11.04.2006 / Inland / Seite 9
Deutliche Tarifsteigerungen gefordert
»Wirtschaftsweiser« Bofinger: Lohndumping ursächlich für anhaltende Binnenmarktschwäche
Peter
Bofinger, Mitglied des von der Bundesregierung berufenen
Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung (bekannt als »Rat der Wirtschaftsweisen«) hat die deutschen
Unternehmer zu Lohn- und Gehaltserhöhungen aufgefordert. Früher sei es
die Regel gewesen, daß die Entgelte regelmäßig erhöht worden seien,
heute sei es dagegen die Ausnahme, kritisierte Bofinger am Montag im
Deutschlandradio Kultur. »Da gibt es ein grundlegendes Problem in der
Haltung der Arbeitgeber, da man zur Lohnerhöhung nicht mehr bereit
ist«, bemängelte er. In der derzeitigen Situation seien Steigerungen
von 2,5 bi 3,0 Prozent gerechtfertigt.
»Wir haben in Deutschland
eine einzigartige Geiz-ist-geil-Mentalität, sowohl bei den öffentlichen
wie auch bei den privaten Arbeitgebern«, sagte Bofinger dem Sender; es
werde suggeriert, daß das Überleben Deutschlands in der globalen Welt
nur zu erreichen sei, wenn man die Löhne am besten gar nicht mehr
erhöhe oder sogar absenke. »Das ist aber ein Irrweg, der nur in
Deutschland so gegangen wird«, warnte er. Das habe unter an-
derem
in Deutschland zu der einzigartigen Situation geführt, daß es seit
Jahren eine stagnierende Binnennachfrage gebe, die die
gesamtwirtschaftliche Entwicklung negativ beeinflusse.
Auch als
Ergebnis der aktuellen Tarifauseinandersetzungen forderte Bofinger eine
höhere Bezahlung. Für die Metall- und Elektrobranche verwies er auf die
im vergangenen Jahr deutlich gestiegene Produktivität. Im öffentlichen
Dienst entspreche die geforderte Mehrarbeit von täglich 18 Minuten
einer Lohnsenkung um knapp vier Prozent. »Da muß man sich ökonomisch
fragen: Wie ist es zu rechtfertigen, eine Lohnsenkung um fast vier
Prozent?« so der Wirtschaftsexperte weiter. (ddp/jW)
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