17.04.2024 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Tesla streicht jeden zehnten Job

E-Autobauer will mehr als 14.000 Arbeitsplätze weltweit abbauen. Zahl der Kündigungen in Grünheide noch unklar. Brandenburger SPD-Regierung in Erklärungsnot

Alex Favalli

In einer firmeninternen E-Mail mit dem Betreff »Company Update« hat Tesla-Boss Elon Musk in der Nacht zum Montag die Streichung jedes zehnten Jobs beim Weltkonzern angekündigt. »Es gibt nichts, was ich mehr hasse«, schrieb der Multimilliardär an seine Mitarbeiter, »aber es muss getan werden.« Mehr als 14.000 Arbeitsplätze in den USA, Asien und Europa sollen abgebaut werden. Auch die »Gigafactory« in Grünheide bei Berlin wird davon betroffen sein, in welchem Ausmaß, ist noch unklar. Das Handelsblatt berichtete in seiner Dienstagausgabe, dass von den derzeit 12.500 Beschäftigten um die 3.000 gekündigt werden sollten. Das Unternehmen erklärte am Dienstag, dass diese Zahl »jeder Grundlage entbehrt«. Details für den deutschen Standort seien noch nicht bekannt.

IG-Metall-Bezirksleiter Dirk Schulze sagte gegenüber dpa: »Bisher gibt es jede Menge Gerüchte und eine Absichtserklärung von der Konzernzentrale, dass über zehn Prozent des Personals abgebaut werden sollen – global. Was das für Grünheide bedeutet, dazu hat selbst der Betriebsrat noch keine Information.«

Die Landespolitik zeigte sich bemüht, die Lage so schnell wie möglich zu beruhigen: »Wenn es zu einem Stellenabbau bei Tesla in Grünheide kommen sollte, dürfte sich die Zahl der Stellen nach unseren Informationen nicht um 3.000 bewegen, sondern signifikant niedriger ausfallen«, sagte Brandenburgs Wirtschafts- und Arbeitsminister Jörg Steinbach (SPD) am Dienstag. Dass der Minister »seine Informationen« nicht belegen konnte, war Ausdruck ohnmächtiger Spekulation.

Tatsächlich kommt der Lokalpolitik der Stellenabbau, gelinde gesagt, sehr ungelegen. Schließlich war die Gigafactory gegen heftigen Widerstand der lokalen Bevölkerung und von Klimaschutzaktivisten errichtet worden. Begründet wurde die Durchsetzung mit der Schaffung vieler Arbeitsplätze und der wirtschaftlichen Stärkung des Berliner Umlands. Immer wieder unterstrich die Landesregierung, dass die Belegschaft irgendwann auf 22.500 Mitarbeiter gesteigert werden solle.

Vor etwas mehr als einem Monat pilgerten nach einem Stromausfall infolge eines Anschlags rund 1.000 Mitarbeiter zum Tesla-Werk, um »ein solidarisches Zeichen für ihren Arbeitgeber zu setzen«. Der könnte sich nicht dankbarer zeigen: »Ich möchte allen, die Tesla verlassen, für ihre harte Arbeit in den vergangenen Jahren danken«, schrieb Musk in seiner Mail an die Mitarbeiter. »Ich bin zutiefst dankbar für Ihre Leistung und wünsche Ihnen alles Gute für Ihre zukünftigen Möglichkeiten. Es ist sehr schwer, Abschied zu nehmen.«

Hintergrund der Maßnahme dürften die rasant sinkenden Verkaufszahlen des Elektroautoherstellers sein. Im ersten Quartal dieses Jahres wurden 387.000 Pkw weniger verkauft als im Vorjahreszeitraum. Zum einen bevorzugen Autokäufer neuerdings wieder Verbrennermotoren oder Hybridfahrzeuge. Zum anderen wird die Konkurrenz aus China für Tesla immer bedrohlicher.

Chinesische E-Autohersteller bilanzierten für das vergangene Jahr ein Exportwachstum von zwölf Prozent. Insgesamt wurden 30,9 Millionen E-Autos aus China verkauft. Dabei haben Russland und Mexiko den größten Teil dieser Fahrzeuge importiert. Der chinesische Batterien- und Autohersteller BYD löste im Dezember erstmals Tesla als größten E-Autohersteller weltweit ab.

Das Rennen um günstige E-Autos dürfte Musks Konzern verloren haben. Dem Vernehmen nach drängt der Firmengründer nun auf einen Kurswechsel. Einem Reuters-Bericht von Anfang April zufolge hat Tesla das seit langem versprochene preiswerte Auto, auf das Investoren gezählt haben, aufgegeben. Musks neuer »Masterplan« sehe demnach vor, zunächst Luxusmodelle zu produzieren und dann mit den Gewinnen ein »günstiges Familienauto« zu finanzieren. Das Techbranchenportal Electrek, das zuerst über den jüngsten Stellenabbau berichtet hatte, teilte am Montag mit, die Entwicklung eines kostengünstiges Auto werde nicht länger finanziert, und viele Mitarbeiter aus diesen Teams sollten entlassen werden. »Bei der Vorbereitung des Unternehmens auf die nächste Wachstumsphase ist es äußerst wichtig, alle Aspekte des Unternehmens auf Kostensenkungen und Produktivitätssteigerungen zu prüfen«, schrieb Musk in der internen E-Mail.

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