13.04.2024 / Inland / Seite 4

Mit Plaste auf Stimmenfang

Bundestag: Ampel beschließt mit BSW und AfD Grundlage für bundesweite Einführung von Bezahlkarten

Marc Bebenroth

Die weitere Entmündigung von Asylsuchenden ist beschlossene Sache. Am Freitag hat der Bundestag die rechtliche Grundlage zur bundesweiten (Wieder-)Einführung von Bezahlkarten für Geflüchtete verabschiedet. Für das Änderungsgesetz der Ampelfraktionen SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen stimmten auch die Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) sowie die Fraktion der AfD. Der Gesetzentwurf der Unionsfraktion fand nicht die nötige Mehrheit, erhielt aber ebenfalls die Stimmen von AfD und BSW. Die Linke-Gruppe stimmte gegen beide Vorlagen.

Das verabschiedete Gesetz ermöglicht es den Ländern, nach eigenem Ermessen Karten anstelle von Bargeldleistungen einzuführen. Offiziell geht es der Bundesregierung darum, Zahlungen an »Schleuser und Schlepper im Ausland« zu unterbinden, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im Plenum erklärte. Man setze »zusätzliche Schranken« gegen deren »menschenverachtendes Geschäftsmodell«. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass jene kommerziellen Fluchthelfer zumindest zum Teil vorab bezahlt werden wollen, wofür die Familien den Fliehenden das nötige Geld mitgeben, wie Migrationsforscher immer wieder unterstreichen.

Der BSW-Abgeordnete Alexander Ulrich begrüßte im Plenum grundsätzlich, dass die Bundesrepublik Menschen Schutz biete, beklagte in der Debatte aber – auf der Linie der vorliegenden Entwürfe –, dass »wir« an »unsere Grenzen kommen« bei der »riesigen Zahl irregulärer Migration«. Es gelinge »uns« auch nicht, abgelehnte Asylsuchende »wieder zurückzuführen«. Dies seien die »entscheidenden« Punkte. SPD und Grüne kritisierte der BSW-Politiker dafür, Migration als »Managementproblem« zu betrachten. »Die schiere Anzahl« der Geflüchteten überfordere »unsere Gesellschaft«.

Die Linkspartei hatte sich zuvor mehrfach gegen die Bezahlkarte ausgesprochen. Den Eindruck zu erwecken, Asylsuchende würden nichts anderes tun, als den ganzen Tag Geld an Schleuser zu überweisen, geißelte Clara Bünger (Die Linke) als »falsch und irreführend«. Sie wies darauf hin, dass Leistungen für Geflüchtete unter dem Niveau der Leistungen für erwerbslose Deutsche liegen, also »unter dem Existenzminimum«. Daher sei es »absurd« zu glauben, dass »große Geldbeträge ins Ausland transferiert werden«. Sie warnte vor einem Flickenteppich an Regelungen und einem Bürokratiemonster für die Kommunen. Profitieren werden laut Bünger die Anbieter solcher Karten. Das sei ein Geschäft »in Millionenhöhe«.

Durch die Möglichkeit, über die Bezahlkarte steuern zu können, wo Betroffene in welchen Geschäften einkaufen können, werde die Residenzpflicht »durch die Hintertür« eingeführt, kritisierte Bünger. Befürworter, wie der FDP-Abgeordnete Stephan Thomae, behaupten dagegen, die Verwaltung werde entlastet, da sich am Monatsende keine langen Schlangen bilden würden. Den Ampelparteien, der Union, BSW und AfD geht es im »Superwahljahr« mit dem Bezahlkartenbeschluss zweifellos darum, die Stimmung gegen Geflüchtete in Wählerstimmen umzuwandeln.

Betroffene stehen unter dem sozialen und finanziellen Druck, ihre Angehörigen im Ausland zu unterstützen. Darauf wies sogar die »Gewerkschaft der Polizei« am Freitag hin. Jene Drucksituation verschwinde nicht mit der Bezahlkarte, erklärte der GdP-Bundesvorsitzende Jochen Kopelke. Mehr noch: Wird das Überweisen von Geld verunmöglicht, könnten unbeglichene Forderungen von »Schleppern« sich auch auf die Sicherheit der Verwandten in den Herkunftsländern auswirken. Kopelke warnte explizit auch davor, Barzahlungen an Asylsuchende zu gering zu bemessen. Dann bestehe das Risiko, dass Geflüchtete versuchen werden, »sich das nötige Geld über kriminelle Machenschaften zu besorgen«.

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