden – nur von den Richtigen. (msa/pm)

  • 10.01.2021 09:56 Uhr

    Kontinuitäten kolonialer Enteignung und Sklaverei

    Donna Murch referiert zu Faschismus und Rassismus, Dora Cheik Diarra erläutert Lage in Mali
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    Was kann dem Trumpismus entgegengesetzt werden? Die Politologin Donna Murch ist während der Rosa-Luxemburg-Konferenz aus den USA zugeschaltet

    Dora Cheik Diarra ist Sekretär für Außenbeziehungen im Nationalen Politbüro der marxistisch-leninistischen Partei SADI (Solidarité Africaine pour la Démocratie et l’Indépendance). SADI ist Teil der malischen Oppositionsallianz »Bewegung 5. Juni – Sammlung der patriotischen Kräfte« (M5-RFP). Diarra ist studierter Wirtschaftsjurist mit einem Diplom der Université Lille 2 in Frankreich und lebt in Paris. Auf der XXVI. Rosa-Luxemburg-Konferenz sprach er am Sonnabend zu der Übergangsphase, in der Mali sich derzeit nach dem Rücktritt von Präsident Ibrahim Boubacar Keita befindet – und über die Perspektiven, die die Linke im Land hat.

    Dabei ist die Schlüsselfrage laut Diarra die des Friedens, die der Stabilisierung des Landes. Frankreich, dass immer noch einen erheblichen Einfluss in Mali hat, mache es den Behörden dabei nicht einfacher, so Diarra. Die Linke versuche derzeit die Arbeitenden zu mobilisieren, über die gegenwärtige Lage aufzuklären. Aber es gebe auch Linke, die nur redeten, und sobald sie an der Macht sind, die Hände in den Schoß legen, das mache den Kampf für Veränderung und für eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen nicht einfach.

    Im Anschluss sprach Donna Murch, Professorin an der Rutgers University. Titel ihres Vortrags war »Marsch zur Rettung Amerikas: Rassenfaschismus«. Ihr Referat stand zunächst ganz unter dem Eindruck des Sturms auf das Kapitol in Washington D.C. am Mittwoch. Als die Menschen die Bilder sahen, hätten sich viele gefragt, wo ist die Polizei? Wie ist das möglich? Symbolisch für die Situation wäre gewesen, als Polizisten den Anstürmenden die Tore geöffnet haben. Es gab in den vergangenen Jahren eine lebhafte Debatte, ob Trump ein Faschist sei. Vor allem liberale Denker hätten das bejaht. Sie sehen in ihm etwas »Unamerikanisches«, als etwas Fremdes, vergleichen ihn mit Hitler.

    Laut Murch müsse man aber über diese Analogien mit der Zwischenkriegszeit in Europa hinaus. Dafür gebe es intellektuelle Anknüpfungspunkte in der Tradition der »Black Radicals«. Sie plädiert dafür, ihn im Kontext von »Rassenfaschismus« zu verstehen und Kontinuitäten kolonialer Enteignung und Sklaverei in den Mittelpunkt zu stellen. Black Radical Thinkers hätten die Geburt der demokratischen Institutionen in den USA nicht im Gegensatz zu diesem Rassenfaschismus betrachtet, sie hätten sie sogar als Grundlage für die Entstehung dieser verstanden. In Südafrika sei der Begriff der »Herrenvolk-Demokratie« geprägt worde. Auch in den USA würde heute eine solche funktionieren, wenn auch in einem veränderten Kontext. Einer der Gründe, warum Trump aufgetaucht sei, ist, dass die USA in einem wirtschaftlichen Niedergang begriffen seien. Es gebe eine starke Umverteilung von unten nach oben. Davon seien zwar hauptsächlich Schwarze und Latinos betroffen, aber eben auch Weiße. Hinzu komme, dass der wirtschaftliche Niedergang auch mit einem imperialem Niedergang in Zusammenhang stehe. Dies stelle eine schwere Demütigung für viele Weiße in den USA dar. Daher habe Trumps Slogan »Make America great again« auch so gut funktioniert.

    Was kann dem Trumpismus entgegengesetzt werden? Von der demokratischen Partei werde er nicht kommen, so Murch. Der neue Präsident Joseph Biden repräsentiere den konservativsten Flügel der Partei, in seinen Reden würde man noch das Echo der »Herrenvolk-Demokratie« hören. Hoffnung setzt sie auf die sozialen Bewegungen. Ein Beispiel sei die Black-Lives-Matter-Bewegung des vergangenen Jahres. Diese könnte Druck auf die Regierung der Demokraten aufbauen und ihre Politik nach links verschieben. (mk)

  • 10.01.2021 09:56 Uhr

    Mumia Abu-Jamal: Faschismus stets konform mit Kapitalismus

    Grußbotschaft des politischen Gefangenen in den USA an die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz
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    Audiobotschaft aus dem US-Gefängnis: Mumia Abu-Jamal

    Johanna Fernandez ist Sprecherin des Anwaltsteams des US-Bürgerrechtlers und politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal. Kurz vor dessen persönlicher Audiobotschaft an die RLK2021 erklärt sie den Kontext, aus dem heraus diese verstanden werden soll. Auch sie steht wie Donna Murch, die zuvor auf der Konferenz ein Referat hielt, unter dem Eindruck der »faschistischen Beschlagnahmung des Kapitols«. Dies sei die Realität in den USA nach 40 Jahren neoliberaler Politik, nach 40 Jahren des »räuberischen Kapitalismus«. Wären Schwarze in Washington auf diese Weise auf die Straße gegangen, hätte es ein »Massaker« gegeben, so Fernandez. Sie erinnerte daran, dass Mumia seit vielen Jahren das Gesicht des Widerstands gegen das US-Gefängnis- und Justizsystem sei. Eines Widerstands dagegen, dass Schwarze verantwortlich gemacht werden für das Versagen des kapitalistischen Systems. Sie verwies auch darauf, dass neu aufgetauchte Beweise Hoffnung geben würden, dass Mumia aus dem Gefängnis kommen könnte. Dafür sei es aber auch notwendig, dass die Solidaritätsbewegung weiter ihren Druck verstärke.

