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Buchmesse Havanna 2011

Buchmesse Havanna 2011

edición especial

  • · edición especial

    Vielen Dank für viel Arbeit!

    André Scheer
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    Interessierte Leser

    Ein ganz besonderer Dank geht in diesem Jahr an Mónica Zurbano López und Gretel García Pieiga, die es geschafft haben, die aktuelle Sonderausgabe unserer Zeitung in Rekordzeit und in gewohnt guter Qualität zu übersetzen, so dass wir sie mit grossem Erfolg auf der Buchmesse verteilen können.

  • · edición especial

    Triumph der Menschlichkeit und Kultur

    Dietmar Koschmieder
    Edición Especial 2011
    Edición Especial 2011

    Zum dritten Mal ediert die Tageszeitung junge Welt gemeinsam mit dem Berliner Büro Buchmesse Havanna diese Sonderausgabe. Erstmals sind hier alle Beiträge sowohl in spanischer als auch in deutscher Sprache enthalten. Damit können Kubanerinnen und Kubaner, die deutsche Sprachkenntnisse besitzen, diese etwas auffrischen.
    Gleichzeitig kann sie auch im deutschen Sprachraum verbreitet werden, um dem wachsenden Interesse an der Situation in Kuba, an dieser wunderbaren Buchmesse, aber auch an der Arbeit des Berliner Büros besser gerecht zu werden.

    Unser Auftritt in Havanna ist etwas Außergewöhnliches. Österreichische, deutsche und schweizerische Verlage, Gewerkschaftsstrukturen und Gruppen der internationalen Solidarität schließen sich zusammen, um gemeinsam Bücher vorzustellen. Es sind nicht jene Titel, die von den Interessen der Eigentümer von Banken und großen Unternehmen, der bürgerlichen Regierungen und deren Parteien, der Kirchen und Stiftungen geprägt sind. Vielmehr schildern sie die Probleme im Alltag der einfachen Menschen. Sie präsentieren wissenschaftliche Erkenntnisse und Analysen, die von fortschrittlichem Standpunkt aus geschrieben sind. Erstmals bieten wir eine Auswahl dieser Bücher zu einem sehr günstigen Preis in kubanischer Währung zum Kauf an. Denn wir wissen, daß für Kubaner Bücher, für die Euro verlangt werden, kaum zu bezahlen sind. Aber auch in Deutschland, ökonomisch ein reicher Staat, sind Bücher mittlerweile Luxusgut und für viele Menschen nicht mehr erschwinglich.

    Uns eint das Interesse an der Entwicklung in Kuba. Volk und Führung Ihres Landes beweisen, daß mit einer Revolution ausbeuterische Verhältnisse radikal verändert und überwunden werden können, auch unter harten Bedingungen. Sie zeigen aber auch, daß es unter noch härteren Bedingungen möglich ist, wichtige Errungenschaften der Revolution zu verteidigen. Wir verschließen nicht die Augen vor den Problemen, die es in Kuba gibt. Führende Politiker in  den  USA und in unseren Ländern führen diese als Grund dafür an, daß die von ihnen zu verantwortende unmenschliche Blockade erst aufgehoben werden könne, wenn Sie in Kuba einem »System Change«, einer Systemveränderung, zustimmen. Auch wir wollen ein System Change – allerdings nicht in Kuba, sondern in den USA und in den europäischen Staaten. Damit die Zukunft jenen gehört, die politische, kulturelle und wirtschaftliche Angelegenheiten im Interesse der Menschen regeln und nicht im Interesse der Profitmaximierung der wenigen Superreichen. Wir sehen, daß die Kubaner in diesen schwierigen Kämpfen standhaft sind und einen hohen Preis dafür bezahlen. Aber sie sollen wissen, daß wir das in Europa voller  Hochachtung verfolgen. Kubas Kraft ist Ansporn für uns, für Veränderungen auch in unseren Ländern zu kämpfen.

    In diesem Sinne ist unser Besuch auf der Buchmesse eine Schulung, aus der wir jedes Jahr gestärkt nach Europa zurückkehren. Dies ist eine Veranstaltung, deren Erfolg zwar auch in Hunderttausenden verkaufter Bücher gemessen wird. Sie ist aber keine Kommerzshow, wie wir sie gewohnt sind, sondern ein Triumph der Menschlichkeit und Kultur. Dafür möchten wir uns bei den Veranstaltern der Buchmesse, aber auch bei allen Besucherinnen und Besuchern dieses international wichtigen Ereignisses bedanken.

