25.04.2024 / Titel / Seite 1

Endstation Straße

Armutsampel präsentiert »Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit«. Paritätischer mahnt Wohnen als Menschenrecht an. Linke für Stopp von Zwangsräumungen

Oliver Rast

Sie ziehen mit Sack und Pack durch die Straßen, irren in Betonschluchten umher, suchen Schutz in verwinkelten Ecken: die, die kein Zuhause haben. Oder nur ab und an bei Freunden, Familienangehörigen und in Bretterverschlägen unterschlüpfen können. Nach jüngsten Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) sind mehr als 600.000 Personen in der BRD wohnungslos, etwa 50.000 von ihnen hausen ohne Unterkunft im öffentlichen Raum.

Kurzum, vielerorts Verelendung, Verwahrlosung, besonders in Ballungszentren. Was macht die Armutsampel? Bundesbauministerium Klara Geywitz präsentierte am Mittwoch einen »Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit« (NAP). Und will damit Obdach- und Wohnungslosigkeit überwinden – bis 2030. Eine »Mammutaufgabe«, wie die SPD-Politikerin befand. Dafür habe das Bundeskabinett einen »bundesweiten Handlungsleitfaden« entwickelt. Der Kernpunkt: mehr bezahlbare Wohnungen für die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit. Dafür stelle der Bund Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung, so die Ministerin. Mit dem »Wohngeld plus« würden ferner Menschen unterstützt, »die Probleme haben, ihre Miete zu bezahlen.« Und: Bessere Standards für die Unterbringung in Notunterkünften stünden ganz oben auf der Agenda. Geywitz: »Frauen und Männer sollten getrennt untergebracht werden können, wenn sie das möchten.« Nicht zuletzt müsste geprüft werden, wie Wohnungs- und Obdachlose Zugang zur Krankenversicherung bekämen. Hehre Ziele, soweit zum NAP.

Nur, die Koalition sei vom selbstgesteckten Ziel von 400.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr meilenweit entfernt, beklagte Jan-Marco Luczak (CDU) am Mittwoch gegenüber jW. »Dabei fehlen heute schon in Deutschland rund 910.000 Sozialwohnungen«, weiß der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion. Um die Wohnungsbaukrise zu lösen, müssten die hohen Baukosten runter, das Bauordnungsrecht samt Genehmigungsprozessen »radikal entschlackt werden.« Rolf Bosse, Geschäftsführer des Hamburger Mietervereins, meint hingegen auf Nachfrage dieser Zeitung: In erster Linie brauche es einen nicht renditeorientierten Wohnungsbau, eine neue Wohngemeinnützigkeit für günstige vier Wände.

Und eh, Wohnen sei Menschenrecht, »das in Deutschland immer weniger eingelöst wird«, betonte Joachim Rock, Abteilungsleiter Sozialpolitik beim Paritätischen Gesamtverband, am Mittwoch im jW-Gespräch. Jeder Stillstand in der Wohnungspolitik bedeute noch mehr prekäre Lebensverhältnisse. Stimmt, so die Mieten- und Wohnungsexpertin Caren Lay von Die Linke im Bundestag gleichentags zu jW. Zumal die NAP nur eines sei: »Augenwischerei«. Allemal ohne mehr Mieterschutz. »Um Wohnungslosigkeit konkret zu verhindern, müssen Zwangsräumungen in die Wohnungslosigkeit verboten werden.«

Gutes Stichwort, zwei aktuelle Fälle aus Berlin: Das Amtsgericht Wedding fällte am Dienstag ein Räumungsurteil gegen einen 84jährigen, der sein Elternhaus verlassen soll. Und der Immobilenhai Heimstaden ordnete unlängst eine Teilevakuierung eines maroden Wohngebäudes in Schöneberg an. Rauswürfe, die Ergebnis des hemmungslosen Profitstrebens der Wohnungswirtschaft seien, sagte ein Sprecher vom Berliner »Bündnis Mietenwahnsinn« am Mittwoch. Politisch Verantwortliche schauten diesem Treiben nicht nur tatenlos zu, sondern würden die Misere »aktiv befeuern«.

Fest steht: Scharen von Personen werden weiterhin in den übriggebliebenen Ritzen der Metropolen übernächtigen müssen; und gucken, wie sie überleben können.

Ohne Obdach.

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