21.03.2024 / Ausland / Seite 7

Reich geboren, revolutionär gestorben

Bomben, Bilderklau und Kampf für die Irische Republik: Zum Tod von Rose Dugdale

Dieter Reinisch

Vor fast genau 50 Jahren kaperte sie mit einem Genossen einen Hubschrauber in der irischen Grafschaft Donegal. Rose Dugdale und Eddie Gallagher zwangen den Piloten, ein halbes Dutzend rudimentärer Fassbomben zu laden und über die Grenze nach Nordirland zu fliegen. In Strabane südlich der Stadt Derry wollten sie damit aus der Luft die britische Polizeistation angreifen. Doch die Bomben waren für den Hubschrauber zu schwer. Die Hälfte mussten sie zurücklassen. In Strabane warfen sie den Rest ab, aber keine Bombe explodierte. Eine landete in einem Bach, die anderen verursachten leichten Sachschaden. Vor den Augen verdutzter Passanten wurde Dugdale landesweit bekannt. Doch der fehlgeschlagene Anschlag war nur der Anfang ihrer IRA-Karriere.

Eine andere Aktion beförderte sie schließlich zur revolutionären Celebrity in den Klatschblättern: Am 26. April 1974 beteiligte sich Dugdale an einem Raub im Russborough House in der Grafschaft Wicklow, dem Anwesen von Sir Alfred Beit, 2. Baronet. Dugdale und drei weitere IRA-Mitglieder drangen in das Haus ein und fesselten das dort lebende Adelspaar. Anschließend stahlen sie 19 Gemälde alter Meister im Wert von acht Millionen irischen Pfund, darunter Werke von Gainsborough, Rubens, Goya und Vermeer. Ziel des Raubüberfalls war die Freipressung von Dolours und Marian Price aus britischer Haft. Die Schwestern waren der IRA 1971 beigetreten und wegen ihrer Beteiligung an dem Anschlag 1973 auf das Gerichtsgebäude Old Bailey in London verurteilt worden. Der Plan scheiterte, doch Dugdale wurde zur irisch-republikanischen Berühmtheit, obwohl sie in den folgenden Jahren kaum direkt im bewaffneten Kampf aktiv war.

Ihre Eltern hatten einen anderen Lebensweg für ihre Tochter erwartet: Dugdale wurde in die britische Oberschicht geboren. Mit 17 Jahren traf sie die Queen, dann begann sie, in Oxford zu studieren. Dort radikalisierte sie sich in der Antikriegsbewegung und war in radikal linken Kreisen in England eine bekannte Aktivistin. Ihr Studium schloss sie mit dem Doktortitel ab. Die Ermordung von 13 friedlichen Demonstranten am Blutsonntag 1972 in Derry überzeugte sie endgültig: Durch Demonstrieren wird sich die Welt nicht ändern. Sie ging nach Irland und schloss sich der IRA an. Nach dem Kunstraub wurde sie – bereits von ihrem Genossen Gallagher schwanger – im Juni 1974 zu neun Jahren Haft verurteilt, die sie im Frauengefängnis in Limerick absaß. 1978 durften die beiden als erstes inhaftiertes Paar in der irischen Geschichte heiraten. Nach ihrer Entlassung 1980 widmete sich Dugdale mit ihrem neuen Lebensgefährten Jim Monaghan der Entwicklung selbstgebauter Bomben und Waffen.

In ihren letzten Lebensjahren wurde Dugdale zunehmend kritisch gegenüber dem Friedensprozess und der irisch-republikanischen Sinn Féin. In Dublin war die kleine, gebrechliche und bereits kranke Frau regelmäßig bei Veranstaltungen dissidenter Republikaner wie Éirígí und der 1916 Societies anzutreffen. In der irischen Hauptstadt schlief sie am Montag in einem Pflegeheim knapp vor ihrem 83. Geburtstag für immer ein.

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