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    In wessen Interesse?

    Katja Klüßendorf
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    Die Tageszeitung junge Welt (hier bei der Buchmesse in Havanna 2010) repräsentiert das andere Deutschland

    Im August 2010 stellte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle das neue Lateinamerika-Konzept der Bundesregierung vor. Er nannte den Subkontinent eine Weltregion, die in Europa unterschätzt werde. Sie sei einer der dynamischsten Wachstumsmärkte.
    Was er damit meint, hat er bereits kurz nach Amtsantritt bei einem Besuch in Südamerika gezeigt. Es geht um große Rohstoffvorkommen und Absatzmärkte für deutsche Exportprodukte, und darum, sich auf diesen Märkten gegen Konkurrenz aus anderen großen Industrienationen besser aufzustellen.

    Hintergrund ist die Sorge der deutschen und europäischen Wirtschaft um ausreichenden Nachschub an zentralen Rohstoffen. Deutsche Außenpolitik vertritt deshalb auch in Lateinamerika und der Karibik vor allem die Interessen der exportorientierten Industrie.

    Deren Staaten und Völker lernen aber immer mehr, ihre eigenen Interessen wirksam zu vertreten, indem sie sich zu Handelsbündnissen zusammenfinden. Dazu gehört auch AL BA, die Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas. Das meint Westerwelle natürlich nicht, wenn er von »unserem beiderseitigen Interesse« spricht. Im Gegenteil: Die Westerwelles Partei FDP nahestehende Friedrich-Naumann-Stiftung schreibt auf ihrer Website, daß sie »mit Sorge einen fundamentalen Wandel auf dem Kontinent beobachtet, nachdem sich zwei Jahrzehnte lang Land um Land der Demokratie und der Marktwirtschaft zuzuwenden schienen. Nun werden diese Errungenschaften herausgefordert, sehen sich die Verfechter liberaler Demokratie radikalen autoritären Populisten gegenüber.« Keine andere Institution in Deutschland hat  sich 2009 so offen auf die Seite der Putschisten gegen den rechtmäßigen honduranischen Präsidenten Manuel Zelaya gestellt.

    Um Freiheit und Menschenrechte ging es angeblich auch, als das deutsche Auswärtige Amt die Teilnahme an der Buchmesse in Havanna 2004 absagte, obwohl man zuvor eine Einladung als Ehrengastland angenommen hatte. Gegen eine solche Politik positionieren wir uns als Teil der Solidaritätsbewegung mit Kuba und anderen linken Regierungen in Lateinamerika. Bereits zum achten Mal in Folge beteiligen sich im Februar 2011 Verlage, Organisationen und Gewerkschaften aus dem deutschsprachigen Raum an der internationalen Buchmesse über das »Berliner Büro Buchmesse Havanna«.

    Die 20. Messe, die die kubanische Buchkammer den Kulturen der ALBA-Staaten als Ehrengäste widmet, hat für uns besondere Bedeutung, weil wir uns gemeinsam mit den AL BA-Ländern für jene Konzepte einsetzen, die den Neoliberalismus überwinden wollen und die es den wirtschaftlich schwächeren lateinamerikanischen Ländern ermöglichen, einen eigenständigen Weg zu gehen. So eine Entwicklung mag nicht im Interesse Westerwelles und der von ihm bedienten Klientel sein. Aber sie ist das, was wir unter unserem gemeinsamen Interesse verstehen.

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    Migration in der Krise

    Ulla Jelpke
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    Sammellager und militärische Bewachung der Grenzen – Europa schottet sich ab

    In Europa leben etwa zwei Millionen Menschen aus Lateinamerika, die über keine gültigen Aufenthaltspapiere verfügen. Von den 250 000 Bolivianern in Spanien verfügen weniger als ein Drittel über eine Aufenthaltsgenehmigung. Bei den 500 000 Ecuadorianern verhält es sich ähnlich.
    Frauen, die als Haushaltshilfen arbeiten, sind durch ihre Illegalität schutzlos Gewalt und sexuellem Mißbrauch ausgeliefert. Die Migranten erwartet also weder in den USA, dem Hauptziel der Migration aus Süd- und Mittelamerika, noch in Europa ein Paradies. Die meisten dieser südamerikanischen Migranten kommen als Touristen ins Land und tauchen nach Ablauf ihres Visums unter.

