26.03.2024 / Ansichten / Seite 8

Jedes Risiko

Reaktionen auf Terroranschlag bei Moskau

Arnold Schölzel

Das Echo auf den Anschlag in der Nähe von Moskau ist zweigeteilt. Wladimir Putin sprach zwar ohne Beleg am Sonnabend davon, vier von elf Tatverdächtigen hätten sich auf der Flucht »in Richtung Ukraine bewegt, wo für sie ein Fenster für einen Grenzübertritt vorbereitet worden war«, am Montag lehnte es aber sein Sprecher ab, während der laufenden Ermittlungen Kommentare abzugeben. Da ist zum Beispiel Washington schneller und weiter: Wenige Stunden nach der Attacke antwortete der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, am Freitagnachmittag Ortszeit dort auf die Frage, ob es eine Verbindung zum Ukraine-Krieg gebe: »Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass die Ukraine oder Ukrainer an der Schießerei beteiligt waren.« Danach war nicht gefragt worden, aber ­Kirby verband das mit: »Ich möchte Sie zu diesem frühen Zeitpunkt von jeglichem Bezug zur Ukraine abhalten.« Wenige Minuten zuvor hatte er auf die Frage, ob die USA Kiew drängen, Angriffe auf russische Raffinerien einzustellen, aus Furcht vorm Steigen der Ölpreise im Wahljahr, die Formel wiederholt: »Wir ermuntern und befähigen das ukrainische Militär nicht, innerhalb Russlands Schläge durchzuführen.«

Das ist nach Aussagen zum Beispiel des deutschen Generals a. D. Harald Kujat gelogen. Er meinte erst kürzlich, ohne die von den USA zur Verfügung gestellten Informationen sei Kiew nicht in der Lage, Krieg zu führen. Und erinnerte an den 26. Dezember 2022: An diesem Tag griff Kiew mit Drohnen einen russischen Flugplatz in Engels an. Dort ist die strategische Bomberflotte stationiert, werden Atomwaffen gelagert. Nach Meinung Kujats hätte ein Treffer des Waffenlagers verheerende Folgen gehabt. Im Klartext: In Kiew sitzen an maßgeblichen Stellen Leute, die jedes Risiko eingehen.

Einer von ihnen ist der Chef des Militärgeheimdienstes Kirilo Budanow, der im Mai 2023 mit dem Satz Aufsehen erregte: »Wir haben Russen getötet, und wir werden bis zum vollständigen Sieg der Ukraine weiterhin überall auf der Welt Russen töten.« Putins Sprecher Dmitri Peskow sah darin »eine direkte Bestätigung dafür, dass das Kiewer Regime terroristische Aktivitäten nicht nur sponsert, sondern auch direkt organisiert«. Wenig später reihte sich Budanow selbst neben dem »unsterblichen Kommandeur«, dem Faschisten Stepan Bandera, ein. Komplettiert wird das durch Berichte über die Rekrutierung tadschikischer Freiwilliger für die Söldnertruppen Kiews.

Keine Beweise, nur die eilends bekundete Gewissheit des Westens macht stutzig.

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