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Aus: Bildung, Beilage der jW vom 23.10.2019
Bildungspolitik

Alles für die Wirtschaft

Deutsches Bildungssystem verschärft bestehende Klassenunterschiede. Einfluss des Kapitals wird immer größer
Von Steffen Stierle
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Lernen fürs Leben war gestern. Heute dient das Bildungswesen vor allem der Profitmaximierung

Das deutsche Bildungssystem fällt im internationalen Vergleich schon lange durch seinen besonders elitären Charakter auf. Wer aus gutem Hause kommt, dem stehen alle Türen offen. Wer unten ist, bleibt in aller Regel auch dort. Klassenunterschiede werden etwa durch die frühe Selektion der Kinder in ein gegliedertes System systematisch verschärft, Armut und Reichtum werden daher von Generation zu Generation vererbt. Immer problematischer wird zudem die Förderung der Ungleichheit durch einen eklatanten Mangel an öffentlichen Investitionen in das Bildungswesen. Während die meisten Schüler sich in überfüllten, maroden und qualitativ minderwertigen Einrichtungen tummeln, profitieren die Kinder der Oberschicht von privaten Alternativangeboten, die man sich eben leisten können muss.

Doch selbst dort, wo der Staat in die Bildung seiner Bürger investiert, fördert er vor allem jene, die bereits oben stehen. So etwa mit der sogenannten Exzellenzinitiative, mit der sich die Politik noch unverhohlener zum Vertreter privater Kapitalinteressen macht. Wer braucht im Zeitalter des Turbokapitalismus schon Soziologen oder Historiker? Dank politischer Schützenhilfe sichern sich die Wirtschaftsbosse einen immer größeren Einfluss auf die deutsche Hochschullandschaft. Studiengänge, die den Profitmaximierungsstrategien der Kapitalverwerter dienlich sind, werden großzügig mit Fördergeldern bedacht. Der Rest fällt hinten runter.

Außerhalb der Hochschulen beschränkt sich das Bildungswesen mehr und mehr auf die Produktion billiger und leicht auszubeutender Arbeitskräfte. So bieten nicht nur immer weniger Betriebe Lehrstellen an, auch die Qualität der Ausbildung wird schlechter. Unbezahlte Überstunden und unsichere Zukunftsperspektiven gehören zum Alltag vieler Berufseinsteiger. Mitbestimmung und betriebliche Interessenvertretung bleiben ihnen hingegen immer häufiger verwehrt. Statt mit attraktiven Konditionen locken die Unternehmen, etwa im Einzelhandel, mit poppigen Hochglanzbroschüren und falschen Versprechen. Den hochsubventionierten Reedereien hilft die Politik durch Erleichterungen bei der »Ausflaggung«, ihre Ausbildungspflichten zu umgehen und statt dessen Billigarbeitskräfte aus aller Welt anzuheuern.

Doch das ganze Desaster beginnt schon in der Grundschule. Wo die »schwarze Null« Staatsreligion ist, werden wider aller Bedarfsprognosen keine neuen Lehrer eingestellt. Die Lücken füllen Quereinsteiger ohne pädagogische Qualifikation zu miserablen Bedingungen. Hoffnungslos unterfinanziert bleiben derweil die Lehramtsstudiengänge. Statt sich mit pädagogischen Konzepten zu befassen, müssen Studierende häufig um die Aufnahme in überfüllte Seminare betteln. Die Schulen selbst werden derweil verhökert, denn mit Maßnahmen wie der Berliner »Schulbauoffensive« wird dem privaten Kapital auch auf dem Feld der Errichtung neuer Schulgebäude das Tor geöffnet. Die absehbaren Folgen sind steigende Kosten für die Allgemeinheit und satte Profite für die Immobilienwirtschaft.

Über diese verheerenden Entwicklungen berichten unsere Autoren auf den folgenden Seiten. Die vorherrschenden Zustände sind von den Eliten gewollt und müssen bekämpft werden. Um Veränderungen zu erreichen braucht es Druck von unten. »Potential für Massenproteste besteht, denn alle haben einen dicken Hals wegen der Missstände«, schreiben zwei Lehramtsstudierende, die über ihre alltäglichen Probleme berichten.

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Leserbriefe zu diesem Artikel:

  • Reinhard Hopp: Sie nennen es Bildung Gesellschaften beruhen auf Tauschbeziehungen, Gemeinschaften hingegen auf Werten. Wo es aber keinen allgemeingültigen und verbindlichen Wertekonsens (mehr) gibt, wuchert allerorten das geistige Unkrau...

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