09.04.2024 / Feuilleton / Seite 11

Ein Mann der Bücher

Zum Tod des Schauspielers, Regisseurs und Autors Peter Sodann

F.-B. Habel

Zusammen mit Autor und Regisseur Hans-Werner Honert dachte sich Peter Sodann seinen Dresdner »Tatort«-Ermittler Bruno Ehrlicher aus: »Bruno wegen meines Grundschullehrers und Ehrlicher, weil ich ehrlicher sein wollte, als diese Westkommissare«, erklärte der Schauspieler, dessen erster »Tatort« einer der letzten Filme des DFF war, 1992 in einem Interview. »Ich spiele einen Beamten aus dem real existierenden Sozialismus, der einen leitenden Posten innehatte und nach der Wende degradiert wurde. Mein neuer Vorgesetzter kommt aus dem Westen«, erläuterte Sodann die Grundsituation. Gleich in der ersten seiner 45 »Tatort«-Folgen ging es thematisch zur Sache: Rassismus und Intoleranz. Sodann war es wichtig, als Stimme aus dem Osten Nachdenken zu provozieren.

Als Einzelkind kam Peter Sodann 1936 in Meißen in Nachbarschaft zur Kunstmetropole Dresden zur Welt und starb am vergangenen Freitag als Ehrenbürger von Halle in Nachbarschaft zur Bücherstadt Leipzig. In beiden Großstädten hat er für den »Tatort« ermittelt. Einen seiner letzten öffentlichen Auftritte absolvierte er in Leipzig gemeinsam mit dem Autor Jürgen Klammer zur Präsentation des Buches »Konterrevolution im Kabarettkeller« mit dem Untertitel »Vorgang Sodann und 5 Andere«.

Detailreich schildert der Autor die Vorgänge um das Leipziger Studentenkabarett »Rat der Spötter« im Sommer 1961. Damals studierte der Genosse Sodann Jura an der Karl-Marx-Universität und avancierte durch seine Belesenheit und Spielfreude zum Chef des kleinen, gern auch frechen Ensembles. Nach dem 13. August war zuviel Frechheit nicht gefragt. Sodann wurde verhaftet und, da er zu Widerworten neigte, zu zehn Jahren Haft verurteilt, von denen er allerdings nur neun Monate abzusitzen hatte. Aus der Partei wurde er ausgeschlossen. Danach wurde er Schauspieler und hat aus eigener Kenntnis sowohl gute Genossen gespielt (für seinen John Scheer in dem Fernsehfilm »Ernst Thälmann« erhielt er 1986 gar den Nationalpreis) als auch Stasi-Leute bis hin zu Erich Mielke (in »Deutschlandspiel«, 2000).

Auch wenn er seit 1965 weithin durch Film und Fernsehen bekannt wurde, war das Theater doch seine Hauptleidenschaft. Er debütierte bei Helene Weigel am Berliner Ensemble, wo er zwar Publikum und Kritik in kleinen Rollen auffiel, aber erst in Erfurt und Karl-Marx-Stadt konnte er sich freispielen. In Magdeburg wurde er 1975 Schauspieldirektor, ehe er 1980 in gleicher Funktion nach Halle ging, wo er das kulturelle Leben umkrempelte und mit Elan Neues schuf. Bleibendes Zeichen ist die »Kulturinsel« mit dem Neuen Theater, dessen Intendant er war. Viele große Bühnenrollen hat er in seiner Laufbahn übernommen. Er spielte mit Erfolg sowohl Brechts Galilei, Trullesand in Kants »Aula«, Möbius in Dürrenmatts »Die Physiker« als auch den Theaterprinzipal Striese in dem Schwank »Raub der Sabinerinnen« von Franz und Paul von ­Schönthan.

Ab 2005 unterstützte Peter Sodann die Linkspartei öffentlich und kandidierte auf ihren Vorschlag hin 2009 für das Bundespräsidentenamt, um damit die ehemaligen DDR-Bürger zu repräsentieren. Er erhielt auch Stimmen, die nicht aus den Reihen der Linken stammten.

Mit großem Engagement gegen das Vergessen der DDR-Kultur stellte er ab 1990 eine riesige Bibliothek mit Büchern zusammen, die im sozialistischen Deutschland erschienen waren, und bemerkte: »Ich kann mich nicht verleugnen, bin doch in der DDR zur Schule gegangen. Ist das etwa eine Schande?« Den überwältigenden Zuspruch für diese heute als Genossenschaft betriebene Bibliothek fasste er zu Recht als Anerkennung seines Lebenswerks auf.

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