    Die EU arbeitet deshalb mit Hochdruck an der elektronischen Totalerfassung aller, die in die EU einreisen wollen. Ab 2012 will die EU-Kommission ein Elektronisches Einreise- und Ausreiseregister aufbauen. Wer nicht fristgerecht ausreist, löst  m System einen Alarm aus, die zuständigen Behörden können dann zeitig mit Ermittlungen beginnen. Auf Druck Deutschlands wurde vereinbart, in Zukunft keine generellen Legalisierungen mehr durchzuführen. Zukünftige Generationen von Migranten aus Südamerika werden es also noch schwerer haben als derzeit, von Europa aus ihre Familien zu unterstützen. So lange aber die auf der kapitalistischen Ökonomie beruhende ungerechte Verteilung des Reichtums auf der Welt  bestehen bleibt, werden viele in der Auswanderung die einzige Chance auf ein wenig Wohlstand sehen.

    Unter dem Damoklesschwert der Abschiebedrohung sind die meisten dieser Migranten bereit, zu Hungerlöhnen zu arbeiten und sich aus jeder politischen und gewerkschaftlichen Organisation herauszuhalten. So können sie als Lohndrücker oder gar Streikbrecher gegen die einheimische Bevölkerung ausgespielt werden. Rechte Politiker in Europa und den USA nutzen diese Realität zur rassistischen Stimmungsmache gegen Migranten und »Illegale«, um so vom Kapitalismus als
    Ursache der Wirtschaftskrise abzulenken.

    Die Aufgabe der europäischen und nordamerikanischen Linken und der Gewerkschaftsbewegung sollte deshalb darin bestehen, allen Migranten einen gesicherten Aufenthaltsstatus mit dem Recht auf Arbeit und demokratische Partizipation zu erkämpfen – als Teil des weltweiten Kampfes gegen die neoliberale Globalisierung.

    Zumal auch die so genannten Entwicklungsländer Süd- und Mittelamerikas nach 2007 in den Sog der von den USA und Europa ausgehenden kapitalistischen Krise gerissen wurden. Betroffen sind hier besonders Familien, die von den Überweisungen ihrer in den Industrienationen lebenden Verwandten abhängen. Denn Arbeitsmigranten in Europa oder den USA sind deutlich stärker von Arbeitslosigkeit in Folge der Finanzkrise betroffen als die einheimische Bevölkerung. Das liegt unter anderem daran, daß vor allem männliche Migranten häufig in den von der Krise am stärksten betroffenen Branchen arbeiten. Von der Arbeitslosigkeit ihrer Söhne und Töchter sind die Familien in den Herkunftsländern dann unmittelbar betroffen, bleiben so doch auch deren Überweisungen aus. Diese »Rimessen« genannten Überweisungen gingen weltweit allein im Jahr 2009 um 6,7 Prozent zurück, nach Südamerika und in die Karibik sogar um 12,3 Prozent.

    Für rund 50 Millionen Familien in Lateinamerika sind Rimessen die größte Einkommensquelle. In El Salvador und Nicaragua machten sie 2009 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, in Honduras sogar 25 Prozent. Auch in Guatemala, Costa Rica und Panama übertreffen die Rimessen den Anteil von Landwirtschaft und Tourismus am Bruttoinlandsprodukt. Kuba ist ebenfalls ein Großempfänger von Rimessen: Auf über eine Milliarde werden die jährlichen Überweisungen geschätzt, das sind etwa zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Da weiterhin jedes Jahr Kubaner in die USA emigrieren und ihre Arbeitskraft daher der kubanischen Wirtschaft fehlt, steigt auch hier die Abhängigkeit von den Transfers der Migranten.

    Zu Beginn des Jahres 2009 sanken diese Überweisungen infolge der Krise in den USA und Europa um bis zu 20 Prozent. Diese Krisenanfälligkeit ist ein großer Nachteil dieser Bezugsquelle. Die Einnahmen aus den Rimessen liegen über dem,
    was sich im Heimatland mit Lohnarbeit oder einem eigenen Kleinbetrieb verdienen läßt. Potentiell nachhaltige Existenzgrundlagen werden also aufgegeben, ganze Familien leben von den Transfers ihrer ausgewanderten Mitglieder. Bleiben die
    Überweisungen eines Tages aus, fehlen alternative Einkommensquellen.