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    Johanna Fernandez ist Sprecherin des Anwaltsteams von Mumia Abu-Jamal

    Mumia Abu-Jamal analysierte in seiner Grußbotschaft an die XXVI. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz den Flirt des US-Systems mit dem Neofaschismus. Er griff dabei auf einen Artikel des US-Soziologen John Bellamy Foster – der im Anschluss auf der RLK sprechen sollte – von 2017 zurück. Der Faschismus verbinde durch Ultranationalismus und Wissenschaftsfeindlichkeit Monopolkapitalismus mit den im Niedergang befindlichen unteren Mittelschichten. Es würden so »Leidenschaften unterhalb des Intellekts« befeuert. Er erinnerte daran, dass die bürgerlichen Mittelschichten und auch die Arbeiterklasse ein Bewusstsein davon hätten, dass sie von eben jenen neoliberalen Kräfte, die jetzt in der Person Bidens wieder an die Macht gekommen sind, die Menschen betrogen haben. Der Faschismus stelle einen »Schrei an das Großkapital mit der Bitte um Unterstützung« dar. Dabei sei der Faschismus immer konform mit dem Kapitalismus gewesen. Die Gier, dem Kapital zu dienen, habe letztlich immer zum Verrat an der Arbeiterbewegung geführt. Die beiden bürgerlichen Fraktionen hätten letztlich nur einen Herren: das Monopolkapital. (mk)

  • 10.01.2021 09:56 Uhr

    Vijay Prashad: Linke darf hybride Kriege nicht ignorieren

    Dominanz der USA durch China bedroht, Militärmacht weiterhin groß
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    Vijay Prashad: »Wird die EU sich dem aggressiven Kurs Washingtons unterordnen oder einen friedlichen Kurs gegenüber China einschlagen?«

    Vijay Prashad, Direktor des Tricontinental Instituts mit Sitz in Neu-Delhi, widmete sich in seinem Vortrag auf der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz am Sonnabend in Berlin dem »hybriden Krieg«, den die USA gegenwärtig China aufzwingen. Das Ziel der US-Vorherrschaft über den Globus sei nach dem Zweiten Weltkrieg von den außenpolitischen Strategen in Washington formuliert worden. An diesem Ziel habe sich nichts geändert. Auch wenn die USA derzeit in einem Niedergang begriffen seien, blieben sie mächtig. Sie haben immer noch die Kontrolle über den weltweiten Fluss von Geld, Daten und Informationen. Die Erosion ihrer Autorität hätte noch nicht zu einem Niedergang ihrer Macht geführt.

    Gleichzeitig seien die USA auch immer noch die größte Militärmacht. China habe allerdings in den vergangenen Jahren insbesondere im Bereich der Technologie unglaubliche Fortschritte gemacht und sei so zu einer ernsthaften Bedrohung für den europäischen und den US-Imperialismus geworden. Derzeit werde ein regelrechter Informationskrieg geführt, um von dieser Tatsache abzulenken. Prashad erinnerte daran, dass auch das Versagen der USA und Europas im Umgang mit der Pandemie Chinas Aufstieg befördert habe. Mit dem vor kurzem geschlossenen ASEAN Abkommen sei klar geworden, dass sich die asiatischen Staaten an der Seite Chinas positionieren. Offen bleibe allerdings die Lage in Lateinamerika und in Europa. Die globale Linke, so Prashads Appell, dürfen diesen hybriden Krieg nicht ignorieren. (mk)

  • 10.01.2021 09:56 Uhr

    John Bellamy Foster: »Der Kapitalismus ist eine Krankheit«

    Forderung nach im Proletariat wurzelnder ökologischer Revolution
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    John Bellamy Foster referierte auf der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz über die »ökologische Krise«

    John Bellamy Foster (Herausgeber von Monthly Review, USA) referierte am Sonnabend auf der XXVI. Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz über die »ökologische Krise«: Schon Karl Marx habe verstanden, dass der Kapitalismus die Umwelt und den Menschen spalte. Marx und Engels hatten die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse untersucht. Unternehmen waren für Umweltverschmutzung verantwortlich, die wiederum schwere Krankheiten hervorrief.

    Die Konzentration der Akkumulation des Kapitals sei heute für Klimaveränderung und pandemischen Katastrophen wie Covid-19 verantwortlich, sagte Foster. Auf den Punkt gebracht: »Der Kapitalismus ist eine Krankheit an sich.« In den vergangenen zehn Jahren seien die globalen Durchschnittstemperaturen um mehr als 1,5 Grad angestiegen. Die Eiskappen in Grönland schmelzen, die Meeresspiegel steigen. »Wir stehen vor der Auslöschung der gesamten Menschheit. Es ist ein Krieg des Kapitalismus gegen die Erde.« Für Foster gibt es nur einen Ausweg: »Wir brauchen eine ökologische Revolution, die im Proletariat wurzelt.« Frei nach Marx hieße das: »Die Raubbauer der Natur müssen expropriiert werden.« (sz)

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