25.04.2024 / Kapital & Arbeit / Seite 9

EU zeigt China die Instrumente

Brüsseler Kommission leitet neuartiges Sanktionsverfahren wegen »diskriminierender« Ausschreibungen für Medizinprodukte ein. Beijing moniert Protektionismus

Uschi Diesl

Die EU-Kommission hat das erste Sanktionsverfahren wegen Benachteiligung europäischer Firmen bei öffentlichen Ausschreibungen eingeleitet. Gerichtet ist die Maßnahme, wenig überraschend, gegen China. Untersucht würden »Maßnahmen und Praktiken auf dem chinesischen Beschaffungsmarkt für Medizinprodukte, die europäische Unternehmen und Produkte ungerecht diskriminieren«, teilte die Brüsseler Behörde am Mittwoch mit, für die es bei Diskriminierungen offenbar auch gerecht zugehen kann.

Erstmals zur Anwendung komme das »Instrument für das internationale Beschaffungswesen«, das seit 2022 im sanktionspolitischen Werkzeugkasten der Kommission bereitliegt. Nun hat sie Hinweise darauf zusammengetragen, dass Chinas Beschaffungsmarkt für Medizinprodukte schrittweise für ausländische Unternehmen und auch für in der EU hergestellte Produkte geschlossen werde. Neuere Vorgaben der Staatsführung würden »in unfairer Weise zwischen lokalen und ausländischen Unternehmen sowie zwischen lokal hergestellten und importierten Medizinprodukten unterscheiden«. Wie aus den Angaben hervorgeht, geht es um medizinische Produkte sämtlicher Art – etwa verschiedene Apparate und Geräte unter anderem zum Beatmen, Röntgen oder Sterilisieren ebenso wie um Rollstühle und Verbandsmaterial wie Pflaster, Watte oder Binden.

Nach eigenen Angaben hat die Brüsseler Behörde ihre Bedenken wiederholt gegenüber den chinesischen Behörden geäußert, »zufriedenstellende Antworten oder Maßnahmen« seien ausgeblieben. Die Behörden seien aufgefordert, ihre Sicht der Dinge darzulegen und nötige Informationen zur Verfügung zu stellen. Es würden Konsultationen eingeleitet, um die »diskriminierenden Maßnahmen« zu beseitigen. Innerhalb von neun Monaten soll das Prozedere abgeschlossen sein. Sollte die EU-Kommission zu dem Schluss kommen, dass China mit diskriminierenden Maßnahmen europäische Firmen benachteiligt, könnten als Reaktion chinesische Firmen von europäischen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Aus China hieß es am Mittwoch, die EU habe ihren handelspolitischen Werkzeugkasten in jüngerer Zeit auffallend häufig dazu genutzt, protektionistische Signale in Richtung chinesischer Firmen zu senden und damit das Image der EU beschädigt. Der Staatenbund habe oft damit geprahlt, der offenste Markt der Welt zu sein, aber die Welt habe in letzter Zeit zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich Brüssel immer weiter in Richtung Protektionismus bewege, erklärte Außenamtssprecher Wang Wenbin in Beijing. China fordere die EU auf, sich an Bedingungen eines fairen Wettbewerbs zu halten und damit aufzuhören, chinesische Firmen unter haltlosen Vorwänden einzuschränken, so Wang.

Damit wies Beijing alle Vorwürfe, die im EU-Amtsblatt vom Mittwoch recht konkret formuliert waren, rundweg zurück. Mit einer ganzen Reihe von Gesetzen würde in China »die Beschaffung inländischer Medizinprodukte und Dienstleistungen zu begünstigen«, hieß es da. Bevor ein europäisches Unternehmen bei einer Ausschreibung einen Zuschlag bekomme, werde grundsätzlich geprüft, ob eine chinesische Firma das Produkt oder die Dienstleistung ebenfalls anbiete. Es erhalte in diesem Fall prinzipiell den Zuschlag. Chinesischen Krankenhäusern werde vorgeschrieben, bis 2025 mindestens 70 Prozent ihrer mittel- und hochwertigen medizinischen Geräte aus dem Inland zu beziehen. Zudem seien Ausschreibungen so gestaltet, dass chinesische Firmen »ungewöhnlich niedrige Angebote« machen könnten. Einfuhren ausländischer Medizinprodukte seien dagegen erheblichen Einschränkungen unterworfen. Was an diesen Vorwürfen dran ist, soll in den kommenden Monaten ausführlich erörtert werden.

Wie von Wang Wenbin festgestellt, hat die EU-Kommission verstärkt Untersuchungen gegen angeblich widerrechtliche Subventionen der KP Chinas eingeleitet. Die Stoßrichtung ist klar: Unter anderem sollen Windturbinen, Solarmodule und E-Autos vom europäischen Markt verdrängt werden. Im Vergleich mit der einheimischen Konkurrenz sind sie bei vergleichbarer Qualität deutlich billiger. Im Falle einer tatsächlich freien Wirtschaft könnten die Hersteller in kurzer Zeit eine Monopolstellung erringen.

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