    Ohnehin, so zeigen Beobachtungen von Wirtschaftswissenschaftlern, helfen die Rimessen nur für einen begrenzten Zeitraum. Zunächst zahlen die Migranten geringe Beiträge, mit denen sie die häufig durch Schlepper organisierte Auswanderung
    refinanzieren. Haben sie sich auf dem Arbeitsmarkt des Ziellandes etabliert und ein regelmäßiges Einkommen, steigen die Rimessen deutlich an. Danach jedoch versiegen diese wieder, entweder weil die Migranten zurückkehren oder ihre  Zahlungen einstellen, wenn die Bindung an die Familie im Herkunftsland schwächer wird. Den zurückgebliebenen Familien bleibt meist keine andere Möglichkeit, als wiederum einzelnen ihrer Mitglieder in der Hoffnung auf neue Rimessen die Emigration zu finanzieren. So entsteht eine Art »Rentenökonomie«, die komplett auf den erfolgreichen Export von Arbeitskräften angewiesen ist – und diese sind oft die letzte Ressource der betroffenen Länder nach jahrhundertelanger Ausplünderung durch die Industrienationen.

    In den entwicklungspolitischen Debatten der letzten Jahre gab es einen regelrechten Hype um die Rimessen. Die Überweisungen der Migranten kämen viel zielgerichteter an als die klassische Entwicklungshilfe und würden da eingesetzt, wo sie  gebraucht würden. Statt also ziellos Geld in die Entwicklungshilfe zu pumpen, sollte die Rimessenökonomie gefördert werden, wurde gefordert. Die aus der Not geborenen Geldströme in die Herkunftsländer dienen also als Rechtfertigung für weitere Einsparungen bei der klassischen Entwicklungshilfe. Außerdem sollen die Kenntnisse und Netzwerke der Migranten für die Erschließung der Märkte in ihren Herkunftsländern genutzt werden. Die Migranten sollen also für den Kampf um
    Marktanteile im Trikont genutzt werden, nachdem die Freihandelspolitik der vergangenen Jahrzehnte die dortigen Ökonomien fast vollständig zerstört hat.

    Auch in diesen Ländern selbst tragen die Rimessen zur Durchsetzung neoliberaler Politik bei, indem sie zunächst einmal den Druck ausgleichen, der Armut mit sozialpolitischen Programmen gegenzusteuern. Soziale Probleme werden so  komplett individualisiert. In Nicaragua wird beispielsweise die Hälfte der Gesundheitskosten aus Rimessen bezahlt.

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    Stiftungen gegen ALBA

    Ingo Niebel
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    Der Putsch in Honduras wurde von der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützt
    CIA und IV. Flotte, USAID und NED sind Abkürzungen einiger US-Einrichtungen, über die sich Washington in die Angelegenheiten von Staaten Lateinamerikas und der Karibik einmischt. Aufgrund ihrer politischen und wirtschaftlichen Schwäche sehen sich die USA gezwungen, mit den Stiftungen der deutschen Parteien zusammenzuarbeiten, um die verlorene Kontrolle über das Gebiet zurückzugewinnen, das sie weiterhin als ihren »Hinterhof« ansehen.

    Der Begriff »Stiftung« bezieht sich auf ein bestimmtes Vereinsmodell in Deutschland. So gibt es die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die die Bundesregierung berät.
    Darüber hinaus verfügt jede der sechs im Bundestag vertretenen Parteien über eine Stiftung, die ihrer Ideologie »nahesteht«. Nach dem üblichen »Links-Rechts«-Schema ergibt sich folgendes Bild: Die Hauptaufgabe der Stiftungen liegt in der Fortbildung der Kader und Mitglieder der Mutterpartei. Die vom Gesetz geforderte »Unabhängigkeit« von der ihr »nahestehenden« Partei ist relativ, weil es der Bundestag ist, der über die Zuschüsse entscheidet, die die Stiftungen seitens des Staates erhalten. Diese Einnahmen machen etwa 90 Prozent des jeweiligen Stiftungsetats aus. Eine weitere Finanzierungsquelle sind das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Letzteres hat 216 Millionen Euro für konkrete Projekte (2010–2012) eingeplant. Aus diesem Grund pflegen die Stiftungen einen engen Kontakt untereinander und mit den beiden Ministerien.

