24.04.2024 / Antifaschismus / Seite 15

Höcke will von nichts gewusst haben

Sachsen-Anhalt: Prozess gegen Thüringer AfD-Chef am Landgericht Halle fortgesetzt

Marc Bebenroth

Der Thüringer AfD-Landeschef ist nach eigener Aussage »tatsächlich völlig unschuldig«. Am Dienstag hat Björn Höcke im Prozess gegen ihn am sachsen-anhaltischen Landgericht Halle (Saale) ausgesagt. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, in einer Rede in Merseburg im Mai 2021 wissentlich die verbotene Parole der »Sturmabteilung« (SA) der NSDAP verwendet zu haben. Konkret geht es um Höckes dokumentierten Ausspruch: »Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland«, wobei der letzte Teil die zentrale Losung der SA war.

In seiner angekündigten Aussage vor Gericht beschrieb sich der Rechtsaußenpolitiker als »rechtstreuer Bürger«. Der 52jährige hessische Oberstudienrat behauptete, sein früheres Geschichtsstudium bedeute nicht, dass er von der Verbindung des Slogans zur SA gewusst haben muss, als er die Rede in Merseburg hielt. Im Gerichtssaal hatte er Bücher dabei, mit denen er nach eigener Aussage einst unterrichtet worden war und auch selbst unterrichtete. Darin las er dann auch offenbar, als im Gerichtssaal ein Video der in Frage stehenden Kundgebung gezeigt wurde. Der Staatsanwalt verwies auf die Reichweite des Videos. Es sei auf mehreren Plattformen im Internet verbreitet worden.

Bereits am vergangenen Donnerstag, dem ersten Verhandlungstag, hatte Höcke beim Betreten des Verhandlungssaals alte westdeutsche Lehrbücher für Geschichte unterm Arm. Wie Aufnahmen des MDR von jenem Tag zeigen, handelt es sich dabei unter anderem um einen Band der Reihe »Weltgeschichte im Aufriß« aus dem Frankfurter Diesterweg-Verlag – in derselben Farbgestaltung wie beispielsweise der 1977 veröffentlichte Band »Der europäische Faschismus und das Dritte Reich«. Der Verlag hatte damals die Bände der Reihe entsprechend der behandelten zeitgeschichtlichen Abschnitte farblich gestaltet.

Als erster Zeuge in dem Prozess wurde am Dienstag ein Polizist aus Halle vernommen, der die ursprüngliche Anzeige gegen Höcke aufgenommen hatte. Erstattet hatte sie der damalige Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel. Dieser hatte auf ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags verwiesen. Demnach sei das Verwenden von »Alles für Deutschland« als Teil von Reden auf Versammlungen strafbar. Höcke wird in dem Verfahren das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zur Last gelegt. Das Strafmaß in einem solchen Fall reicht von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren.

In einem Fernsehduell am 12. April hatte sich der AfD-Spitzenkandidat für die Thüringer Landtagswahl im September zu den Vorwürfen geäußert. Die Parole habe er in einer freien Wahlkampfrede verwendet. Höcke behauptete im Sender Welt, den nationalistischen Slogan »America First« (»Amerika zuerst«) von Expräsident Donald Trump frei interpretierend ins Deutsche übertragen zu haben.

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