13.04.2024 / Inland / Seite 4

Er hat Mett gesagt

Thüringen: Politzirkus um »TV-Duell« mit Höcke. Hintergrund Kampf um zweiten Platz bei Landtagswahl

Kristian Stemmler

Nach dem »TV-Duell« zwischen dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und dem CDU-Landesvorsitzenden Mario Voigt haben sich am Freitag alle beteiligten Akteure um eine Gewinnerpose bemüht. Bei Springers Nachrichtensender Welt TV jubelte man über rund 1,03 Millionen Zuschauer – das größte Publikum der Geschichte des Senders. Stimmen aus der CDU und der AfD präsentierten den jeweils eigenen Mann als »Sieger«.

Politiker von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei hatten zuvor vehement kritisiert, dass Voigt überhaupt mit Höcke in diesem Format zusammentraf und diesem so ein Forum bot – noch dazu am Jahrestag der Selbstbefreiung des Konzentrationslagers Buchenwald. Insbesondere bei der Linkspartei dürfte man zudem sehr unglücklich darüber sein, dass mit dem »Duell« der Eindruck vermittelt wurde, die am 1. September stattfindende Landtagswahl sei in der Hauptsache ein Duell zwischen AfD und CDU. Da ausgeschlossen ist, dass die AfD als voraussichtlich stärkste Partei mit Höcke den Ministerpräsidenten stellt, kommt es vor allem darauf an, wer auf Platz 2 einläuft. Die CDU, die in Umfragen wenige Prozentpunkte vor der Linkspartei liegt, dürfte genau wissen, dass ein »Duell«-Format, bei dem der amtierende Ministerpräsident gar nicht mehr auftaucht, ihre Aussichten, zweitstärkste Kraft zu werden, deutlich verbessert.

Landespolitische Themen spielten in der teilweise fahrigen Debatte am Donnerstag abend kaum eine Rolle. Es ging vor allem um Europa, Migration und Erinnerungspolitik. Höcke hatte Kreide gefressen und hielt sich mit provozierenden Aussagen zurück. Zum Thema Migration äußerte er sich zahmer als sonst, hatte für den Begriff »Remigration« gar eine neue Interpretation parat: Es gehe um Rückholung deutscher Auswanderer ins Land. Voigt forderte seinerseits »null illegale Migration in Deutschland«. Einen EU-Austritt, wie die AfD ihn wolle, nannte er eine »Katastrophe für Deutschland«. Stellenweise ging Voigt seinen Kontrahenten betont scharf an. »Wir werden keine neuen Unternehmensansiedlungen und auch keine neuen Fachkräfte gewinnen, wenn der Reichskanzler Höcke zur Eröffnung kommt«, sagte er. Dann belehrte er den aus Westdeutschland zugezogenen Höcke, dass man in Thüringen »Gehacktes« und nicht »Mett« sage (»Ne, Sie haben Mett gesagt«).

Höcke machte Voigt mehrfach Avancen, nannte ihn einen »Kollegen«. Als es am Ende um mögliche Koalitionsoptionen nach der Landtagswahl ging, erklärte der AfD-Mann: »Meine Hand ist weiterhin ausgestreckt.« Gemeinsam werde man eine »bürgerlich-konservative-patriotische Wende« vollbringen.

Die üblichen politikwissenschaftlichen Kommentatoren waren sich anschließend in der Bewertung nicht einig. Albrecht von Lucke sagte dpa, der Verlauf des Duells widerlege »all jene, die davor gewarnt hatten, Höcke dieses Podium zu bieten und ihn so salonfähig zu machen«. Der Erfurter Politologe André Brodocz befand, das Ziel, Höcke inhaltlich zu stellen, sei nicht erreicht worden.

Die CDU-Spitze zeigte sich zufrieden. Voigts »mutiger Kurs«, die Rechten zu stellen, habe sich als »goldrichtig« erwiesen, erklärte Generalsekretär Carsten Linnemann der Rheinischen Post. Parteichef Friedrich Merz sagte dem Sender Pro sieben, Voigt habe das sehr gut gemacht. »Ich habe von Anfang an gesagt, es ist richtig, sich jetzt auch inhaltlich mit der AfD sehr viel stärker auseinanderzusetzen, als wir das bisher getan haben.« Der Kovorsitzende der Linkspartei, Martin Schirdewan, sprach dagegen von einer »braun-schwarzen Freakshow«, die Thüringen nicht verdient habe.

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