    Aber: »Sie sind weder ›Instrumente‹ noch ›Akteure‹ der Außenpolitik – sie sind beides in einem«, stellt die Politologin und Stiftungsexpertin Swetlana W. Pogorelskaja fest. Sie kommen in den Bereichen zum Einsatz, wo die deutsche Diplomatie nicht handeln kann oder will. So waren es 1973 deutsche Parlamentarier, die Bargeld nach Chile brachten, um die Opposition zu finanzieren, die sich auf den von der CIA geplanten Staatsstreich gegen Salvador Allende vorbereitete. Parallel dazu trug Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) Washingtons Wirtschaftsblockade gegen Santiago de Chile mit. In weiteren Ländern der Region zogen die deutschen Stiftungen es vor, diskreter zu operieren. Aber ihre systematische Zusammenarbeit mit den Schwesterparteien ist im Niedergang begriffen, seit 1998 Hugo Chávez die Präsidentschaftswahlen in Venezuela gewann. In der Folge haben die traditionellen Verbündeten der deutschen Stiftungen in allen ALBA-Staaten kontinuierlich an Bedeutung verloren.

    Nur die Konrad-Adenauer-Stifung (KAS) hat bewußt auf die neue Situation reagiert. Sie hat die Zahl ihrer Partner reduziert und sich neue Alliierte gesucht, wie zum Beispiel »Primero Justicia«, eine Partei, die 2002 mit gegen Chávez putschte. Außerdem hat sie in Bolivien und Ecuador ihre Arbeit mit indigenen Personen und Organisationen verstärkt, die bestenfalls »kritisch « zu den Präsidenten Evo Morales beziehungsweise Rafael Correa stehen. Ihre Arbeit in der Region hat die KAS 2007 mit dem International Republican Institute (IRI ) in Anwesenheit von Daniel Fisk, dem damaligen Nationalen Sicherheitsberater von US-Präsident George W. Bush, abgestimmt. Darüber hinaus arbeitet sie mit antikubanischen Zellen zusammen, die über eine CIA-Anbindung verfügen.

    Auf eine bisher nicht dagewesene Weise hat die liberale FNS ihre Ablehnung des AL BA-Projektes gezeigt, indem sie 2009 Roberto Micheletti vor, während und nach dem Militärputsch gegen den legitimen Präsidenten von Honduras, Manuel Zelaya, unterstütze, und den Putsch in Deutschland als einen legalen Akt darstellte. Hier sieht man die doppelte Funktion der Stiftungen: Im Gastland mischen sie sich in die inneren Angelegenheiten ein; daheim besteht ihre Arbeit in der Desinformation, im Absichern von illegalen Aktionen wie der in Honduras und im Voranbringen von Resolutionen, die ALBA-Mitglieder verurteilen. Die übrigen Stiftungen haben die FNS für ihre Einmischung in Honduras nicht kritisiert, weil ihnen das ein »ungeschriebenes Gesetz« verbietet.

    2010 hat die SWP der Bundesregierung empfohlen, die Arbeit der Stiftungen in Lateinamerika zu erweitern oder zu ergänzen. Diese solle sich auf »demokratische Repräsentationsstrukturen « und »innerparteiliche und innergesellschaftliche Moderationsprozesse « konzentrieren. Die SWP nennt als Arbeitsgebiete »den sich anbahnenden Klärungsprozeß innerhalb der Linken, die Neuordnung der Rechten und das Entstehen starker grüner Initiativen«. Jetzt hängt es von jeder Stiftung selbst ab, ob sie ein »Instrument-Akteur« der deutschen Außenpolitik bleiben will und sich weiter in die inneren Angelegenheiten der ALBA-Staaten einmischt, oder ob sie zum Respekt gegenüber dem international verbrieften Selbstbestimmungsrecht der Völker zurückkehrt.

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    »Dieser Film ist ein Ausblick auf die Zukunft«

    Julian Reiser
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    Bei der Vorstellung des Films in Berlin

    Sie gehören zu den Hauptdarstellerinnen des Dokumentarfilms »Zucker und Salz«. Wovon handelt dieser Streifen?

