15.03.2024 / Feminismus / Seite 15

Unsterbliche Rebellin

Proteste und Aktionen zum Frauenkampftag. Reformen und Gedenken an Julieta Hernández

Julieta Daza, Caracas

In Venezuela war einiges los am internationalen Frauenkampftag. So wurden am 8. März in einem offiziellen Akt die Leichname von Joaquina Sánchez und Eulalia Buroz in den sogenannten Nationalpantheon gebracht. Dort liegen auch die sterblichen Überreste des Nationalhelden Simón Bolívar. Die zwei Frauen hatten Anfang des 19. Jahrhunderts für die Unabhängigkeit Venezuelas gegen die spanische Krone gekämpft. Die symbolische Initiative sollte laut Frauenministerin Dheliz Álvarez die Rolle der Frauen in der Geschichte Venezuelas sichtbar machen.

Bei einer darauffolgenden Veranstaltung verkündete Präsident Nicolás Maduro: Im Rahmen des Sozialprogramms »große Mission venezolanische Frau« habe man bereits 33.000 Kredite an Frauen für ihre Projekte übergeben. Es seien außerdem landesweit über 100.000 territoriale Frauenkomitees organisiert worden. Dabei handle es sich um »Frauen, die sich in ihrem Basiskomitee, in ihrer Gemeinde, in ihrer Straße organisieren und selbstermächtigen«, so der Staatschef. Am Vortag hatte die Nationalversammlung zudem ein neues Gleichstellungsgesetz verabschiedet. Dem Parlament zufolge soll es die Rechte der Frauen und ihre Menschenwürde gewährleisten.

Zum Frauenkampftag mobilisierten auch viele feministische Basisorganisationen. Bei einer Kundgebung in der Hauptstadt Caracas kritisierten Sprecherinnen der der Kommunistischen Partei nahen Clara-Zetkin-Bewegung unter anderem die Nichtgewährleistung der Arbeitsrechte und die Verfolgung von Frauen. Sie forderten außerdem einen würdevollen Lohn für Frauen sowie das Recht, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Abtreibungen sind bis heute unter Strafe gestellt. Eine Forderung vieler Aktionen war ein Ende des Genozids des israelischen Staates an der palästinensischen Bevölkerung, besonders Frauen und Kindern.

Auch ein dramatischer Femizid prägte den Frauenkampftag in Venezuela: der Ende vergangenen Jahres an der Venezolanerin Julieta Hernández in Brasilien begangene Mord. Während ihres Tiermedizinstudiums in Maracay war Hernández in der venezolanischen Theaterwelt als Schauspielerin und im Zirkus als Clown unter dem Namen »Miss Jujuba« bekannt geworden. 2016 reiste sie mit ihrem Rad und ihrem Cuatro – einem venezolanischen Saiteninstrument – nach Brasilien, um sich dort im »Theater der Unterdrückten« weiterzubilden. Als Straßenkünstlerin und Aktivistin machte sie künstlerische und soziale Arbeit in von Armut betroffenen Gemeinden. Ende 2023, auf der Rückreise nach Venezuela, wurde sie von einem Mann vergewaltigt und anschließend von ihm und seiner Frau ermordet. Die Familie des Opfers ist davon überzeugt, dass sie getötet wurde, als sie versuchte, die fünf kleinen Kinder der Mörder vor Hunger und häuslicher Gewalt zu schützen.

Der Femizid hat in Venezuela zu einer Welle von feministischen und künstlerischen Initiativen geführt. Freunde und Kollegen von Hernández sowie Aktivistinnen feministischer Bewegungen begleiteten Hernández’ Mutter und Schwester zur Bestattung in der Stadt Puerto Ordaz. Verónica Seijas, Sprecherin der Bewegung »Julieta presente«, erzählte gegenüber jW über die Reise in die Stadt: »Auf der Reise nach Puerto Ordaz sprachen wir viel über unsere Lebenserfahrungen mit Julieta. Die tiefe Empörung über ihren brutalen Tod und die Begleitung ihrer Beisetzung hat dazu geführt, dass unsere Bewegung gewachsen ist.« Die Aktivisten seien eine Gruppe von Menschen, die wollten, dass ganz Venezuela und die Welt weiß, wer Julieta war: »Unsere Friedensbotschafterin. Eine Frau mit Mut und Ideen für die soziale Veränderung, die sich für die Unterdrückten eingesetzt hat.«

Auch am Frauenkampftag marschierte die Bewegung durch das Stadtzentrum bis zum »Haus der Frau«, wo Frauen, die Gewalterfahrungen gemacht haben, unterstützt werden. Dort hatte Hernández gearbeitet. Gegenüber jW erklärte Seijas abschließend: »Mit der Bewegung soll der Traum von Julieta verwirklicht werden, den Menschen in Venezuela eine Kultur zu bringen, die befreit, emanzipiert und die Realitäten verändert«.

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