28.03.2024 / Kapital & Arbeit / Seite 9

Branche für Pleite und Profite

Dynamische Entwicklung in Solarindustrie: Während Meyer Burger in Freiberg seine Tore schließt, kann SMA Solar seinen Gewinn vervielfachen

Wolfgang Pomrehn

Die deutsche Solarindustrie kriselt mal wieder vor sich hin und hat Schwierigkeiten, sich gegen die günstiger anbietende chinesische Konkurrenz zu behaupten. Im sächsischen Freiberg führte das jetzt dazu, dass das Schweizer Unternehmen Meyer Burger Technology AG seine Tore schließt, um hinter die Zollschutzmauern der USA umzuziehen. Jenseits des Atlantiks versuchen Parlament und Regierung die chinesischen Solaranlagen mit hohen Abgaben draußen zu halten.

In Freiberg erhielten am Mittwoch 500 Beschäftigte ihre Kündigung, teilte Meyer Burger mit. Das Unternehmen hatte im Vorjahr einen Verlust eingefahren und auf den sogenannten Resilienzbonus gehofft, mit dem die Bundesregierung nach EU-internen Absprachen als wichtig angesehene Unternehmen gegen internationale Konkurrenz stützen kann. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte diese Subvention allerdings verweigert. Aus dem Bundesumweltministerium hieß es hingegen, dass man sich weiter um Förderung für den Standort Freiberg bemühen wolle. 400 Beschäftigte verloren ihre Stellen.

Gute Nachrichten gibt es andererseits vom Wechselrichterhersteller SMA Solar Technology AG, der seinen Gewinn vervierfachen konnte, wie das Unternehmen in seinem am Mittwoch veröffentlichten Jahresbericht bekanntgab. Wechselrichter wandeln den Gleichspannungsstrom der Solaranlagen in Wechselspannung um, damit er ins Netz eingespeist werden kann. SMA profitiert daher in erheblichem Maße vom hiesigen Solarboom. 2023 sind in Deutschland Solaranlagen mit einer Kapazität von 15 Gigawatt (GW) ans Netz gegangen. Das ist knapp das Doppelte des bisherigen Ausbaurekords aus dem Jahre 2012. Mit diesen 15 GW lassen sich bei den hierzulande möglichen 1000 Vollaststunden 15 Milliarden Kilowattstunden Strom erzeugen, so viel wie mit eineinhalb großen Atomkraftwerken. Insgesamt waren nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme bis zum März knapp 85 GW Leistung in Solaranlagen installiert. 2023 haben Solaranlagen 11,7 Prozent des Stromverbrauchs abgedeckt.

Möglich wird der starke Ausbau nicht zuletzt, weil die Großhandelspreise von Solaranlagen im vergangenen Jahr um rund 50 Prozent gefallen sind und sich weiter auf Talfahrt befinden. Grund dafür ist neben Produktivitätssteigerungen eine erhebliche Ausweitung der Fertigungskapazitäten in China, was dort inzwischen trotz erheblich gesteigerter Inlandsnachfrage zu Überkapazitäten führt. Diese wiederum haben einen Preiskampf zwischen den chinesischen wie auch den hiesigen und nordamerikanischen Herstellern zur Folge. Dieser schmälert die Profite, wie Meyer Burger zu spüren bekam, beflügelt jedoch in erheblichem Maße den Absatz, was wiederum letztes Jahr weltweit Hunderttausende Jobs im Handwerk geschaffen hat und auch Firmen wie SMA zugute kommt. Entsprechend ist die Solarbranche sowohl in der EU als auch in den USA in der Frage der Zölle auf chinesische Anlagen zerstritten. Hierzulande haben sich die Zollbefürworter bisher nicht durchsetzen können.

Ansonsten hat der Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen im vergangenen Jahr zwar international kräftig zugelegt, ist aber noch lange nicht auf dem benötigten Niveau. Das stellte kürzlich die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) fest. Auf der letzten UN-Klimakonferenz hatten sich die Regierungen im vergangenen Jahr darauf geeinigt, die weltweiten Erzeugungskapazitäten von Sonne, Wind und Co. bis 2030 verdoppeln zu wollen, doch davon ist der Planet noch weit entfernt. Derzeit liegen sie bei 3900 GW, müssten also in den kommenden sechs Jahren auf 15.600 GW gesteigert werden. Im vergangenen Jahr sind allerdings nur 473 GW hinzugekommen – rund die Hälfte davon allein in China.

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