    Elena Aragón: Er spiegelt 50 Jahre Freundschaft durch den Werdegang der Revolution wieder, so wie Ana, María, Angela und ich sie erlebt haben.
    Wir sind vier von Tausenden Frauen, die die gleiche Geschichte als freiwillige Lehrerinnen oder Alphabetisiererinnen teilen. So gesehen ist es ein Film über die Emanzipation der kubanischen Frau, über ihre Beteiligung am revolutionären Prozeß.
    Zugleich stellt er das Leben von uns vier Frauen als stellvertretend für ein ganzes Volk vor, welches über Jahre hinweg durchgehalten hat, standhaft geblieben ist und bleibt.

    Welche Bedeutung hat es für den Film, daß er von einem Ausländer konzipiert wurde?

    Angela Pernas: Es beweist, in welchem Maße die Menschen anderer Völker unsere Revolution begreifen können. Ich denke, es ist unmöglich, einen Gegenstand darzustellen, der einem nicht nahegeht. Und so gesehen zeugt schon die Tatsache, einen solchen Film zu machen, von einem außergewöhnlichen Akt der Solidarität mit Kuba.

    Sie waren auf Tournee in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz. Wie wurden Sie dort empfangen?

    Angela Pernas: Am meisten hat mich beeindruckt, wie der Film vom Publikum aufgenommen wurde. Wir haben sehr gerührte Menschen gesehen, teilweise mit Tränen in den Augen. Die Leute haben sich bei uns bedankt, was wir zunächst überhaupt nicht begreifen konnten. Erst später ist uns aufgegangen, daß dieser Dokumentarfilm für sie einen Ausblick auf die Zukunft darstellt. Mit ihm sahen sie die Hoffnung greifbar, daß durch Kampf, Durchhaltevermögen und Entschlossenheit eine bessere Welt zu erreichen ist. Das haben wir sowohl bei den anwesenden Europäern als auch bei den lateinamerikanischen Migranten gesehen. Gleichzeitig war es für uns eine Bereicherung. Wir haben uns eingebracht, aber auch etwas vom Publikum empfangen, das uns in unserer Sache bestätigt hat.

    Die Europäer und speziell die Deutschen haben den Ruf, unterkühlt zu sein …

    Elena Aragón: Wir haben das Gesicht der Solidarität erblickt. Wir hatten eine völlig andere Vorstellung vom Leben und Fühlen der Europäer. Aber die Menschen, die wir auf den Veranstaltungen und danach getroffen haben, ließen uns eine Wärme spüren, die wir so nicht erwartet hätten. Es war sehr bewegend, Menschen kennenzulernen, die unter sehr schwierigen Verhältnissen kämpfen und sich dabei mit unserem Kampf solidarisieren und einen Weg suchen, uns zu helfen. Menschen, die versuchen, mit uns zusammenzukommen. Wir lernten, das Publikum zu lieben, denn es offenbarte uns seine Zuneigung, es verstand uns, es zeigte uns, daß es einen eigenen Standpunkt hat und dafür ist, die Lebensbedingungen in Kuba zu verbessern.

    Sie haben den Film auch am Stand der jungen Welt auf der Frankfurter Buchmesse präsentiert. Wie haben Sie den Betrieb dort wahrgenommen?

    Angela Pernas: Die Frankfurter Buchmesse ist eine außergewöhnliche Veranstaltung. Das Areal ist immens, aber sie unterscheidet sich grundlegend von der Buchmesse in Havanna. Denn in Frankfurt bewegen sich vor allem Geschäftsleute. Es werden dort kaum Bücher verkauft, sondern es werden Verlagsstände aufgesucht und Verträge geschlossen. Die Buchmesse in Havanna dagegen ist ein großes Kulturereignis, zu dem die gesamte Bevölkerung eingeladen ist und Bücher zu moderaten Preisen erstehen kann. Es handelt sich um zwei grundsätzlich verschiedene Angelegenheiten: Das eine ist eine Frage der Volksbildung, das andere eine Frage des Geschäfts.

    In dem Dokumentarfilm sind einige Szenen von der Buchmesse Havanna 2009 zu sehen. Wie kam es dazu?

