13.07.2011 / Schwerpunkt / Seite 3
Haßerfüllte antikommunistische Tiraden
Der frühere Spiegel-Mitarbeiter Peter-Ferdinand Koch
veröffentlichte vor kurzem das Buch »Enttarnt.
Doppelagenten: Namen, Fakten, Beweise« (siehe jW vom 27.
Juni). Zu dem Buch erreichte jW folgende Stellungnahme von Klaus
Eichner, Oberst a. D. des Ministeriums für Staatssicherheit
der DDR (MfS):
Peter-Ferdinand Koch hat bisher Bücher zu
Geheimdienstaktivitäten im Ost-West-Konflikt
veröffentlicht. Er rühmt sich seiner guten Kontakte zum
BND und zum Verfassungsschutz, aber auch zum israelischen Mossad.
Koch ist in Kreisen der ehemaligen Mitarbeiter des MfS kein
Unbekannter. Werner Großmann hat in seinem Buch »Bonn
im Blick« seine zwielichtigen Avancen und Aktionen als
»Nachrichtenhändler« ausführlich
dargestellt.
Was Koch in seinem neuen Buch über das MfS und seine leitenden
Mitarbeiter schreibt, ist so neu nicht. Die Mehrzahl seiner
diesbezüglichen Behauptungen hatte er bereits 1994 in seinem
Buch »DDR contra BRD – die feindlichen
Brüder« publiziert. Bereits dort praktizierte er die
unwissenschaftliche Methode, alle problematischen Aussagen mit
Quellenangaben »Archiv des Autors« zu belegen. Jetzt
variierte er dieses Vorgehen mit den Angaben »Recherchen des
Autors« und verweist dabei auf »vertrauliche
Gespräche« oder »vertraulich zur Verfügung
gestelltes BND-Material«. Da kann sich der Leser dann alles
heraussuchen.
Der Autor hat in einigen Passagen interessante historische
Vorgänge dargestellt, die wertvolle Ergänzungen zur
Geschichte der internationalen Geheimdiensttätigkeit bringen.
Andere Aussagen, z. B. über die faschistischen Wurzeln der
Gründer der westdeutschen Geheimdienste, ergänzen
lediglich Details zu den Personalangaben aus freigegebenen
CIA-Dokumenten und fügen einige neue Erkenntnisse hinzu. Wie
üblich, ignoriert Koch jedoch alle Quellen der östlichen
Seite zu diesem Thema. Lediglich eine Auflistung der Publikationen
des DDR-Autors Julius Mader findet sich in einer
Fußnote.
Jedoch in allen Passagen, die die Tätigkeit der östlichen
Geheimdienste betreffen, läßt Koch seine
antikommunistischen Hetztiraden los. Das betrifft die Geschichte
der sowjetischen Nachrichtendienste, vor allem des
militärischen Nachrichtendienstes GRU, und setzt sich fort bis
zum Ende des MfS. Für ihn spielt auch keine Rolle, daß
bei der Gründergeneration des MfS der DDR aktive Vertreter des
antifaschistischen Widerstandes dominierten (vgl. Eichner/Schramm:
Angriff und Abwehr, edition ost, 2007).
Eine Passage betrifft einen angeblichen Schußwechsel zwischen
Personenschützern von Walter Ulbricht und Erich Honecker 1971
vor dem Sommersitz Ulbrichts in Dölln, der mit dem Tod der
Ehefrau eines Personenschützers verbunden gewesen sein soll.
Koch verdreht die Darstellungen zum Ablauf des Gesprächs
zwischen Ulbricht und Honecker und die entsprechenden Ermittlungen
des MfS zu diesem Todesfall auf seine Weise. Eine Entgegnung mit
Hilfe einer gründlichen Untersuchung durch kompetente
Zeitzeugen aus den Reihen des MfS wird noch erfolgen. Zumindest hat
die Zentrale Ermittlungsstelle für Regierungs- und
Vereinigungskriminalität (ZERV) in jahrelangen Untersuchungen
nach 1990 eine solche Feststellung nicht treffen können
– und sie hat wahrlich nach solchen Hinweisen gesucht.
https://www.jungewelt.de/artikel/166972.haßerfüllte-antikommunistische-tiraden.html