    Elena Aragón: Jahr für Jahr ist die Buchmesse für uns wie für die gesamte Bevölkerung Kubas eines der bedeutenden kulturellen Ereignisse. Der Besuch dort ist quasi ein jährliches Muß. Literaturliebhaber genießen diese für sie so wichtige Veranstaltung. Die Buchmesse erscheint im Film, da sie eins der kulturellen Angebote ist, die uns sehr am Herzen liegen.

    Angela Pernas: Wir sind ja auch im Film zu sehen, wie wir ein Exemplar der junge Welt lesen. Das ist kein Zufall. Sie ist die einzige deutsche Tageszeitung, die auf die Buchmesse 2004 in Havanna gekommen ist, als Deutschland das Gastland war. Die junge Welt ist seit Jahren mit einer spanischsprachigen Sonderausgabe präsent, die interessante Berichte über die deutsche Realität bringt. Deshalb lasen wir gerade in ihr, als uns Martin, der Kameramann, aufnahm, und nur deshalb taucht sie auch im Dokumentarfilm auf.

    Der Streifen wird auch auf der Buchmesse in Havanna gezeigt. Worüber werden Sie und der Filmemacher auf dieser Veranstaltung sprechen?

    Elena Aragón: Wir werden von unseren Erfahrungen während des Besuches in Deutschland und den anderen Ländern berichten. Wir möchten der kubanischen Bevölkerung das Gefühl der Solidarität und all die Emotionen vermitteln, die wir während der Rundreise erlebt haben. Wir möchten zeigen, daß die Welt mehr über Kuba erfahren will. Trotz allen Totschweigens durch die Presse weiß die Welt, wer der Feind Kubas ist, wer tatsächlich die umfassende Entwicklung unserer Revolution verhindert, gegen wen wir kämpfen, gegen wen wir durchhalten.

    Angela Pernas: Bei vielen Menschen hat dieser Film Spuren hinterlassen – und er wird noch mehr erreichen. Wir sind abgereist, aber in Deutschland sind schon weitere Filmveranstaltungen geplant. Der Streifen hat es vielen Menschen angetan, es wird in verschiedenen Kreisen darüber gesprochen, und es ist etwas mehr von der Kubanischen Revolution bekanntgeworden.


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    Nicht vergleichbar

    André Scheer
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    Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel

    Die voranschreitende Integration Lateinamerikas wird gelegentlich mit der gewachsenen Zusammenarbeit in Europa verglichen. So nannte der guatemaltekische Präsident Álvaro Colom den Gemeinsamen Markt Südamerikas MERCOSUR »die Keimzelle einer Zusammenarbeit vergleichbar mit der Europäischen Union«.
    Ehrgeizige lateinamerikanische Projekte wie das gemeinsame Währungssystem »Sucre«, die Bank des Südens oder der Handelsvertrag der Völker (TCP) der AL BA-Staaten scheinen ebenfalls nahezulegen, daß sich auf dem amerikanischen Kontinent Entwicklungen vollziehen, die denen in Europa ähnlich sind.

    Doch dieser Eindruck täuscht. Die Europäische Union ist ein Staatenbund zwischen den Regierungen, der sich darauf konzentriert, grenzübergreifend gute Bedingungen für das Großkapital zu schaffen. Die internationalen Abkommen wie die Verträge von Lissabon und Maastricht, Amsterdam und Nizza bedeuteten für viele Menschen in den Mitgliedsstaaten der EU eine Verschlechterung ihrer sozialen Lage. Privatisierungen und sogar die militärische Aufrüstung werden den Mitgliedern in diesen Verträgen zwingend vorgeschrieben. Eine Staatsverschuldung, um dringende soziale Probleme zu lösen, ist verboten.

    Dadurch stößt die EU bei den Menschen, die in ihr leben, mehrheitlich auf Ablehnung. In den wenigen Ländern, in denen die Regierungen Volksabstimmungen über neue Abkommen der EU durchführen müssen, enden diese immer wieder mit einer deutlichen Ablehnung der Vorhaben. So 2005, als Franzosen und Niederländer bei Referenden der damals geplanten »EU-Verfassung« eine klare Absage erteilten. Die »demokratischen « Regierungen der EU änderten daraufhin einige kleinere Bestandteile des Werks und nannten es »Lissabon-Vertrag«. Da es nun nicht mehr den Titel »Verfassung« trug, brauchten Paris und Den Haag keine Referenden mehr durchführen. Die einzigen, die über dieses Abkommen votieren konnten, waren die Iren – und prompt sagten auch sie nein.  Daraufhin wurde die Abstimmung durch die Regierenden in Dublin wiederholt, unterstützt mit einer milliardenschweren Werbekampagne und begleitet von offenen Drohungen aus der EU-Spitze. So gelang es ihnen, schließlich doch noch einen Erfolg zu erreichen. Nun ist dieser Vertrag, der Umfragen zufolge auch von den Menschen in den Ländern abgelehnt wurde, in denen nicht abgestimmt werden durfte, geltendes Gesetz in der EU.

    Die Inhalte der unzähligen Abkommen, Verträge, Beschlüsse von Gipfeltreffen usw. sind den allermeisten Menschen in den EU-Mitgliedsstaaten unbekannt. So dürfte kaum jemand die mehr als 230 Seiten voller Juristensprache des »Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007« – so der offizielle Titel – wirklich gelesen haben. Sahra Wagenknecht, die damals Abgeordnete des Europaparlaments war, kritisierte vor der Verabschiedung dieses Abkommens, daß es Europa »auf lange Zeit in ein neoliberales Korsett preßt, die Militarisierung vorantreibt und zentrale Grundrechte aushebelt«. Es sei eine »Fehlgeburt«. Die Abgeordnete, die seit der letzten Wahl 2009 für die Linkspartei im Deutschen Bundestag sitzt, bemängelte außerdem die unzureichende Information der Bevölkerung über das, was in der EU beschlossen wird: »Europa ist in deutschen Medien viel zu wenig präsent. Deshalb muß man in der Regel erst einmal wahnsinnig viel erläutern, bevor man zum Punkt kommen kann. Was sind ›Richtlinien‹? Welche Brüsseler Institution hat wo mitzureden? Erschwerend wirkt sicher auch diese Metasprache, mit der man hier in Brüssel hantiert, diese vielen Abkürzungen, das ist normalen Bürgern kaum nahezubringen. Das muß man immer erst mal übersetzen.«

    Tatsächlich gilt »Brüssel« – die belgische Hauptstadt ist auch Sitz der wichtigsten EU-Führungsgremien – vielen Menschen als reine Geldverschwendung. Dorthin werden abgehalfterte Politiker abgeschoben, für die man in den Mitgliedsländern keine Verwendung mehr hat. Zugleich dient die Europäische Union den Politikern in den nationalen Regierungen auch als Sündenbock, denn für unsoziale Maßnahmen wie Rentenkürzungen, niedrige Löhne und ähnliches kann man gut EU-Beschlüsse verantwortlich machen. Verschwiegen wird dabei, daß alle wichtigen Entscheidungen von den nationalen Regierungen bei Gipfeltreffen beschlossen werden. Bequemer geht es kaum: Man faßt unpopuläre Beschlüsse gemeinsam mit den Kollegen der anderen Mitgliedsstaaten – und kann hinterher die Verantwortung dafür abschieben. So demonstriert es derzeit zum Beispiel die griechische Regierung, die den massiven Sozialabbau in dem südeuropäischen Land mit Sparvorgaben aus Brüssel begründet.

    Die neuen Initiativen zur lateinamerikanischen Integration, und hier vor allem die Bolivarische Allianz für die Völker Unseres Amerikas (AL BA), weisen in eine andere Richtung. Hier tun sich nicht die Großkonzerne, Kapitalisten und ihre geschäftsführenden Ausschüsse – die nationalen Regierungen – zusammen, wie in der EU, sondern hier vereinen sich alternative gesellschaftliche Projekte im Interesse der Bevölkerungsschichten, die über Jahrzehnte und Jahrhunderte ausgegrenzt und ausgebeutet wurden. Während die EU-Gipfeltreffen von massiven Polizeikräften abgeschirmt werden müssen, damit die Herrschenden nicht die Wut der Beherrschten zu spüren kriegen, verbreitet sich bei den AL BA-Treffen Volksfeststimmung. Und so etwas wie die Treffen der sozialen Bewegungen, die Bestandteil der AL BA-Gipfel sind, wären in Europa undenkbar. Die antiimperialistische lateinamerikanische Integration ist also mit der europäischen Vereinigung kaum oder gar nicht vergleichbar